Andreas Kupka im Gespräch mit GIT SICHERHEIT
Im Mai dieses Jahres trat Andreas Kupka die Nachfolge von Horst Eckenberger als CEO von Primion Technology an. Seine Stationen bei Unternehmen wie Abus Security Center und Evva hab...
Im Mai dieses Jahres trat Andreas Kupka die Nachfolge von Horst Eckenberger als CEO von Primion Technology an. Seine Stationen bei Unternehmen wie Abus Security Center und Evva haben ihn zum Kenner der Branche gemacht. Kupka will nach einer Phase der Konzentration auf Rentabilität, Liquidität und Profitabilität das Unternehmen zu neuen Umsatzsteigerungen führen. GIT SICHERHEIT hat Andreas Kupka zu seiner Einschätzung der für Primion relevanten Märkte, sowie seinen Zielen und Strategien für die nähere Zukunft befragt.
GIT SICHERHEIT: Herr Kupka, die berühmten ersten 100 Tage als neuer CEO von Primion liegen längst hinter Ihnen. Welche neuen Eindrücke haben Sie von dem Unternehmen in dieser Zeit gewonnen?
Andreas Kupka: Seit meinem ersten Tag bei Primion hat mich das große Kompetenzspektrum und Erfahrungswissen überzeugt. Ich habe selten ein so tiefgreifendes Projekt- und Produktwissen erlebt. Viele Mitarbeiter sind schon seit Gründung des Unternehmens vor etwa 20 Jahren dabei. Trotz der bewegten Vergangenheit von Primion – vom eigentümergeführten Betrieb zur börsennotierten AG, Übernahme durch die spanische Azkoyen-Gruppe – haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammen mehrere Tausend Jahre Betriebszugehörigkeit allein in Deutschland. Unsere Kundenbasis ist über Jahrzehnte gewachsen und mit den meisten arbeiten wir seit den frühen Gründungsjahren zusammen. Wir lesen unseren langjährigen Kunden wirklich jeden Wunsch von den Lippen ab. Solch ein langfristiges Kundencommitment ist in unserer Branche keine Selbstverständlichkeit. Primion hat sich im letzten Jahr von der Börse zurückgezogen und vor wenigen Wochen von der Rechtsform einer Aktiengesellschaft in eine GmbH gewechselt. Dies ist ein wichtiger Schritt, damit wir uns noch besser auf unser Tagesgeschäft und den Kunden fokussieren können.
Ihre Stationen – unter anderem bei Abus und Evva – haben Ihnen vertiefte Kenntnisse der Branche verschafft. Welche spezifischen Chancen sehen Sie für Primion auf dem – zunächst einmal deutschen und europäischen Sicherheitsmarkt wie er sich heute darstellt?
Andreas Kupka: Anders als meine früheren Dienstgeber hat Primion ein zweigeteiltes Geschäftsmodell. Einerseits sind wir Hersteller für Zeit- und Zutrittslösungen. Diese entwickeln und fertigen wir mit recht hoher Fertigungstiefe am Standort Stetten am kalten Markt – mitten auf der Schwäbischen Alb. Andererseits sind wir zusätzlich einer der größten europäischen Integrationsanbieter, der Projektierung, Installation und Service anbietet. Diese große Spanne innerhalb der Wertschöpfungskette unterscheidet uns von vielen anderen Anbietern. Für uns bedeutet dieses zweigleisige Geschäftsmodell die Herausforderung, beide Modelle individuell mit zeitgerechten Prozessen und hohem Automatisierungsgrad zu versorgen. Das ist eine ewige Herausforderung, denn manche sind schon mit einem der beiden Modelle überfordert. Klar ist aber dadurch, dass auch unsere produzierenden Teile nur wachsen können, wenn unsere Integrationsstandorte wachsen, entweder organisch oder durch Zukauf.
Primion zählt sich zu den obersten Drei in der Marktführerschaft bei Zutrittskontrolle, Zeitwirtschaft und Sicherheitsmanagement. Welche Ziele setzen Sie sich und dem Unternehmen für die nähere Zukunft?
Andreas Kupka: Die Primion-Gruppe hat in den vergangenen Jahren den Fokus auf die Verbesserung der Liquidität und Rentabilität gelegt. Dies hat dazu geführt, dass wir schuldenfrei und sehr profitabel sind. Unser Umsatzwachstum in den letzten Jahren war hingegen eher nur moderat und unterhalb des Marktdurchschnitts. Mein primäres Ziel ist es daher, das Umsatzwachstum wieder auf ein deutlich höheres Niveau zu bringen. Nachdem unser Auftragseingangsbestand absolute Rekordhöhen erreicht hat, liegt unsere Herausforderung „nur“ darin, die Aufträge „an die Wand zu schrauben“. Alleine hierdurch werden wir überdurchschnittlich wachsen. Problem ist: Wir finden keine Fachkräfte. Hierzu zähle ich Hardware-Techniker, Software-Techniker, Projektleiter. Wir planen die Anzahl dieser Fachkräfte bis ins nächste Jahr um 50% zu steigern, aber der aktuelle Fachkräftemängel stellt sich als echte Wachstumsbremse dar. Ohne diese Techniker werden wir unsere ambitionierten Wachstumsziele nicht erreichen und arbeiten daher grade hart an neuen Konzepten, wie wir unsere Bedarfe an Fachkräften effektiver besetzen können.
Geben Sie uns einmal einen Einblick in Ihre strategische Planung – was sind die wichtigsten Eckpunkte Ihrer Strategie?
Andreas Kupka: Wahrscheinlich würde jeder hier ein ausgefallenes strategisches oder sogar visionäres Konzept erwarten. Aber meine Strategie war schon immer einfach: Das richtig gut machen, was man richtig gut können muss. Ich bin fest davon überzeugt, dass insbesondere im Integrations- und Sicherheitsgeschäft Themen wie Verlässlichkeit, Qualität, Funktionalität, Support etc. wesentliche Erfolgstreiber sind. Unsere Kunden suchen Lösungen, die das halten, was Sie versprechen. Wenn wir die Customer-Journey unserer Kunden gut kennen und an den kritischen Schlüsselmomenten unsere Kunden nicht nur die Erwartungen erfüllen, sondern das Gefühl der Begeisterung auslösen, dann haben wir den Erfolg sicher in der Tasche. So betrachtet spielt das einzelne Produkt eine deutlich geringere Rolle als das ganzheitliche Service- und Leistungsversprechen.
Die Sicherheitstechnik befasst sich seit Jahren unter anderem mit Fragen der Digitalisierung, der Vernetzung, der Integration in Drittgewerke, Migration, etc. – auch die Themen Smart Security, Mobile Access haben sehr stark Fahrt aufgenommen in den letzten Jahren. Welche Markttrends sehen Sie als die wesentlichsten und entscheidendsten für die Zukunft von Primion an?
Andreas Kupka: Vor 20 Jahren fand die Zutrittskontrolle noch (in Form von Lesegeräten) „online“ an der Wand statt. Heute spielt sich dieser Vorgang (in Form mechatronischer Lösungen) zunehmend „offline“ auf dem Türblatt ab. In Zukunft wird es jedoch so sein, dass mechatronische Lösungen an der Tür die gleiche Performance und Sicherheit wie traditionelle Online-Lösungen an der Wand bieten werden. Die Integrationsfähigkeit in bestehende (Funk-)Netze und ein innovatives Batteriemanagement ist dabei ein Erfolgsfaktor. Internet of Things trifft so auf traditionelle Sicherheitskonzepte. Ferner sehe ich das Thema Cloud-Lösungen definitiv als Mega-Trend, der sich im Bereich Zutritt und Zeiterfassung durchsetzen wird. Im Bereich Zeiterfassung werden neue Denkmodelle eine Konkurrenz für alte Traditionen sein. Statt der Anwesenheit werden Arbeitgeber eher das Ergebnis der Arbeit messen wollen, womit das Thema Home-Office das Image eines arbeitsfreien Tages verlieren wird.
Sie positionieren sich auch mit bestimmten vertikalen Lösungen, etwa für Luftfahrt, Öffentliche Verwaltung, Industrie und Gesundheitswesen. In welchen Branchen sehen Sie das größte Wachstum?
Andreas Kupka: Auf der Kundenliste von Primion steht das Who-is-Who der internationalen Konzerne. Und an deren Trends orientieren wir uns natürlich, damit wir nicht zu schmal aufgestellt sind. Ein großes Thema für uns sind aktuell z. B. Logistikzentren –hier sind wir mit den Top-Playern weltweit im Geschäft. Ein weiteres Thema sehen wir bei der Energiewende: Primion hat insbesondere im Bereich Nuklear (Betrieb, Rückbau und Endlager) Kompetenzen aufgebaut, die nur wenige Firmen weltweit besitzen. Zwei weitere Top-Themen sind für uns die öffentliche Verwaltung und das Thema Bildungswesen. In diesen Kundensegmenten bedarf es verlässlicher (Daten-)Systeme um z.B. zehntausend Türen und einhunderttausend Nutzer stabil zu verwalten.
Wie sieht es mit der internationalen, insbesondere europäischen Entwicklung aus – welche Schritte planen Sie hier?
Andreas Kupka: Primion ist mit seinen internationalen Standorten in Belgien, Niederlande, Frankreich und Spanien schon sehr gut aufgestellt. In anderen Ländern sind wir mit selbstständigen Vertriebspartnern vertreten. Leider ist das Exportgeschäft an diese Kunden in den letzten Jahren vernachlässigt worden. Hier werden wir in den nächsten Jahren mehr investieren und unser Partnernetzwerk ausbauen. Dabei liegt natürlich der Fokus im gesamten deutschsprachigen Raum – hier werden wir uns stärker positionieren als bisher. Zudem werden wir stärker Synergien mit unserer Konzernmutter Azkoyen nutzen, die zum Beispiel in UK und Lateinamerika sehr stark aufgestellt sind.
Herr Kupka, die Security in Essen steht vor der Tür – für Primion nach wie vor eine wichtige Plattform?
Andreas Kupka: Vor 20 Jahren war die Welt aus Sicht der Messebetreiber noch in Ordnung. Die Eisenwarenmesse in Köln war die Leitmesse für mechanische Sicherheitstechnik, die Cebit war im Bereich der Zutrittskontrolllösungen ebenfalls ein Must-have und die Ifsec in Birmingham war eine Pflichtveranstaltung. Hersteller haben alle zwei Jahre zur Security in Essen deren Highlights vorgestellt. Heute wartet wohl kaum noch ein Hersteller darauf, seine Neuheiten erstmals zur Security der Weltöffentlichkeit vorzustellen – zumal sich die interessierten Kunden heute durch Webportale, Newsletter, Events und Co. zielgerichtet informieren und die Wege und Kosten einer Messe zunehmend meiden. Auf Grund dieser Entwicklung sind die Messebudgets überall auf dem Prüfstand. Die Eisenwarenmesse gibt es nicht mehr, die Ifsec ist nur noch ein Schatten ihrer selbst und auch die Security in Essen wird es zunehmend schwerer haben, dem veränderten Informationsverhalten Paroli zu bieten. Bisher galt immer das Argument „wenn Du nicht mehr auf der Messe bist, denkt jeder Du bist vom Markt verschwunden“. Ich stelle mir die Frage: „Sollte man nicht zu den Ersten gehören, die ihr Geld sinnvoller ausgeben?“.
Security Essen: Halle 3, Stand 3A14