AGHH-Positionspapier: Probleme der geplanten SCIP-Datenbank
In einem neuen Positionspapier macht die Arbeitsgemeinschaft Hartwarenhersteller AGHH auf Probleme der geplanten SCIP-Datenbank aufmerksam und fordert die EU-Kommission zu entsprechenden Korrekturen auf.
Die SCIP-Datenbank soll gemäß der Europäischen Abfallrahmenrichtlinie am 5. Januar 2021 für alle Hersteller und Vertreiber in der Lieferkette verpflichtend werden. Die dort geforderten Angaben zu besonders besorgniserregenden Stoffen in Erzeugnissen gehen dabei nach der AGHH über den gesetzlichen Rahmen hinaus und bieten keinen absehbaren Nutzen für Mensch und Umwelt.
Im folgenden Positionspapier nehmen die Mitgliederverbände Stellung:
Unsere Produzenten und Hersteller von Hartwaren fühlen sich verpflichtet, gefährliche Stoffe in ihren Erzeugnissen weitestgehend zu vermeiden und ihre Produkte stets im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, umwelt- und ressourcenschonend. Dazu ist auch der Informationsaustausch in der Wertschöpfungskette unverzichtbar (Art. 33 Abs. 1 REACH), wenn er diese Ziele befördert und damit zu Verbesserungen für Mensch und Umwelt führt.
Hartwaren sind „einfache“ und komplexe Produkte mit hoher Fertigungstiefe. Die Lieferketten für Produktion und Beschaffung sind dabei oftmals global und zumeist ebenfalls komplex. Der Informationsfluss zu Materialdaten ist bereits jetzt eine Herausforderung, wenn es um die Bereitstellung der nach REACH Artikel 33 relevanten Informationen in globalen Lieferketten geht.
Die derzeitigen Informationsanforderungen für die SCIP-Datenbank übersteigen die gesetzlichen Verpflichtungen von REACH und erhöhen die Komplexität und den damit verbundenen Aufwand der Informationsbeschaffung für unsere Unternehmen erheblich. Deshalb sollten nur die in REACH-Artikel 33 Absatz 1 gesetzlich vorgeschriebenen Informationen von der Europäischen Chemikalienbehörde (ECHA) zwingend angefordert werden können.
Die Einbindung einer komplexen SCIP-Datenbank in die Abfallrahmenrichtlinie wurde zudem keiner vorherigen Konsultation, Durchführbarkeitsstudie oder Folgenabschätzung unterzogen. Das Vorgehen der EU steht daher nicht im Einklang mit den Grundsätzen der guten Rechtsetzung.
Die Datenbank befindet sich immer noch in der Entwicklung, die Veröffentlichung ist für Ende Oktober geplant. Dieser Termin ist nicht vereinbar mit dem Zeitraum, der für die Entwicklung und Änderung von IT-Systemen und die Planung der entsprechenden Investitionen von unseren Unternehmen benötigt wird.
Ob eine SCIP-Datenbank den Abfallbehandlungsunternehmen überhaupt die Möglichkeit eröffnen wird, besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC-Stoffe) zielgerichtet aus dem Stoffkreislauf zu entfernen, darf stark bezweifelt werden. Detailinformationen über kleinste Teilartikel sind für Recyclingunternehmen wenig hilfreich, weil die Abfallbehandlung regelmäßig nicht auf Teilartikel- oder Artikelebene erfolgt und daher die SVHC-Stoffe von den bisherigen Behandlungsprozessen der Abfallwirtschaft nicht erkannt und ausgesondert werden können.
Darüber hinaus sieht die Abfallrahmenrichtlinie vor, dass auf Anfrage auch Verbrauchern Zugang zu der Datenbank gewährt wird. Die Frage der rechtlichen Vereinbarkeit mit der REACH-Verordnung ist nicht ausreichend geklärt, da gemäß Artikel 33 Absatz 2 REACH jeder Lieferant eines Artikels, der SVHC-Stoffe enthält, dem Verbraucher ausreichende Informationen auf Verlangen eines Verbrauchers zur Verfügung stellen muss. Insbesondere ist also die Frage offen, ob diese Pflicht zur Verbraucherinformation mit der Hinterlegung der Daten in der SCIP-Datenbank unter Verweis auf diese bereits stets erfüllt ist.
Der Schutz der europäischen Rechte des geistigen Eigentums in Bezug auf vertrauliche Geschäftsinformationen über Produkte ist für die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen von entscheidender Bedeutung. Ein fairer Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen in der EU hergestellten und eingeführten Erzeugnissen müssen gewährleistet sein. Der SCIP-Datenbank fehlt aber bisher ein fundiertes Sicherheitskonzept zum Schutz von Unternehmensdaten im Hinblick auf die Offenlegung von Lieferketten oder auf den Identitätsdiebstahl.
Es muss verhindert werden, dass den Herstellern je nach europäischem Mitgliedsland, in dem ihre Produkte in Verkehr gebracht werden, unterschiedliche Verpflichtungen auferlegt werden. Jegliche Abweichungen bei der Umsetzung der Informationspflichten zwischen den Mitgliedstaaten würden zu nicht gleichen Wettbewerbsbedingungen führen. Die Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie muss stärker harmonisiert und innerhalb eines engen Rechtsrahmens erfolgen.
Zu beachten ist auch, dass nicht nur im Bereich Hartwaren ein identisches Produkt üblicherweise unter einer Vielzahl von Markennamen und Produktbezeichnungen in Verkehr gebracht wird. Veränderungen in der Zusammensetzung dieses Produktes müssten nach heutigem Stand für jeden dieser Markennamen und Produktbezeichnungen separat gepflegt werden, wodurch der ohnehin hohe Aufwand weiter aufgebläht wird. Die SCIP-Datenbank sollte daher die optionale Möglichkeit vorsehen, auf den Datensatz des Originalprodukts zu referenzieren. Dies gilt auch für Produktfamilien, die sich lediglich hinsichtlich ihrer Größe, Farbe etc. unterscheiden, nicht jedoch hinsichtlich ihrer Zusammensetzung.
Das Datenbankformat zum Upload von Informationen sollte möglichst transparent und KMU-gerecht gestaltet werden.
Die Implementierung der SCIP-Datenbank in ihrer aktuellen Gestaltung wird eine extreme wirtschaftliche Belastung für unsere Unternehmen darstellen. Die derzeitige Wirtschaftskrise durch die Covid19-Pandemie hat unseren Unternehmen sehr ernste Haushalts- und Ressourcenbeschränkungen auferlegt. Es erscheint daher als unverhältnismäßig, in solchen wirtschaftlich herausfordernden Krisenzeiten, allen betroffenen Wirtschaftsbeteiligten zusätzliche Anstrengungen durch die europäische Abfallpolitik aufzuerlegen, wenn der Nutzen für Mensch und Umwelt absehbar nur sehr begrenzt ist.
Wir fordern die EU-Kommission daher auf, die SCIP-Datenbank einer umfassenden Folgenabschätzung zu unterziehen und die Informationsmeldungen an die SCIP-Datenbank bis auf weiteres auszusetzen.
Die Arbeitsgemeinschaft Hartwarenhersteller (AGHH) ist eine gemeinsame Initiative der Verbände Fachverband Schloss- und Beschlagindustrie e. V. (Velbert), Fachverband Werkzeugindustrie e. V. (Remscheid), Herstellerverband Haus & Garten e.V. (Köln) und Verband Deutscher Schleifmittelwerke e.V. (Bonn).