Kriminalität bekämpfen und verhindern: Interview mit Polizeipräsident Gosbert Dölger

Das Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt ist eines von sieben ­Flächenpräsidien im Bundesland ­Hessen und zuständig für die ­Sicherheit von ca. 1,06 Millionen ­Einwohnern auf ei...

Polizeipräsident ­Gosbert Dölger leitet die südhessische Polizeibehörde
Polizeipräsident ­Gosbert Dölger leitet die südhessische Polizeibehörde

Das Polizeipräsidium Südhessen in Darmstadt ist eines von sieben ­Flächenpräsidien im Bundesland ­Hessen und zuständig für die ­Sicherheit von ca. 1,06 Millionen ­Einwohnern auf einer Fläche von 2.577,29 km2. Polizeipräsident ­Gosbert Dölger leitet die südhessische Polizeibehörde seit 10 Jahren und war in der Zeit von November 2010 bis September 2013, neben ­seiner Funktion als Polizeipräsident, auch mit der kommissarischen ­Leitung des Hessischen Landeskriminalamtes beauftragt.Er gehört damit zu den erfahrensten Polizeifachleuten in Hessen. Unser wissen­schaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky fragt Polizeipräsident ­Dölger zur Kriminalitätsentwicklung, den Schwerpunkten seiner Arbeit und zur Bedeutung der Prävention.

GIT-SICHERHEIT.de: Die Region Südhessen ist ein wichtiger pulsierender Wirtschaftsraum mit großen Industriebetrieben (z. B. Merck, Opel und das Umfeld des Rhein-Main-Flughafens), internationalen Organisationen (ESA, Eumetsat) und vielen Forschungs- und Bildungseinrichtungen. Sie schaffen es seit 2004, trotz zunehmender Kriminalitätsbelastung, die Aufklärungsquote von ca. 50 % kontinuierlich auf über 60 % zu verbessern. Wie lautet Ihr Rezept für diesen Erfolg?

Gosbert Dölger: Nach dem Motto: „Der Erfolg hat viele Väter", kann das Polizeipräsidium Südhessen auf eine zeitgemäße, sehr gut abgestimmte Organisationsstruktur verweisen. Eine Verzahnung von analytischer Betrachtung und Bewertung des täglichen Kriminalitätsgeschehens mit operativ taktischen Maßnahmen und strategischer Vorgehensweise in der Kriminalitätsbekämpfung trägt dazu bei, den Kriminalitätsphänomenen oft erfolgreich entgegenzuwirken. Dazu kommen professionelle, sehr motivierte und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine umfassende Präventionsarbeit und starke polizeiliche Präsenz.

Wie viele Straftaten werden durchschnittlich jährlich angezeigt und gibt es einzelne Straftaten, die besonders zu- oder abgenommen haben? Wie haben sich Kriminalitätsgeschehen und Täterverhalten während Ihrer Amtszeit verändert?

Gosbert Dölger: In den letzten 10 Jahren ist es uns gelungen, das Straftatenaufkommen in unserem Dienstbereich von 64.376 um ca. 30 % zu senken. Hierbei konnten insbesondere Delikte wie der schwere Diebstahl und PKW-Aufbrüche erheblich reduziert werden. Die Täter sind in den letzten Jahren mobiler geworden, agieren oftmals in Banden und haben ihr Hauptaugenmerk auf den Diebstahl von Navigationsgeräten gerichtet.

Für den Bürger und deren Lebensqualität ist besonders die sogenannte Kriminalitätsbelastungszahl (Zahl der Straftaten bezogen auf 100.000 Einwohner) von Interesse. Wie hoch ist diese Quote in Südhessen und wie liegt sie im Vergleich zum hessischen Durchschnitt oder zu anderen Regionen?

Gosbert Dölger: Hier nimmt das Polizeipräsidium Südhessen im Landesvergleich die Spitzenposition ein. 2012 lag die Häufigkeitszahl bei 4.412. Die Häufigkeitszahl auf Landesebene lag bei 6.494. Für 2013 ist ein ebenso gutes Ergebnis zu erwarten.

Gibt es besondere polizeiliche Maßnahmen, Konzepte und Strategien bei der Kriminalitätsbekämpfung, die diese Erfolgsstorry erklären?

Gosbert Dölger: Es ist von besonderer Bedeutung, das tägliche Lagebild konsequent zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Ein wesentlicher Bestandteil des Erfolges ist auch der Einsatz operativer Kräfte, die lageorientiert zum Einsatz kommen.

Wie ist das Anzeige- und Hinweisverhalten der Bevölkerung? Hat die Polizei Wünsche an die Bevölkerung? Gibt es noch Zivilcourage, Nachbarschaftshilfe und wie ist das Verständnis für polizeiliche Arbeit?

Gosbert Dölger: Dass der Bevölkerung ein nicht unwesentlicher Anteil an unseren Erfolgen zuzusprechen ist, ist unbestritten. Die Polizei ist auf die Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen und für jeden Hinweis dankbar. So gesehen wird die Bevölkerung gebeten, bei entsprechenden Vorfällen nicht wegzusehen, sondern vielmehr durch zeitnahe Verständigung der Polizei wichtige Ermittlungsansätze zu liefern. Hierbei ist auch stellenweise Zivilcourage gefragt, die aber so eingeschätzt werden sollte, dass keine unmittelbare Eigengefährdung eintritt.

Cyber- und Internetkriminalität, Spam-­Attacken und Phishing sind in aller Munde. Ist die Polizei diesen Herausforderungen, auch als eine neue Form von organisierter ­Kriminalität, gewachsen?

Gosbert Dölger: Hier hat das Polizeipräsidium Südhessen als eines der ersten Polizeibehörden im Land auf diese Herausforderung reagiert und ein eigenes Kommissariat zu Bekämpfung der Internetkriminalität eingerichtet. Aber auch bei anderen Polizeibehörden und gerade im Hessischen Landeskriminalamt hat man auf diese Herausforderung reagiert und hinsichtlich der Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens eine eigene Abteilung errichtet.

Die Sicherheit in Schulen wurde aufgrund der Ereignisse in Winnenden und Ansbach sehr emotional diskutiert. Bei der „Sicherheit an Schulen" geht dabei nicht nur um das Verhindern von Amokläufen, sondern auch um Schutz vor Gewalttaten, Waffenbesitz und den Umgang mit Krisensituationen. Wie geht die Polizei mit diesem Thema um, ist sie vorbereitet und ist sie in Schulen auch beratend tätig?

Gosbert Dölger: Winnenden, Ansbach und Erfurt sorgten sicherlich für ein Umdenken im strategischen und taktischen Vorgehen polizeilicher Maßnahmen. Demzufolge wurden entsprechende Vorbereitungen von Seiten der Polizei getroffen und versetzen uns in die Lage, jederzeit dem Anlass entsprechend zu reagieren. Darüber hinaus gewährleisten Schulbeauftragte den ständigen Kontakt zu schulischen Einrichtungen, was zur Folge hat, dass hier ein reger Informationsaustausch statt findet.

Diebstahl und Einbruch sind für die meisten Menschen eine schlimme Erfahrung. Neben dem rein materiellen Verlust bedeutet ein Einbruch auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls. Was können Sie tun, um die Aufklärungsquote in diesem Bereich zu verbessern und welche Bedeutung hat die Prävention bei diesen Taten?

Gosbert Dölger: Die Prävention nimmt in diesem Bereich eine besondere Stellung ein. Die im Bereich der Prävention eingesetzten Beamtinnen und Beamten sind in zahlreichen Informationsveranstaltungen und Einzelberatungen damit befasst, Bürgerinnen und Bürgern allumfassende Hinweise und Ratschläge zur Eigentumssicherung zu geben.

Einige Polizeibehörden haben Partnerschaften mit Sicherheitsunternehmen vereinbart. Grundlage der Zusammenarbeit ist im Wesentlichen der Austausch von Informationen über die Sicherheitslage, ohne das staatliche Gewaltmonopol anzutasten und den Datenschutz zu verletzen. Könnten Sie sich eine ähnliche Vereinbarung, geknüpft an bestimmte Qualitätskriterien, in Südhessen vorstellen?

Gosbert Dölger: Kooperationen mit Sicherheitsunternehmen können jederzeit genutzt werden und man sollte dieser Möglichkeit auch nicht ablehnend gegenüber stehen.

Die Polizei speichert im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten sehr sensible und persönliche Daten von Bürgern. Was tun Sie bei Ihrer Behörde, um den Datenschutz zu gewährleisten?

Gosbert Dölger: Mit der Einrichtung eines eigenen Datenschutzbeauftragten und der ständigen Kontrolle und Überwachung bestehender Vorschriften, wird Verstößen gegen den Datenschutz vorgebeugt.

Welche Schwerpunkthemen nehmen Sie sich mit Ihrer Behörde für 2014 vor und wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen schwierigen Dienst?

Gosbert Dölger: Im Focus werden wieder die Gewaltkriminalität und der schwere Diebstahl sowie Taschen- und Trickdiebstahl und der Wohnungseinbruchsdiebstahl stehen. Auch die Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung nimmt wieder einen großen Anteil der polizeilichen Arbeit in Anspruch. Um die Motivation meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mache ich mir da weniger Sorgen. Sie sind motiviert und engagiert und haben allemal verstanden, dass wir als Polizei zum Schutz der Bevölkerung und nicht zum Selbstzweck da sind.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke.

 

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