NRW Sicherheitstag: Wirtschaft in der Zeitenwende

150 Teilnehmer am 7. August 2023 bei der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft West e.V. im Post-Tower Bonn.

Unter dem Motto „Deutsche Wirtschaft in der Zeitenwende: Neue Intelligenz - Neue Herausforderungen“ beim NRW-Sicherheitstag trugen hochkarätige Referenten zu verschiedenen Themen rund um die politische und wirtschaftliche Lage sowie zu Organisation und Technik in Sachen Sicherheit vor.

Anmoderiert von Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl, Dozentin an der Hochschule der Polizei Brandenburg im Masterstudiengang Kriminalistik, hieß Melanie Kreis, Finanzvorstand der DHL Group die Konferenzbesucher im Post-Tower willkommen. Melanie Kreis ist seit Oktober 2014 Mitglied des Vorstandes der DHL Group für das Ressort Finanzen. In dieser Funktion ist sie unter anderem für Corporate Accounting & Controlling, Finance Global Forwarding, Freight zuständig – sowie für Konzernrevision und Sicherheit.

„Wenn wir den Willen haben!“
Im Anschluss daran gab Christian Vogt, Vorstandsvorsitzender der ASW West und Leiter des Bereichs Konzernsicherheit und Konzerndatenschutz des Landtechnikkonzerns Claas, einen Überblick über die aktuelle Sicherheitslage, national wie international. Vor dem Hintergrund der von der Bundesregierung beschlossenen Nationalen Sicherheitsstrategie bewertete Vogt Herausforderungen für Sicherheitsverantwortliche – von Klimakrise und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bis hin zu ESG, sprich der Verantwortung von Unternehmen für Environment, Social und Governance – also Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und gute Unternehmensführung.

Auch die Interaktion mit China spiele eine bedeutende Rolle – samt dem Gebot, De-Risking statt De-Coupling zu betreiben. Das Kritis-Dachgesetz, NIS2 und CER seien weitere, die Rahmenbedingungen beeinflussende Faktoren. Ohne Anstrengung, so das Fazit von Christian Vogt, gebe es keinen Erfolg beim Bemühen um wirksamen Wirtschaftsschutz: „Wenn wir den Willen haben“, so der Experte für physische wie auch für Cyber-Sicherheit, „schaffen wir das auch – aber der Wille muss da sein.“

Erweiterung der Kritis-Sektoren reicht nicht
Es folgte eine Einschätzung der Lage aus politischer Sicht durch Herbert Reul, Minister des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen. Einer seiner Schwerpunkte war die hybride Bedrohungslage sowie die Sicherheit für Kritische Infrastrukturen – seiner Beschreibung nach durchaus eine mögliche Achillesferse in Deutschland. Solange ein Anschlag wie der auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn möglich sei, sei man eben nicht vollständig sicher. Auch die Erweiterung der Kritis-Sektoren im Zuge des Kritis-Dachgesetzes seien noch nicht ausreichend. Ob beispielsweise ein Kraftwerk sicher sei, hänge nun mal auch davon ab, dass man auch den dafür zuständigen Sicherheitsdienstleister in die Betrachtung einbeziehe.

Eine Cybersicherheitsstrategie habe man für NRW begonnen aufzusetzen. „Noch nicht perfekt“, aber es sei allemal besser, zu beginnen und schon einmal einen „Fuß in der Tür zu haben“. Hier gingen Staat und Institutionen immerhin mit gutem Beispiel voran. Speziell für das Thema Cyber brauche man ergänzend auch eine „weitere Art von Polizisten, so etwas wie Cyber-Cops“, so der NRW-Innenminister. Da es bekanntlich schwierig sei, Fachkräfte zu gewinnen, habe man aktuell 50 Studienplätze eingekauft – um talentierte, bereits bei der Polizei beschäftigte Bedienstete für das Thema Cyber umzuschulen. Beim Blick in Richtung Bund bemängelte Reul im Übrigen, dass die Länder bei der Sicherheitsstrategie nicht direkt beteiligt gewesen seien. Das Kritis-Dachgesetz sei „gut, aber es muss jetzt auch kommen“, so der zwischenzeitliche CDU-Bundesvorstand (2018-2022): „Um Doppelstrukturen und weiße Flecken zu vermeiden“. Speziell KMU müssten konkrete Tipps in Sachen Sicherheit erhalten. Dafür dankte er der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft, die diese Aufgabe – im Verbund mit Fachzeitschriften wie GIT SICHERHEIT – wahrnehme.

Es folgte ein Vortrag von Dr. Robert B. Munson, seit November 2021 Verbindungsoffizier beim Kommando Streitkräftebasis (SKB) der Bundeswehr in Bonn. Der Zivilbeamte beim 21. Theater Sustainment Command (TSC) des US-Heeres, mit HQ in Kaiserslautern, erläuterte die logistischen Umstände bei möglichen Panzer-Transporten der US-Armee durch Deutschland. Eine tatsächlich enorm große Aufgabe, für man jedoch gut gerüstet sei.

Fakes und ChatGPT
In der anschließenden Panel Discussion ging es um Fake News, Deepfakes und ChatGPT – und ob diese eine Gefahr für Demokratie, Wissenschaft und Wirtschaft bedeuteten. Erneut moderiert von Dorothee Dienstbühl diskutierten drei Experten und beantworteten Fragen aus dem Publikum. Dr. Robert Frischholz, CTO des Unternehmens Bioid, gab Infos zum Stand der Technik und zum „FakeID Projekt“ mit dem Kooperationspartner DHL, mittels dessen es möglich wird, Identitätsbetrug besser aufzudecken. Frank Ewald, Chef der Konzernsicherheit bei der DHL Group ging ein auf die Bedeutung der KI für Konzernsicherheit, Auswertung von Open Source Intelligence, die Vorstrukturierung von Massendaten, intelligente Kameras und Videosicherheit. Dirk Fischlein, Dozent der Hochschule der  Polizei im Land Brandenburg, benannte Aspekte zum Thema CEO-Fraud und stellte die Frage, „welchem Anruf auf dem Telefon man wohl noch trauen“ könne. In Sachen KI für Sicherheitsbelange seien seiner Meinung nach interdisziplinäre Kooperationen nötig, um die Möglichkeiten auszunutzen – und, so auch die einhellige Meinung aller drei Experten, mehr Geschwindigkeit bei der Umsetzung.

Abschließend trug Dr. Ansgar Rieks, Generalleutnant a.D. Luftwaffe der Bundeswehr zum Thema „Einsatz von KI in der Verteidigung — eine multidimensionale Betrachtung“ vor. Ein Beitrag, der nachdenklich stimmte. Auch hier seien KI und Technik bestimmende Faktoren, immer in Verbindung stehend mit einem Willen zu ethischem Vorgehen und Handeln.

Zuvor noch sprach Dr. Gerhard Conrad, ehemaliger Direktor beim Bundesnachrichtendienst BND und Intelligence Advisor bei der Munich Security Conference, über globale Spannungsfelder und Implikationen für die deutsche Wirtschaft. Eine „Supermacht im Niedergang“, so der promovierte Völkerrechtler, könne durchaus gefährlicher sein für die Sicherheit als eine stabile, etablierte. Gefährliche Konfrontationen seien heute zudem leider zumindest wahrscheinlicher als in früheren Jahrzehnten.

Tipp: Qualifizierte Lagefeststellung
Auch das Thema Technik und zumindest die Möglichkeit zu Ausspähaktionen beschäftigte Conrad. So habe ihm die Frage nach dem richtigen Umgang mit den Produkten des chinesischen Unternehmens Huawei „bereits viele Kopfschmerzen bereitet“. Bei der Globalisierung der Wirtschaftswelt sei man davon ausgegangen, dass alle Marktteilnehmer gleiche, sich ergänzende Interessen hätten – was sich de facto jedoch als Trugschluss erwiesen habe.

Weiterhin ungünstig entwickle sich die Lage in Afghanistan, so Islamwissenschaftler Conrad. Das Land drohe zu einem Hort für Terroristen zu werden – also möglicherweise ein weiterer Ausgangspunkt für Unsicherheiten.

Insgesamt seien es die Felder Versorgung, Gesundheit, Sicherheit und funktionierende Lieferketten, auf denen die größten Herausforderungen anstünden. Zudem auch die Sicherheit im Weltraum: „Was man da oben hat“ könne laut Conrad „natürlich auch abgeschaltet werden“. Auch das sei möglicherweise ein Risiko. Der Ukraine-Krieg, um erneut auf die Niederungen der Erde zurückzukehren, werde bei aller Hoffnung seiner persönlichen Einschätzung nach wohl leider auch im nächsten Jahr noch andauern.

Als Tipp und Handlungsempfehlung gab Dr. Gerhard Conrad den Sicherheitsverantwortlichen mit auf den Weg, für eine qualifizierte Lagefeststellung, für eine funktionierende „Intelligence“ zu sorgen. Idealerweise, um direkte und auch indirekte Abhängigkeiten mindestens festzustellen – um dann entsprechende Maßnahme einleiten zu können.

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