Reformchance für Sicherheitsbranche: Eigenes Gesetz und Wechsel zum Bundesinnenministerium
Vorzeichen für die von der Bundesregierung gemäß Koalitionsvertragin dieser Legislaturperiode angepeilte Rechtsreform stehen gut: Höhere Qualitätsstandards in gesamter Branche vera...
Vorzeichen für die von der Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag in dieser Legislaturperiode angepeilte Rechtsreform stehen gut: Höhere Qualitätsstandards in gesamter Branche verankern, schwarzen Schafen das Handwerk legen, verstärkte Kooperation von Staat und Privat ermöglichen.
Die Angst vor Kriminalität ist in Deutschland trotz der seit vielen Jahren rückläufigen Gesamtdeliktzahlen besonders ausgeprägt. Das zeigt eine jüngst veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Liegt die Befürchtung, Opfer von kriminellen Handlungen zu werden, im OECD-Schnitt bei 34 %, sind es hierzulande 47 %. „Ein erneuter deutlicher Hinweis auf den hohen Handlungsdruck, der aus Sicht der Bevölkerung bei der inneren Sicherheit besteht“, sagt Friedrich P. Kötter, Verwaltungsrat der Kötter Security Gruppe und Vizepräsident des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW). „Und eine klare Aufforderung an die beteiligten Akteure, Sicherheit neu zu denken.“
Angesichts stetig steigender Herausforderungen u. a. durch Organisierte Kriminalität, Jugendgewalt oder Wirtschaftsspionage bei gleichzeitiger Aufgabenüberlastung der Polizei reiche der Ruf nach mehr Polizeibeamten allein nicht aus. „Neue, intelligente Kooperationen von Staat und Privat sind zusätzlich das Gebot der Stunde“, betont der 52-Jährige. Und einhergehend damit die von der Bundesregierung gemäß Koalitionsvertrag angestrebte Reform des Rechtsrahmens für die Sicherheitswirtschaft. „Erst diese wird die wiederholt beschworene tragende Rolle der privaten Anbieter für die innere Sicherheit wirklich mit Leben füllen“, ist Friedrich P. Kötter überzeugt. Denn auch wenn die Sicherheitswirtschaft schon heute wichtige Aufgaben übernimmt und bereits vor mehr als zehn Jahren von der Innenministerkonferenz (IMK) als zentraler Pfeiler der Sicherheitsarchitektur anerkannt wurde, bleibe die Diskussion um die Weiterentwicklung der inneren Sicherheit trotzdem primär auf die staatlichen Organe fokussiert. Darüber hinaus agiere das Sicherheitsgewerbe weiter auf einem gesetzlichen Flickenteppich mit Zuständigkeiten unterschiedlicher Ministerien, bei dem der über 90 Jahre alte § 34a der Gewerbeordnung als primäre rechtliche Basis zudem den tatsächlichen Branchengegebenheiten längst nicht mehr gerecht werde.
„Übergang zum Innenministerium wäre der geeignetste Zeitpunkt für den Gesetzesstart“
„Die juristischen Rahmenbedingungen sind nicht mehr zeitgemäß. Daher müssen sie dringend angepasst werden. Außerdem wäre die Politik gut beraten, öffentliche und private Sicherheit nicht getrennt, sondern gemeinsam zu betrachten und Verengungen zu vermeiden“, betont Wolfgang Bosbach, Mitglied des Kötter Sicherheitsbeirates und einer der renommiertesten Innenexperten. Die Gesetzesrealisierung in dieser Legislaturperiode, bei der die verantwortlichen Ministerien Herr des Gesetzgebungsverfahrens sind, befinde sich auf gutem Weg. Wolfgang Bosbach: „Bekanntlich mahlen die Mühlen des Gesetzgebers langsam. Mittlerweile ist allerdings gut ein Drittel der Legislaturperiode vorbei, so dass ich davon ausgehe, dass sich Regierung und Parlament rasch, zügig und konstruktiv mit dem Thema Sicherheitsgesetz beschäftigen werden. Der Zuständigkeitswechsel vom Bundeswirtschafts- zum Bundesinnenministerium wäre der geeignets¬te Zeitpunkt für den Start des geplanten Regelungswerkes für die private Sicherheitswirtschaft.“
Branche in der Pflicht: Zentrale Aspekte für die Gesetzgebung in den Fokus rücken
Das Bundesinnenministerium unterstütze dabei die künftige Zuständigkeitsübernahme, verdeutlicht Fritz Rudolf Körper, Mitglied des Kötter Sicherheitsbeirates und Staatssekretär a. D., die positiven Signale. Mit Blick auf die hiervon und vom geplanten Sicherheitsgesetz ausgehende „riesige Reformchance, die Branche und Politik nutzen sollten“, sieht er speziell die Sicherheitswirtschaft selbst in der Pflicht: „Die Schaffung eines bundeseinheitlichen Sicherheitsgesetzes ist eine große Chance.
BDSW-Vizepräsident Friedrich P. Kötter: „Wir müssen Sicherheit neu denken“.
Dies muss auch in der Kommunikation der zentralen Punkte deutlich zum Ausdruck kommen. Die Branche muss Politik und Ministerien mit klar verständlichen Zielen und Inhalten hierfür begeistern.“ Strategisch und in der Außenwirkung gehe es um zwei Richtungen: Zum ersten, wie angeführt, die wichtige Funktion der Branche für die Sicherheitsarchitektur in der Praxis nachhaltig mit Leben zu füllen. Zum zweiten durch strengere rechtliche Vorgaben höhere Qualitätsstandards über die gesamte Branche hinweg zu verankern, schwarzen Schafen das Handwerk zu legen und damit erweiterte Kooperationen von Staat und Privat zu ermöglichen.
Wunsch nach höheren Anforderungen für Gewerbetreibende und Sicherheitsmitarbeiter
Im Fokus stehen daher verschärfte Zugangsvoraussetzungen zur Branche sowohl für Unternehmer als auch Beschäftigte. Stichwort Gewerbetreibende: „Hier wäre zu begrüßen, wenn die Schaffung höherer Eintrittsbarrieren, wie sie in der letzten Legislaturperiode eingeleitet wurden, im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt würde. Sämtliche Auflagen für das Betreiben eines Gewerbes müssten natürlich um regelmäßige Überprüfungen ergänzt werden“, sagt Wolfgang Bosbach. In diesem Zuge sollten die Kriterien für aktuelle Sicherheitsunternehmer gleichfalls kritisch auf den Prüfstand kommen. Denn nur so bestehe die wirkliche Chance, das Gewerbe in seiner gesamten Breite zu einer soliden und hochqualitativen Branche zu machen. „Wir müssen verhindern, dass Unternehmer am Markt sind, die weder das notwendige Knowhow mitbringen noch die erforderlichen Personal und Sachmittel nachweisen können, um seriös zu agieren. Ziel sollte es sein nicht den vermeintlichen Erfolg in Dumpingpreisen zu suchen, die wiederum ausschließlich durch Dumpinglöhne möglich sind“, verdeutlicht der Innenexperte.
Stichwort Mitarbeiter: Hier sollten die in der vergangenen Legislaturperiode in Kraft getretenen Regelungen gesetzgeberisch gleichfalls möglichst ausgebaut werden. „Ein Ansatzpunkt wäre, die jetzt bereits für bestimmte Tätigkeitsfelder geltende Sachkundeprüfung auf alle Beschäftigten der Sicherheitsbranche auszuweiten und damit die zurzeit bestimmende Unterrichtung bei der IHK abzulösen“, erklärt Fritz Rudolf Körper. Einhergehend damit erscheine die Anpassung der Prüfungsverordnung durch mehr Praxisbezug sinnvoll. Für spezielle Einsatzgebiete wie kritische oder sensible Infrastrukturen sollten zudem höhere Qualifikationsanforderungen gelten.
Dauerbrenner Subunternehmer-Einsatz - Vergabe nicht nach dem billigsten Preis
Weiteres Themenfeld ist der „Dauerbrenner Subunternehmer“. „Übermäßige Einsätze von Nachunternehmern gehören zu den größten Sicherheitsrisiken. Daher sollten sämtliche angeführten Ideen zu Anforderungserhöhungen an Gewerbetreibende, Mitarbeiter etc. möglichst in gleichem Maße auch von Nachunternehmern zu erbringen sein“, erklärt Fritz Rudolf Körper. Zusätzlicher Aspekt: Durch die aktuell häufig praktizierte Weitergabe an SubSubunternehmer werde für Auftraggeber intransparent, wer am Schluss mit welchen Qualifikationen und Überprüfungen für sie im Einsatz sei. „Ein erhebliches Sicherheits und Haftungsrisiko. Der gesetzliche Ausschluss von Kettenbeauftragungen wäre daher sicher überlegenswert“, unterstreicht der Staatssekretär a. D.
Staatssekretär a. D. Fritz Rudolf Körper: „Geplantes Gesetz ist eine große Chance. Branche muss Politik und Ministerien mit klaren Zielen hierfür begeistern.“
Einhergehend damit tritt die Branche auch für eine Reform der Vergabepraxis ein. „Der Billigste muss nicht der Wirtschaftlichste sein! Die gerade bei der öffentlichen Hand vorherrschende Praxis, ausschließlich nach dem niedrigsten Preis zu vergeben, ist häufig mit großen Risiken verbunden“, erklärt Wolfgang Bosbach. „Es wäre daher wünschenswert, dass im Zuge einer solch großen Gesetzesanbahnung für die Sicherheitswirtschaft auch die Vergabepraxis inhaltlich mit erörtert und möglichst reformiert würde. Das Bestbieterprinzip, bei dem Qualität und Preis in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, bietet hier sehr hilfreiche Ansatzpunkte.“