ZVEI: DFB-Leitfaden "Videotechnik und Datenschutz im Stadion"
Schalke gegen Dortmund, Köln gegen Düsseldorf, Erfurt gegen Chemnitz - brisante Duelle in den drei Fußball-Bundesligen elektrisieren hunderttausende Fans, setzen eine ganze Region ...
Schalke gegen Dortmund, Köln gegen Düsseldorf, Erfurt gegen Chemnitz - brisante Duelle in den drei Fußball-Bundesligen elektrisieren hunderttausende Fans, setzen eine ganze Region tagelang unter Hochspannung. Für Polizei und Ordnungskräfte sind nicht nur die Vergleiche zwischen alten Rivalen eine große Herausforderung: In und um die Stadien gilt es an nahezu jedem Wochenende, in häufig dynamischen Situationen aufkeimende Konflikte rasch zu entdecken, schnell zu deeskalieren und so Brandherde im Keim zu ersticken.
Kleine Gruppen sorgen fast immer für den größten Ärger - in der Regel sind es weniger als ein Prozent aller Stadionbesucher. Mal geht es um 500, mal um 300, vor allem in der 2. und 3. Fußball-Bundesliga häufig um weniger als 100 „Problemfans". Meist handelt es sich um Mehrfach- und Intensivtäter, die - vor allem auswärts - durch szenetypische Straftaten und Ordnungswidrigkeiten auffallen: Dazu zählen etwa das Abbrennen von Pyrotechnik, Beleidigung von Polizeibeamten, Körperverletzung und Sachbeschädigung, Eingriffe in den Bahnverkehr oder Diebstahl gegnerischer Fan-Utensilien.
Klar ist auch, dass die Polizeieinsätze große Summen kosten. Immer wieder gibt es Diskussionen, die Vereine am Aufwand zu beteiligen. Reduziert auf den Kern, lautet das Problem: Wie lässt sich ein kleiner Personenkreis von Störern kontrollieren, ohne die Rechte der großen unauffälligen Mehrheit einzuschränken?
Effektives Werkzeug: Datenschutzkonforme, hochauflösende Videotechnik
Datenschutzkonforme, hochauflösende Videotechnik ist dafür ein hervorragendes Instrument. Für Fußballvereine macht eine Investition in moderne Videotechnik mehrfach Sinn: Langfristig ist dies deutlich günstiger, als Strafen zu zahlen. Zudem schützen proaktive Maßnahmen vor weiteren Forderungen und Sicherheitsauflagen.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich der Thematik nun intensiv angenommen und zusammen mit den Videoherstellern im ZVEI- Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie einen Leitfaden „Videotechnik und Datenschutz im Stadion" erarbeitet. Die Publikation richtet sich unter anderem an Stadionbetreiber und Sicherheitsbeauftragte der Vereine der ersten drei Fußball-Bundesligen.
Innovativ ist der Ansatz des DFB auch aus anderer Perspektive: Von Beginn an waren die Videohersteller intensiv eingebunden und wurden nicht erst nachträglich die entscheidenden Fragen geklärt: Was kann die Technik, wozu dient sie und wie ist der Datenschutz dabei zu berücksichtigen?
In sechs Monaten Zusammenarbeit entstand eine Handreichung, die auf die speziellen Bedürfnisse in Stadien angepasst ist, sich zugleich aber auch technisch auf höchstem Niveau und dem neuesten Stand bewegt, außerdem zukünftige Entwicklungen berücksichtigt. Begleitet haben das Projekt Experten aus dem Datenschutz und von der Polizei.
Die Zielsetzung des Projektes war von Beginn an eindeutig: Konzepte und technische Rahmenbedingungen für datenschutzkonforme, hochauflösende Videosysteme zu entwickeln - insbesondere für das Stadiongelände, also den juristischen Hausrechtsbereich des Betreibers der Veranstaltungsstätte. Berücksichtigt wurde auch die Situation finanzschwacher Vereine mit Hochrisikospielen in den unteren Ligen: Hier können punktuell mobile Lösungen zum Einsatz kommen. Zudem war es ein wichtiges Anliegen, die Integration bestehender Anlagen sicherzustellen.
Grundsatz: Videoeinsatz und Datenschutz wirken zusammen
Der Leitfaden stellt klar heraus, dass der Einsatz von Videosystemen und Datenschutz keine Gegensätze sind. Das wird in dem technischen Rahmenwerk öfters thematisiert. So lassen sich beliebige Bildbereiche permanent ausblenden. Oder sie sind verpixelt. Es kann ermöglicht oder unterbunden werden, die Verschleierung während eines Vorfalls oder später aufzuheben. Zudem lässt sich die Anlage im Überblicksmodus betreiben, so dass Personen nicht zu erkennen sind. Nur bei einem Delikt und einem Zoom zeigt die Ausschnittvergrößerung dann Details. Moderne Kameras können auch mehrere Streams ausgeben: etwa einen niedrigauflösenden für den Ordnungsdienst und einen hochauflösenden für die Polizei. Ergänzend sorgen komplexe Arbeitsregeln - etwa Protokollierung aller Kamerafahrten und Zugriffe, Speicherfristen, Leserechte nur im Vier-Augen-Prinzip - für Rechtssicherheit. Sogenannte „digitale Wasserzeichen" garantieren vor Gericht, dass Bilder nicht nachträglich verändert wurden.
Komplexität reduzieren - klare Standards schaffen
Eine der wichtigsten Grundlagen für das Papier ist die neue Norm DIN 50132. Sie beschreibt im Detail die Auflösungskategorien inklusive Prüfkreterin für Videoanlagen. So macht sie Angaben, wie breit die Abmessung des tatsächlichen Aufnahmebereichs je Pixel auf dem Kamerasensor maximal sein darf, damit das Ziel der Identifikation erreicht werden kann. Diese Kenngröße hat wiederum Auswirkungen auf die Zahl der zu installierenden Kameras. DIN 50132 definiert die Auflösungskategorien wie etwa „Identifizieren" (4 mm/px), „Erkennen" (8 mm/px), „Beobachten" (16 mm/px) oder „Detektieren" (40 mm/px). Mit der Pixelanzahl der Kamera lässt sich dann ausrechnen, wie groß der maximale Aufnahmebereich in einem der oben genannten Betriebsmodi ist.
Für den Leitfaden verständigten sich die Videoexperten und der DFB auf die beiden Kategorien „Detektieren" und „Identifizieren". Damit lässt sich verhindern, dass zu viele Auflösungsvorgaben konkurrieren und ein Wildwuchs der Systeme entsteht. Nun sind die Anforderungen in Stadien klar strukturiert. Das reduziert die Kosten deutlich.
Der Leitfaden erläutert zudem ausführlich, welche Anforderungen an die Beleuchtung gestellt werden, thematisiert Kamerastandpunkte und Blickwinkel sowie mögliche Störgrößen wie Regen oder starke Lichtveränderungen, etwa durch Sonneneinstrahlung.