BDSW: Sicherheitsstandards für Asylbewerberunterkünfte
Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft bietet der nordrhein-westfälischen Landesregierung Hilfe bei der Überarbeitung der am 1. Oktober vorgestellten neuen Sicherheitsstandard...
Der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft bietet der nordrhein-westfälischen Landesregierung Hilfe bei der Überarbeitung der am 1. Oktober vorgestellten neuen Sicherheitsstandards für Asylbewerberunterkünften in NRW an. Die, nach dem Bekanntwerden der erschütternden Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte in Nordrhein-Westfalen, veröffentlichten neuen Sicherheitsstandards sind nach Einschätzung der Experten des BDSW stark überarbeitungsbedürftig und zeigen deutlich das fehlende Verständnis für aktuelle Bedingungen in der Branche auf.
„Wir begrüßen, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen nun der Thematik auf einer grundlegenden Basis annehmen will", so Dr. Harald Olschok, Hauptgeschäftsführer des BDSW. Bei der Ausarbeitung dieser Sicherheitsstandards müsse allerdings, so Olschok weiter, darauf geachtete werden, dass man nicht überhastet Standards entwirft, die nicht mit der Praxis kompatibel oder sogar längst rechtlich vorgesehen sind.
Der BDSW bietet die Expertise des Verbandes und seiner Mitgliedsunternehmen an, um ein solides Konzept zur Entwicklung neuer Standards zu erstellen. Hierzu stellt der Verband zunächst ein, auf den Ausführungen der der nordrhein-westfälischen Landesregierung basierendes, 12-Punkte Programm vor.
Das 12-Punkte-Programm des BDSW zeigt die wichtigsten Eckpunkte auf:
- Das bisherige System der Auftragsvergabe an private Sicherheitsdienste gehört auf den Prüfstand. Es muss eine Trennung von der Ausschreibung der Betreuung der Liegenschaft und der Vergabe der Sicherheitsaufgaben vorgenommen werden. In der bisherigen Konstruktion der Ausschreibungen ist das Sicherheitsunternehmen zwangsläufig immer ein Subunternehmen des Unternehmens bzw. der Einrichtung, das den Auftrag über die Betreuung der Liegenschaft erhält.
- Im Vergabeverfahren sind insbesondere die Geeignetheit des Sicherheitsunternehmens, dessen Führungspersonals und des eingesetzten Sicherheitspersonals an Hand der Vergabekriterien Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit hervorzuheben. Hier sollte eine klare Gewichtung von Qualität 70% zu Preis 30% entstehen. Das Bestbieterprinzip bietet hierfür eine sehr gute Grundlag. Der BDSW empfiehlt die entsprechende Anwendung der Leistungsstufe 2 gemäß Anhang A der DIN 77200:2008-05 „Sicherheitsdienstleistungen - Anforderungen". Die unternehmensbezogene Eignungskriterien sollten sich deshalb unter anderem darauf beziehen, dass ein qualifiziertes Qualitätsmanagement-Systems vorhanden ist und eine tägliche, 24-Stunden dauernde ununterbrochene Besetzung der Einsatzleitung mit Führungs-personal gewährleistet ist. Des Weiteren sollte das Führungspersonal über zumindest englische, oder auch weitere Sprachkenntnisse verfügen, die eine sichere Kommunikation mit Asylbewerbern ermöglichen. Ferner sollte es spezielle Fortbildungen in Deeskalationstechniken beherrschen, um das Sicherheitspersonal im Einsatzfall auch proaktiv unterstützen zu können.
- Das zukünftig geforderte Einverständnis zu einer Überprüfung analog der Vorgaben der Sicherheitsüberprüfungsgesetztes verkennt, dass es mehrere Stufen gibt. Dies ist somit zu konkretisieren. Zudem ist zu erwägen, in diesem Bereich grundsätzlich eine verfassungsschutzmäßige Überprüfung gem. § 9 Absatz 2 BewachV vorzunehmen.
- Die Zuverlässigkeitsüberprüfung muss regelmäßig (z.B. jährlich) durch die zuständige Ordnungsbehörde erfolgen.
- Die in den letzten Monaten stark anwachsende Zahl der Asylbewerberinnen und -bewerber hat zu einer Überforderung der aufnehmenden Behörden und damit verbunden zu einer sehr schnellen Vergabe der Liegenschaftsbetreuung, und so auch der Sicherheitsaufgaben, geführt. Die nun geforderte Sachkundeprüfung benötigt u.U. mehr Zeit. Eine seriöse Auftragsvergabe an private Sicherheitsdienste, die alle gesetzlichen Vorgaben einhält, ist binnen weniger Tage schlichtweg nicht möglich! Ebenso müssen die Industrie- und Handelskammern die erforderlichen Ressourcen zur Abnahme der Sachkundeprüfung erst bereitstellen bzw. aufbauen.
- Die o.a. Sachkundeprüfung ist eine rein theoretische Prüfung vor einer Industrie- und Handelskammer. Die in einem sensiblen Aufnahmelager eingesetzten privaten Sicherheitskräfte bedürfen weitergehende Qualifikationen und Erfordernisse. Die können bei der Industrie- und Handelskammer nicht gelernt werden. Es ist auf erfahrene öffentliche und auch private Bildungseinrichtungen zurückzugreifen, die bereits seit Jahren Erfahrung haben mit dieser Art von sensiblen Aufgaben.
- In diesem ebenso sensiblen wie komplexen Bereich der Sicherheit müssen die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter grundsätzlich auch auf Kompetenzen in pädagogischen, fremdsprachlichen und mediativen Bereichen ausgeweitet werden. Auch müssen bei einem Teil der eingesetzten Sicherheitskräfte interkulturelle Kompetenzen vorausgesetzt werden, bzw. geschult werden
- Es ist eine spezifizierte Anforderung der Dienstleistung vorzunehmen. Standards sind landes- bzw. bundesweit zu erarbeiten. Sie dürfen nicht nur auf der Ebene der Bezirksregierung existieren, sondern müssen zwingend auf die kommunale Ebene heruntergebrochen werden.
- Es ist auch nicht so, dass alle in Verbindung mit einer Asylbewerberunterkunft wahrgenommenen Aufgaben in den Geltungsbereich des „Bewachungsgewerbes" nach dem Gewerberecht fallen. Der § 34a der Gewerbeordnung und die Bewachungsverordnung gelten nur für Unternehmen und Beschäftigte, die „gewerbsmäßig Leben oder Eigentum fremder Personen bewachen will".Der Auftraggeber hat die Verpflichtung, die ausgeschriebenen Aufgaben klar zu definieren. Dazu gehört auch die Abgrenzung. Entscheidend ist aber auch, dass mit der Betreuung der Asylbewerber entsprechend qualifiziertes Personal eingesetzt wird. Das müssten Sozialarbeiter oder auch andere Fachkräfte sein. Diese Aufgabe kann nicht von privaten Sicherheitskräften auf der Grundlage der Gewerbeordnung geleistet werden.
- Alle in Verbindung mit einer Asylbewerberunterkunft wahrzunehmenden Aufgaben können nicht auf Grundlage des tariflichen Mindestlohns vergeben werden. Nach dem derzeit gültigen Tarifvertrag, den der BDSW mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat, beträgt der Mindestlohn in Nordrhein-Westfalen 9,00 Euro. Dieser ist für einfache Bewachungsaufgaben vorgesehen und kann der komplexen Aufgabe in einem Asylbewerberheim nicht als Grundlage dienen. Die Entlohnung muss sich den an der für die Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft bzw. der Fachkraft für Schutz und Sicherheit orientieren, auch wenn die Qualifizierung anders ausgestaltet werden muss. Dies muss auch als Grundlage im Vergabeverfahren Berücksichtigung finden
- Die geforderte Eigenerklärung über relevante Vorstrafen reicht keines Falls aus. Entscheidend ist die Überprüfung durch die Behörden und auch eine regelmäßige Kontrolle sowie entsprechende Rückinformation an den Dienstleister. BDSW Stellungnahme Sicherheitsstandard für Asylbewerberunterkünfte.docx Seite 5
- Auf Grund der verschärften Situation in den Unterkünften muss das Vier-Augen-Prinzip dringend eingehalten werden. Nur so können Sicherheitskräfte vor möglicherweise nicht gerechtfertigten Beschuldigungen geschützt werden.
Es müssen unzweifelhaft gravierende Veränderungen im Schutz von Asylunterkünften vorgenommen werden. Der BDSW bietet die Expertise seiner Mitgliedsunternehmen an, bei den Standards aktiv mitzuwirken. Dies ist im vorliegenden Fall nachweislich nicht geschehen. Wichtig ist die angesprochene Qualitätskontrolle von geeigneten Kräften. Aber auch die Zuverlässigkeitsüberprüfung der eingesetzten Sicherheitsleute muss regelmäßig vorgenommen werden. Dies setzt jedoch eine Übereinkunft dahingehend voraus, welche Aufgaben überhaupt unter den Geltungsbereich der Gewerbeordnung fallen damit zwangsläufig von den privaten Sicherheitskräften wahrgenommen werden müssen. Der BDSW ist gerne bereit, seine Kompetenz in dieses schwierige Aufgabenfeld einzubringen und steht für Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung.