Intelligente Sensorik für die Bahn
Sensoren im Fahrgestell und den Türen eines Personenzuges nehmen per 5G Kontakt zum SAP System der Deutschen Bahn AG auf und melden Defekte bevor sie entstehen. Science-Fiction? Defekte Bauteile verursachen die unter Bahnreisenden unbeliebten "Verzögerungen im Betriebsablauf". Gleichzeitig ist der Austausch noch funktionsfähiger Komponenten in starren Wartungsintervallen ökologisch und ökonomisch unsinnig.
Passend zur Thematik fördert das BMWi mit dem SenseTrAIn die futuristische anmutende Methode zur effizienten Überwachung sicherheitsrelevanter Funktionen in der Bahn-Technik. Seit September erarbeiten Forschende vom Fraunhofer ILT zusammen mit Industriepartnern die Zukunft in der Wartung und Instandhaltung bei der DB Systemtechnik GmbH. Bis 2024 entwickeln: ME-Meßsysteme GmbH, vedisys AG, DATAbility GmbH und Wissenschaftler am ILT ein KI-gestütztes Sensor-System für den Schienenverkehr.
Für die Weichenstellung zur intelligenten Wartung sorgt nun das Projekt SenseTrAIn, bei welchem das langjährig bewährte additive Verfahren Laser Powder Bed Fusion LPBF zum Einsatz kommt. Der schichtweise Aufbau ermöglicht es, elektronische Komponenten wie Sensoren und Aktoren während des 3D-Drucks in metallische Bauteile zu integrieren. Zur richtigen Zeit gestoppt, erlaubt das Verfahren den Einbau von Sensoren in das Werkstück, bevor der 3D-Laser seine Arbeit fortsetzt. Das Bauteil allein ist aber nur die halbe Geschichte. Vernetzt und kontrolliert von einer KI soll das fertige System künftig selbst signalisieren, ob, wann und wo ein Austausch oder eine Reparatur notwendig wird.
"Wir erhielten den Zuschlag vom BMWi, weil das Gesamtpaket, gepackt von unseren Projektteilnehmern, stimmt", so Simon Vervoort, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer ILT. Das Ziel des Verbundprojekts ist die Entwicklung einer gesamtheitlichen Lösung zur drahtlosen und kontinuierlichen Zustandsüberwachung sensorintegrierter, additiv gefertigter Bauteile. Von der Sensorik bis zur Meldung in der SAP der Deutschen Bahn AG.
Für die DB Systemtechnik GmbH war besonders die Eignung zum problemlosen Retrofit wichtig, die einfache und kosteneffiziente Nachrüstung möglich macht. In diesem Zusammenhang bestand auch der Wunsch nach einer kabellosen Datenübertragung, die sich etwa mit Hilfe von 5G schnell und einfach realisieren lässt.
Mögliche Anwendungsfälle ergaben ein Technologie-Scouting der Projektpartner. Zu den vielversprechenden Einsatzfeldern zählen Türmechanik, Primär- und Schlingerdämpfer sowie vor allem Radsatzlagerdeckel, die Radlagergehäuse abschließen. Dieser ist aus Sicht der Instandhaltung ein kritisches Bauteil. Bei erhöhter Belastung steigt die Temperatur und es droht Verschleiß. In den Deckel integrierte Temperatur- und Beschleunigungssensoren könnten Heißläufer und ihre Ursachen frühzeitig erkennen. Der Einsatz der Künstlichen Intelligenz in Kombination mit den Sensoren macht das Erkennen und Weiterverarbeiten erst möglich.
Keine KI ohne Datenbasis. Besonders hebt Vervoort die Notwendigkeit einer großen, validen Datenbasis hervor. Eigentlich müssten diese direkt an den zu kontrollierenden Systemen im Alltagsbetrieb generiert werden. Das ist laut den Wissenschaftlern am ILT gar nicht möglich. Stattdessen nutzt man zunächst das TrainLab der Deutschen Bahn Technik GmbH, um die neue Sensortechnik unter realistischen Alltagsbedingungen zu testen. Die so gewonnenen Daten dienen zunächst zum Trainieren der KI.
Im folgenden Schritt, wenn die Technik reibungslos funktioniert, ist der Testeinsatz im Alltagsbetrieb vorgesehen. Aufgrund der gebündelten Kompetenzen der Beteiligten scheint der Erfolg greifbar zu sein, sind sich die Forschenden am Fraunhofer ILT sicher - kein Science-Fiction! Nur die Kombination von Erfahrung, Vision und guter Ingenieur-Leistung.
Den aktuellen Stand des Projektes erfahren Interessenten vom 16. bis zum 19. November auf der Formnext 2021 in Frankfurt am Main auf dem Fraunhofer-Gemeinschaftsstand. Ein Highlight ist ein Praxisdemonstrator des Fraunhofer ILT: Das per LBPF additiv gefertigte Bauteil mit eingebrachter Sensorik dient als anschauliches Objekt, um die Möglichkeiten dieser neuen Technik zu demonstrieren.
Projekt SenseTrAIn
ME-Meßsysteme GmbH, Henningsdorf (Projektleitung): Entwicklung bauteilintegrierter Sensoren für Kraft, Temperatur und Beschleunigung sowie der geeigneten Übertragungstechniken für die Messwerte.
DATAbility GmbH, Darmstadt: Entwicklung eines Prognostics Health Management-Systems (PHM) mit einem anknüpfenden Entscheidungsunterstützungssystem, dass die erhaltenen Rohdaten mit geeigneten Methoden aus dem Bereich des maschinellen Lernens für eine Aussage über den Bauteilzustand verarbeitet.
Fraunhofer ILT, Aachen: Integration von Sensorik in den additiven Fertigungsprozess als nächsten Schritt zur Realisierung von intelligenten Bauteilen, die für die Konzepte von »Industrie 4.0« und »Internet of Production« nötig sind.
DB Systemtechnik GmbH, Minden: Fahrzeugspezifisches Know-how, Bereitstellen von Informationen über Komponenten und Bauteile sowie deren Systemintegration; regelmäßiger Experten-Sparringspartner für die Projektteilnehmer; Testing der Demonstratoren an Testzügen im Advanced TrainLab.