27.05.2014 • TopstoryHeiner JerofskyInterviewKunst

Interview mit Michael John: Sicherheit in Museen für Kultur- und Kunstschätze

Warum die Sixtinische Madonna in sicheren Händen ist Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gehören mit ihren 14 Museen zu den reichsten und vielfältigsten Sammlungen Europa...

Warum die Sixtinische Madonna in sicheren Händen ist Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gehören mit ihren 14 Museen zu den reichsten und vielfältigsten Sammlungen Europas, ihre Bestände repräsentieren Jahrtausende der Menschheitsgeschichte und Kulturen aller Kontinente. Von den Kunst- und Rüstkammern des 16. Jahrhunderts über die Sammlungen unter August dem Starken und seinem Sohn August III. im 18. Jahrhundert, die Herausbildung modernen Museums im 19. und 20. Jahrhundert bis zum beschleunigten Ausbau nach 1990 im wiederauferstehenden Zentrum der Landeshauptstadt mit ihren Baudenkmälern, zu denen neben dem Zwinger, der Sempergalerie, dem Albertinum, dem Japanischen Palais auch das Residenzschloss gehört.

Seit 2010 gehören auch die Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen mit zusätzlichen Standorten in Leipzig, Dresden und Herrnhut dazu. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky spricht mit Dipl.-Ing. Michael John, dem langjährigen Leiter des Technischen Dienstes und damit auch Sicherheitschef der SKD über seine Aufgaben und die Herausforderungen bei der Sicherung unwiederbringlicher Kultur- und Kunstschätze.

GIT SICHERHEIT: Sie sind seit 1992 Leiter des Technischen Dienstes und damit sicherheitsverantwortlicher in einer der weltweit berühmtesten Kunstsammlungen. Können Sie unseren Lesern einen kleinen Einblick in Ihr Tätigkeitsspektrum und die Organisation des Sicherheitsmanagements in der SKD geben?

Michael John: Das Sicherheitsmanagement ist im Sinne des Bewahrens der Kunstschätze eine der Kernaufgaben der täglichen Museumsarbeit. Dabei gilt es sowohl strategische Planungen für Baumaßnahmen und gewünschte Abläufe fortzuschreiben, als auch auf die täglichen Veränderungen und die Mühen des Alltages zu reagieren. Das Sicherheitsmanagement umfasst weitestgehend die Betreuung der mechanischen, personellen und elektronischen Maßnahmen zur Sicherung von Menschen, Kunstwerken und Gebäude.

Seit 1995 sind Sie aktives Mitglied der Arbeitsgruppe für Sicherheit in Museen innerhalb des internationalen Museumsverbandes ICOM (ICMS) und seit 2005 in der Deutschen Gesellschaft für Kulturgutschutz e. V. tätig. Wie muss man sich diese Arbeit vorstellen und welchen Nutzen können Sie daraus generieren?

Michael John: Diese Tätigkeit ist Netzwerkarbeit im klassischen Sinne. Es geht um einen Erfahrungsaustausch auf nationaler und internationaler Ebene. Nicht jede Einrichtung muss „das Fahrrad neu erfinden". Es ist bekanntermaßen sinnvoll und hilfreich, Erfahrungen und gute Lösungen auszutauschen und sich gegenseitig zu bereichern. Die Tätigkeit in der Arbeitsgruppe Sicherheit ICMS innerhalb ICOM besteht in regelmäßigen Tagungen mit ca. 60 bis 80 internationalen Experten der Museumssicherheit, auf denen bei Vorträgen zu den unterschiedlichsten Themen Entwicklungen und Erfahrungen diskutiert werden.

Außerdem werden Workshops für interessierte Fachkollegen angeboten, die in Europa (Irland, Malta), Asien (China) und hoffentlich Afrika (Kenia) zu einer Weiterbildung und einem Erfahrungsaustausch mit den hiesigen Fachkollegen führen. Das innerhalb der Fachgruppe erarbeitete „Emergency Handbook" (kostenfrei per download unter www.icms.icom.museum) ist in Englisch, Französisch, Spanisch und Chinesisch, in Kürze auch in Russisch verfügbar.

Sicherheitsrisiken für Museen und Kunstsammlungen sind vielfältig. Sie haben in Dresden schlimme Erfahrungen mit dem Hochwasser der Elbe machen müssen. Für die mutige Rettung der Kunstschätze bei der Flutkatastrophe 2002 wurden Sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Im Jahr 2013 kam es erneut zu einem gewaltigen Elbehochwasser. Waren Sie besser vorbereitet und sind die Museen heute sicherer?

Michael John: Das Thema Hochwasser in Dresden ist ein gutes Beispiel für den Erfolg von Maßnahmen zur vorbeugenden Gefahrenabwehr, hier zum vorbeugenden Hochwasserschutz. Die Innenstadt von Dresden blieb beim Elbehochwasser im Juni 2013 komplett trocken. Die Schutzkonzepte des Freistaates Sachsen, der Landeshauptstadt Dresden und der Kultureinrichtungen gegen Oberflächenwasser, rückstauendes Kanalwasser und aufsteigendes Grundwasser erwiesen sich als belastbar und erfolgreich. Alle Museen der SKD (mit Ausnahme des zum Teil im Wasserpalais von Schloß Pillnitz untergebrachten Kunstgewerbemuseums) konnten ohne Unterbrechung für die Besucher geöffnet bleiben und vermieden dadurch neuerliche Spätfolgen des Hochwassers durch ausbleibende Touristenströme in der Region.

Die Museumssicherheit für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist eine besondere Herausforderung - wegen der unschätzbaren Werte und weil es sich meist um historische Bausubstanz in denkmalgeschützten Gebäuden handelt. Wie schwierig und aufwändig sind die vorgeschriebenen Brandschutzmaßnahmen und die Schaffung von Flucht- und Rettungswegen?

Michael John: Der Brandschutz ist die wichtigste Aufgabe der Museumssicherheit. Denn bei Feuer oder Rauch werden nicht nur Teile der Sammlungen oder Gebäude gefährdet, sondern es kann um Alles gehen: die gesamte Sammlung, das gesamte Gebäude. Deshalb sind die baulichen, organisatorischen und elektronischen Maßnahmen zum vorbeugenden Brandschutz ebenso wie die Feuerlösch- und Entrauchungskonzepte essentiell für die Museumsarbeit. Das Vorhalten der Flucht- und Rettungswege für Personen ergibt sich aus dem Baurecht. Das Abstimmen der Konzepte des Personenschutzes mit den Konzepten des Kulturgutschutzes gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Museumssicherheit.

Wie muss man sich im Hinblick auf andere Risiken, wie beispielsweise Diebstahl, Raub und Vandalismus Ihr Sicherheitskonzept für die einmaligen Kunst- und Kulturgüter in Ihrer Obhut vorstellen, die täglich von Zehntausenden Besuchern besichtigt werden oder in Depots lagern?

Michael John: Die Frage kann mit dem Begriff „präventive Konservierung" am besten beschrieben werden. Präventive Konservierung beschreibt die tägliche Gefahrenabwehr und den Erhalt der Kunstwerke und ist ein Werk sehr vieler Beteiligter. Da sind neben dem Techniker auch der Restaurator, der Naturwissenschaftler, der Denkmalpfleger gefragt. Erfreulicherweise ist in Deutschland durch die Arbeit der vor Jahren vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien initiierten und geförderten Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen das Projekt SiLK, ein Sicherheitsleitfaden für den Schutz von Kulturgut, kostenfrei verfügbar, der für die Arbeit auch von Nichtfachleuten eine sehr gute Basis bietet.

Natürlich sind die Schutzkonzepte von nur für einen eng begrenzten Kreis von Mitarbeitern zugängigen Depots anders als die Konzepte in besucherstarken Museen. Denken Sie nur an die erforderliche Frischluft für besucherstarke Ausstellungen und die Lastabfuhr der von Besuchern ausgehenden Wärme und Feuchtigkeit. Das Thema Raub/Diebstahl bedarf prinzipiell einer Bewertung im Einzelfall und eines auf die spezielle Situation zugeschnittenen Konzeptes.

Wie wichtig ist Ihnen der mechanische Schutz der Ausstellungstücke durch Verschlüsse, einschlaghemmende Vitrinen, Befestigungen oder Abdeckungen und gibt es durch solche Sicherungsmaßnahmen Einwände der Museumsleitung oder von Besuchern?

Michael John: Natürlich sind die Maßnahmen zum mechanischen Schutz von Gebäuden, aber auch Vitrinen unabdingbar, denn in Kopplung mit der Früherkennung von Angriffen durch die Gefahrenmeldeanlage kann sich die zur Verfügung stehende Interventionszeit von hilfeleistenden Stellen deutlich erhöhen. Der Täter braucht also mehr Zeit und mehr Energie, um bestimmte Bauteile zu überwinden. Diese baulich-mechanischen Maßnahmen können heutzutage auch architektonisch, optisch und selbst denkmalpflegerisch sehr ansprechend und akzeptabel gelöst werden. Denken Sie nur an die neuen, sehr großen Fenster und Türen im Dresdner Zwinger oder die hochwertigen Vitrinen im Neuen Grünen Gewölbe, die trotzdem sehr leicht und transparent wirken.

Welche Bedeutung haben Überfall- und Einbruchmeldeanlagen in Ihren Häusern und betreiben Sie eine eigene Notruf- und Serviceleitstelle oder/und sind wichtige Objekte durch Polizei-Notruf-Anlagen gesichert?

Michael John: Diese Frage geht schon sehr in das Detail unserer Sicherheitskonzepte. Nur so viel: Natürlich betreiben wir Überfall- und Einbruchsmeldeanlagen, die mit hilfeleistenden Stellen verknüpft sind. Gute Basis für diese Konzepte ist die Zusammenarbeit mit speziellen Fachplanern, den Landeskriminalämtern oder den Sachversicherern. Grundlegende Empfehlungen sind zum Teil kostenfrei bei den Einrichtungen per Download zu beziehen.

Es strömen jährlich über 2,5 Millionen Besucher durch Ihre Ausstellungen, vorbei an Meisterwerken wie der Sixtinische Madonna oder den Pretiosen im Grünen Gewölbe. Zusätzlich werden etwa Konzerte, Eröffnungsveranstaltungen und Symposien angeboten.

Das verlangt auch hohen Personaleinsatz. Welche Erfahrungen haben Sie mit hohem Publikumsandrang und wie planen Sie sichere Veranstaltungen?

Michael John: Für die maximale Besucheranzahl gibt es die drei Entscheidungskriterien: Sicherheit für Personen (Fluchtwegbreiten), Sicherheit für das Kunstgut (Anzahl des Aufsichtspersonals und Größe der Reviere) sowie ausreichende Frischluftzufuhr (Mindestaußenluftrate). Es gibt also spezielle maximale Besucherzahlen. Wir arbeiten in dem besonderen Fall des Historischen Grünen Gewölbes mit Zeit-Tickets, die im Vorverkauf oder partiell auch an den Tageskassen für bestimmte Zeitfenster erworben werden können. In den übrigen Museen ist dies bisher nicht erforderlich. Ausnahmsweise kann es hier mal zu Schlangen vor den Eingängen der Museen kommen, wenn der Andrang größer als die Kapazität der Räume ist. Dafür haben die Besucherinnen und Besucher Verständnis.

Veranstaltungen sind ein sehr spezielles Thema, denn bei diesen handelt es sich oft um eine nicht der eigentlichen Bestimmung gemäße Nutzung von Räumen. Um die gewünschten Veranstaltungen trotzdem sicher für Menschen und das Kunstgut innerhalb des rechtlichen Rahmens durchführen zu können, sind spezielle Konzepte und teilweise Sondergenehmigungen erforderlich. Und dem Veranstalter muss ebenso wie den Gästen klar sein, dass diese Sondernutzungen nur mit hohem Verantwortungsbewusstsein, Fingerspitzengefühl und besonderer Sorgfalt und Umsicht ermöglicht werden können.

Wie wichtig ist Ihnen der Einsatz von Videotechnik in Ihren weltberühmten Museen? Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Technik bisher gemacht und wie schnell kann das Personal vor Ort auf Störungen reagieren?

Michael John: Der Einsatz von Videotechnik kann die Arbeit des Aufsichtspersonals und den Betrieb von Gefahrenmeldeanlagen sehr gut flankieren. Selbst die digitale Auswertung von Videobildern mit Videosensorik hat sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Aber auch hier bedarf es spezieller Konzepte. Handelt es sich um aktives oder passives Videomanagement? Wer schaut wann auf die Monitore? Welche Handlungen leiten sich aus Erkenntnissen aus den Bildern ab? Die genauen Interventionszeiten sind zugeschnitten auf einzelne Situationen und Räume und Bestandteil des Sicherheitskonzeptes.

Einige Ausstellungsgebäude müssen auch regelmäßigen Renovierungen und Umbaumaßnahmen unterzogen werden. Wie und mit welchem Aufwand können Sie in diesen Phasen die Sicherheit von Besuchern und den Schutz der Exponate gewährleisten?

Michael John: Ja, das ist ein sehr wichtiges Thema in der Museumsarbeit. Einerseits bedeutet Bauen oft eine deutliche Verbesserung von Rahmenbedingungen für das Kunstgut und/ oder der Besucher. Die Museen erfreuen sich einer hohen politischen und sozialen Akzeptanz, bedürfen aber einer turnusmäßigen Pflege und mitunter auch Sanierungen. Dann würde die notwendige Baumaßnahme aber auch zu einer möglichen Gefährdung von Kunstgut, hätten wir nicht gute und speziell auf die jeweilige Baumaßnahme zugeschnittene Konzepte. Wir arbeiten hier eng mit den hervorragenden Kolleginnen und Kollegen des Staatsbetriebs Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) zusammen. Dabei gilt als oberster Grundsatz, dass Kunstwerke und Bauabschnitte strikt voneinander getrennt werden. Denn es gibt während der Bauphase Bedrohungen durch Feuer und Heißarbeiten (Schweißen, Löten, Trennschleifen), Erschütterungen, Staub, Wasserprozesse („Wasser über Kunstgut"). Es gibt eine enge Abstimmung aller an der Baumaßnahme beteiligten Stellen und Personen, so dass Kunstwerke nicht gefährdet und die Besucherinnen und Besucher so wenig wie möglich mitbekommen.

In Ihren Museen gibt es eine strenge Besucherordnung. Welche Erfahrung haben Sie mit der Disziplin der Besucher und Einhaltung dieser nötigen Regeln zum Schutz der Sammlungen gemacht?

Michael John: Erfreulicherweise haben wir relativ wenig Probleme bei der Durchsetzung der Besucherordnung. Unsere Gäste empfinden sofort die hohe Qualität der Räume, der Kunstwerke und lassen sich auf diese besondere Stimmung ein. Natürlich gibt es immer wieder Themen wie Fotoverbote oder die unerwünschte Benutzung von Mobiltelefonen. Aber die Sicherheitsstandards werden akzeptiert und respektiert. Erfreulicherweise haben ja Kinder und Jugendliche freien Eintritt in die Museen. Wenn jedoch Schulklassen oder andere Gruppen unsere Museen besuchen, haben die Aufsichten in den Revieren schon ein besonderes Auge auf das angemessene Verhalten unserer jüngsten Besucher, um eine unbeabsichtigte Gefährdungen von Exponaten zu vermeiden.

In welche Museen gehen Sie in Ihrer Freizeit und wie kritisch sind Sie mit den Sicherheitsmaßnahmen in anderen Museen?

Michael John: Oh, das ist eine persönliche Frage. Ich genieße sehr die Malerei von der Renaissance bis zur Gegenwart und bin gern in unserer Skulpturensammlung. Aber auch die sehr guten Dauer- und Sonderausstellungen der Völkerkundemuseen empfinde ich als lehrreich und oft spannend. Meine heimliche Leidenschaft gehört aber ... dem Theater.

Vielen Dank für die Einblicke in Ihre schöne und sehr verantwortungsvolle Arbeit.

 

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