BHE/ZVEI: Ein Plus von 1,6 Prozent
Mit einem Umsatzplus von 1,6 Prozent auf knapp 4,7 Milliarden Euro ist der Markt für elektronische Sicherheitstechnik in Deutschland auch 2020 gewachsen.
Die Corona-Krise hat die einzelnen Gewerke unterschiedlich stark getroffen. Die im letzten Jahr prognostizierten Umsatzrückgänge waren in der Summe weniger stark als erwartet, die Aufarbeitung der Auswirkungen der Corona-Krise dauert aber noch einige Zeit an.
„Die Branche hatte für 2020 erhebliche Umsatzeinbußen befürchtet – diese haben sich nicht bewahrheitet,“ zeigt sich Dirk Dingfelder, Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Sicherheit, erleichtert. Phasenweise hatte die Branche pandemiebedingt mit Umsatzverlusten von bis zu zehn Prozent gerechnet. Insbesondere Dienstleistungen wie Wartung und Instandsetzung haben einen erheblichen Anteil am moderaten, aber stetigen Wachstum des vergangenen Jahres. „In vielen Fällen konnte der Corona-Lockdown für Modernisierungen, anstehende Reparaturen oder Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an sicherheitstechnischen und sonstigen Anlagen genutzt werden,“ so Norbert Schaaf, Vorstandsvorsitzender des BHE Bundesverband Sicherheitstechnik.
Den Megatrends Digitalisierung und Vernetzung in der Sicherheitstechnik hat die Pandemie nach Einschätzung der beiden Verbände nichts anhaben können, sondern sie im Gegenteil weiter befördert. Dingfelder und Schaaf sehen in der zunehmenden Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Dienstleistungen dauerhafte Wachstumschancen für die Branche: „Der Markt entwickelt sich hin zu digitalen Services sowie softwaregetriebenen, vernetzten Produkten und Systemen.“
Unterschiede in einzelnen Gewerken
Der Umsatz mit Brandmeldetechnik – nach wie vor größtes Gewerk der Sicherheitstechnik, das zudem stark von der Baukonjunktur abhängig ist – stieg 2020 um 1,4 Prozent auf rund 2,2 Milliarden Euro. Mit einem Plus von 4,3 Prozent auf 386 Millionen Euro verzeichneten Zutrittssteuerungssysteme ein überdurchschnittliches Wachstum.
Am kräftigsten legten die Videosysteme zu mit plus 7,1 Prozent auf 650 Millionen Euro. Gründe für das Wachstum sind unter anderem die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und die Flexibilität der Videosicherheitstechniken, zum Beispiel für Personenzählungen zur Einhaltung von Corona-Auflagen.
Verhaltener verlief das Wachstum bei Sprachalarmierungstechnologien mit plus einem Prozent auf 114 Millionen Euro. Ins Minus rutschten die Überfall- und Einbruchmeldeanlagen mit einem Rückgang von knapp zwei Prozent auf 870 Millionen Euro. Die übrigen Gewerke wie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA), Rufanlagen nach DIN VDE 0834, Fluchttürsysteme, Personenhilferuf und sonstige Systeme und Komponenten verzeichneten in Summe mit 0,4 Prozent Zuwachs ein deutlich unterdurchschnittliches Wachstum.
Der BHE
Der BHE Bundesverband Sicherheitstechnik e.V. ist mit über 1.000 angeschlossenen Unternehmen ein wichtiger Verband für Sicherheitstechnik. Dabei bildet eine starke Gemeinschaft fachkompetenter Personen und Firmen die Erfolgsgrundlage des BHE: Durch ihre aktive Mitarbeit in den BHE-Fachausschüssen und anderen Gremien sorgen die Mitgliedsunternehmen (etwa 78% Errichter, 20% Hersteller und 2% Planer) für schnelle Lösungen.
Der BHE ist Kommunikations- und Informationsplattform für alle, die sich mit Sicherheitsfragen beschäftigen. In diesem Sinne fördert er den Meinungsaustausch der Mitgliedsunternehmen untereinander und insbesondere mit Anwendern, Sicherheitsbeauftragten sowie anderen, für Sicherheitsfragen zuständigen Personen und Institutionen.
Der ZVEI
Der ZVEI - Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. vertritt die gemeinsamen Interessen der Elektroindustrie und der zugehörigen Dienstleistungsunternehmen in Deutschland und auf internationaler Ebene.
Die Branche beschäftigt rund 873.000 Arbeitnehmer im Inland und 790.000 im Ausland. 2020 lag ihr Umsatz bei rund 180 Milliarden Euro. Ein Fünftel aller privaten F+E-Aufwendungen in Deutschland kommen von der Elektroindustrie. Jährlich wendet die Branche rund 20 Milliarden Euro auf für F+E und mehr als sechs Milliarden Euro für Investitionen. Ein Drittel des Branchenumsatzes entfallen auf Produktneuheiten. Jede dritte Neuerung im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt erfährt ihren originären Anstoß aus der Elektroindustrie.
Sicherheitstechnik trotzt Corona
Ein Gespräch mit Dirk Dingfelder, ZVEI-Fachverband Sicherheit
Viel wurde über die Entwicklung der Sicherheitstechnik im Corona-Krisenjahr 2020 gemutmaßt – nun haben ZVEI und BHE entsprechende Daten zur Entwicklung des Marktes der elektronischen Sicherheitstechnik in Deutschland geliefert. Im Gespräch mit GIT SICHERHEIT erläutert Dirk Dingfelder, Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Sicherheit, warum die Branche robust und mit Wachstum durch die Krise kam, wie sich die Situation im laufenden Jahr darstellt und welche Chancen und weiteren Herausforderungen bereits absehbar sind.
GIT SICHERHEIT: Herr Dingfelder, vor ziemlich genau einem Jahr befürchteten die Mitgliedsunternehmen im Fachverband Sicherheit laut einer Ihrer Umfragen für das Jahr 2020 noch Umsatzrückgänge von minus sieben bis minus zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ganz so schlimm scheint es dann doch nicht gekommen zu sein, wenn man jetzt unter dem Strich ein Wachstum von 1,6 Prozent stehen sieht, oder?
Dirk Dingfelder: Tatsächlich haben sich die negativen Prognosen so nicht bewahrheitet. Auf die neue Situation nach Ausbruch der Corona-Pandemie mussten sich die Unternehmen in der Sicherheitstechnik natürlich erst einmal einstellen, so wie das in der gesamten Elektroindustrie und darüber hinaus der Fall war. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte hat jedoch bei vielen Unternehmen ein langsamer, aber stetiger Aufholprozess eingesetzt. Die Nachfrage von Dienstleistungen wie Wartung und Instandsetzung und das überdurchschnittliche Abschneiden einzelner Teilgewerke haben sicherlich einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, dass wir insgesamt gesehen den Wachstumskurs der letzten Jahre aufrechterhalten konnten. Wenngleich mit einer etwas geringeren Wachstumsrate als für die Sicherheitstechnik üblich.
Einzelne Gewerke wie Videosicherheitssysteme haben das Wachstum aus 2019 sogar übertroffen, während andere Gewerke nur leicht positive oder gar rückläufige Zahlen vorweisen. Gibt es dafür Gründe?
Dirk Dingfelder: Die Entwicklung des Markts muss differenziert betrachtet und interpretiert werden. Grundsätzlich ist vor dem Hintergrund der generell schwierigen Marktbedingungen festzuhalten, dass auch ein nur leicht positives Wachstum beispielsweise bei der Brandmeldetechnik und den Sprachalarmtechnologien als Erfolg zu werten ist. Auch die Überfall- und Einbruchmeldeanlagen sind trotz eines Rückgangs von knapp zwei Prozent deutlich über den ursprünglichen Erwartungen, die Sie eingangs bereits erwähnt hatten. Die Videosicherheitstechnik hat sicherlich von ihrer Vielfältigkeit und Breite in den Anwendungen sowie der Möglichkeit profitiert, sich schnell auf die neuen Anforderungen einzustellen und passende Lösungen in der Krise anzubieten. Gerade die immer intelligenter und zuverlässiger werdende Videoanalyse hat beispielsweise mit der Personenzählung oder auch der Abstands- und Temperaturmessung innovative Anwendungen, die sehr gut zu den aktuellen Bedürfnissen und Anforderungen im Markt passen.
Richten wir den Blick in die Zukunft: Werden wir den Wachstumstrend also auch im Jahr 2021 weiter beobachten können?
Dirk Dingfelder: Das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mit Gewissheit sagen. Jedoch vernehmen wir aus der Mitgliedschaft überwiegend positive Signale, seit dem Frühjahr ist ein Aufschwung spürbar. Das bestätigt auch eine im März 2021 vom ZVEI-Fachverband Sicherheit durchgeführte Geschäftsklimaumfrage: Rund 74 Prozent der teilnehmenden Hersteller sowie Errichter und Planer von Sicherheitstechnik bewerteten die aktuelle Geschäftslage als gut. Zur Einschätzung des zweiten Halbjahr 2021 hatten 59 Prozent eine zumindest gleichbleibende Geschäftserwartung, ein Viertel ging sogar von einer günstigeren Geschäftsentwicklung aus. Gerade auch im Hinblick auf den Industrie- und Zweckbau sowie den öffentlichen Sektor ist die Stimmung positiv. Das alles bestärkt uns in der Annahme, dass sich die Branche erholt hat.
Und mit welchen thematischen Schwerpunkten wird sich der ZVEI-Fachverband Sicherheit im zweiten Halbjahr beschäftigen?
Dirk Dingfelder: Unsere Themen sind wie immer vielfältig. Generell sehen wir in der Sicherheitstechnik weiterhin einen Trend und ein Potenzial in neuen digitalen und auch datenbasierten Geschäfts¬modellen. Hierzu zählen zum Beispiel der Fernzugriff auf sicherheitstechnische Anlagen (Remote Services), intelligente und datengetriebene Gebäudesysteme auch unter Einbeziehung von Künstlicher Intelligenz im Smart Home und Smart Building sowie im weiteren Sinne Safety bzw. Security as a Service.
Weiter beteiligen wir uns als Fachverband aktiv an der neuen ZVEI-Plattform „Gebäude“. Der Gebäudesektor ist für die Sicherheitstechnik klassischerweise von großer Bedeutung. Mit der Gründung der ZVEI-Plattform wollen wir die Synergien der elektrotechnischen Gewerke im Gebäude stärker nutzen und übergreifende Themen mit Zukunftspotenzial abbilden. Vor allem Nachhaltigkeit und Vernetzung sind Zukunftstreiber und bieten Wachstumsmöglichkeiten im Gebäudemarkt. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der politischen Ambitionen in Richtung eines „Zero Emission Building“. Eines unserer konkreten Themen mit Ursprung im Fachverband Sicherheit ist beispielsweise die Be- und Entlüftung von Aufzugsschächten, welche über eine vergleichsweise einfache und kostengünstige energetische Sanierung beziehungsweise Aufrüstung ein leicht zu erschließendes Energie-Einsparpotenzial von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung bietet.
Von Corona einmal abgesehen: Gibt es noch andere Herausforderungen, denen sich die Branche stellen muss?
Dirk Dingfelder: Sicher gibt es auch die ein oder andere Entwicklung, die uns umtreibt. Aktuell gewinnt beispielsweise das Thema der Liefer- bzw. Versorgungsengpässe unter anderem bei Kunststoff, Metallen oder Halbleitern immer mehr an Relevanz. Das betrifft die gesamte Elektroindustrie und das spürt man mittlerweile auch in der Sicherheitstechnik. Wann sich die Situation wieder entspannt, ist noch nicht abzusehen. Besonders ungünstig wäre es, wenn die Auftragsbücher voll sind, die Anlagen und Komponenten aber nicht rechtzeitig oder nicht in vollem Umfang geliefert werden können, und die Mitarbeiter deswegen in Kurzarbeit geschickt werden müssten. Hier kommt es sicherlich auch auf eine effektive Kommunikation zwischen den Herstellern einerseits und den Planern und Errichtern andererseits an, um solche Probleme wo es geht zu vermeiden.
Zudem beschäftigt uns die strategische Zukunft der Normung. Das betrifft sowohl auf europäischer Ebene die aktuelle Überarbeitung der europäischen Bauproduktenverordnung als auch auf nationaler Ebene die Arbeiten der Baukostensenkungskommission. Beidem gemeinsam sind unmittelbare Auswirkungen auf die Normung, welche für die Industrie von gravierender Bedeutung sind. Der ZVEI bringt seine Positionen dazu kontinuierlich in die politische Diskussion ein, um bestmögliche Lösungen und einen möglichst reibungsfreien Normungsprozess sicherzustellen. Aktuelle Normen, die den allgemeinen Stand der Technik repräsentieren, sind notwendig und wichtig für die Branche – in Deutschland wie in Europa. Folglich setzen wir uns im ZVEI zusammen mit den Mitgliedern auch weiterhin für eine Stärkung der Normung ein.
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