Informatiker entwickeln Verfahren für Hör-Überwachung

Wenn in der Leitzentrale einer Fabrik das Alarmlicht blinkt, ist der Problemfall längst eingetreten. Informatiker des Exzellenzclusters CITEC der Universität Bielefeld sowie der Un...

Wenn in der Leitzentrale einer Fabrik das Alarmlicht blinkt, ist der Problemfall längst eingetreten. Informatiker des Exzellenzclusters CITEC der Universität Bielefeld sowie der Universität Wien haben ein Verfahren entwickelt, mit dem das Personal in Überwachungsräumen nebenher mehrere Abläufe parallel verfolgen kann, um vorbeugend einzugreifen. Der Kniff:

Die Abläufe werden vertont. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hören, ob zum Beispiel ausreichend Rohstoffe am Fließband lagern und können frühzeitig reagieren, wenn der Vorrat schwindet.

Prozesse müssen in den unterschiedlichsten Branchen überwacht werden: Ob in der Fabrik, im Operationssaal, im Paketzentrum oder in der Raumfahrt.

„Bis heute ist die Überwachung von Prozessen ein visuell gestütztes Arbeitsfeld", erklärt der CITEC-Informatiker Dr. Thomas Hermann. „Es zeigen also Bildschirme oder Kontrollpulte mit Displays an, ob alles in Ordnung ist. Bei der Menge an Informationen kann einem leicht etwas entgehen. Das Personal muss sich sehr konzentrieren, um alle Abläufe im Blick zu behalten", sagt Hermann, der die Forschungsgruppe „Ambient Intelligence" am CITEC leitet. „Mit unserem neuen System setzen wir zusätzlich auf akustische Signale. Unser Verfahren ermöglicht so eine passive Überwachung - also eine Kontrolle, die nebenher erledigt werden kann."

Hermann hat das neue System zusammen mit Tobias Hildebrandt und Professorin Dr. Stefanie Rinderle-Ma von der Universität Wien (Österreich) entwickelt. Eine Simulation zeigt am Beispiel einer Fertigungsanlage, wie das Verfahren funktioniert. Jede Station ist mit einem Geräusch versehen:

So meldet sich die Anlieferung mit Vogelzwitschern, einer Station ist eine Biene zugeordnet und einer anderen das Knacken von Zweigen, durch die der Wind rauscht. Die Auslieferung ist mit tropfendem Wasser vertont. Wenn alles normal läuft, ertönen alle vier Geräusche dezent im Hintergrund.

„Wir haben uns für diese Waldgeräusche entschieden, weil sie einen Klangraum bilden, der meist als angenehm empfunden wird und wenig stört", erklärt Hermann. Bahnt sich nun an einer Station eine kritische Situation an - in der Auslieferung beginnen sich etwa die fertigen Produkte zu stauen - wird das dazugehörige Geräusch zunehmend lauter. Der Mitarbeiter kann reagieren, bevor die Störung eintritt. In diesem Fall würde er frühzeitig veranlassen, dass die Produkte verladen werden und verhindert so einen Nothalt der Produktionsanlage. Laut Hermanns Kollegen Tobias Hildebrandt, der an der Universität Wien in der Wirtschaftsinformatik forscht, eignet sich das System nicht nur für Produktionsanlagen. „Es könnte in fast allen Branchen eingeführt werden, in denen Abläufe zentral gesteuert oder überwacht werden, um sie zu kontrollieren: im Krankenhaus ebenso wie in Leitzentralen für Schienen- und Busverkehr", sagt Hildebrandt.

„Prozessüberwachung durch Hören hat mehrere Vorteile", erklärt Thomas Hermann. „Die Ablenkung ist geringer als bei visueller Kontrolle. Hinzu kommt, dass wir mit den Ohren alles um uns herum wahrnehmen. Mit den Augen müssen wir gezielt auf das schauen, was für die aktuelle Aufgabe wichtig ist. Generell ist der Vorteil am Hören, dass es permanent geschieht.

Unsere Augenlider können sich schließen. Es gibt aber keine Ohren-Lider, die zufallen können", sagt der Informatiker. Darüber hinaus werden Geräusche Hermann zufolge schneller als visuelle Reize verarbeitet. „Das Besondere am Hören ist auch, dass Menschen schon kleinste Veränderungen bei Klängen und Geräuschen erkennen, zum Beispiel im Auto, wenn sich das Fahrgeräusch aufgrund anderer Straßenbeschaffenheit subtil ändert."

Das neue System heißt „SoProMon". Der Name steht für „Sonification System for Process Monitoring as Secondary Task" (Vertonungssystem für die Prozessüberwachung als nebensächliche Aufgabe). Ein Forschungsartikel der drei Entwickler wurde im November als „Best Paper" ausgezeichnet.

Verliehen wurde die Ehrung auf der IEEE International Conference on Cognitive Infocommunications (CogInfoCom) in Vietri sul Mare, Italien.

Thomas Hermann ist Spezialist für Sonifikation, die systematische Darstellung von Daten als Klänge und Geräusche. So hat er 2012 zusammen mit Berliner Medienkünstlern mit einer eigenen Software die deutsche Twitterlandschaft vertont. Dafür wird Themen automatisch ein Geräusch zugewiesen. Greift ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes das Thema auf, ist das dazugehörige Geräusch zu hören. Hermanns Forschungsgruppe „Ambient Intelligence" (sinngemäß: Umgebungsintelligenz) entwickelt intelligente Umgebungen, neuartige Interaktionsobjekte und aufmerksamkeitsfähige Systeme, die im Alltag unterstützen sollen. Dabei setzen die Wissenschaftler neben Sonifikation auch auf multimodale Interaktion, also das Prinzip, das ein Gerät seinen Nutzer über mehrere Sinneskanäle - von Hören bis Fühlen - anspricht und von dem Nutzer ebenfalls über mehrere Kanäle gesteuert werden kann.

 

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