Pilz-Automatisierungssystem für Brief-Logistikzentrum
Bis zu drei Millionen Briefsendungen durchlaufen pro Tag das größte der sechs Brief-Logistikzentren der Österreichischen Post. Rund 800 Mitarbeiter sorgen im Zusammenspiel mit automatisierten Sortieranlagen sowie zeitlich optimal getakteten Abläufen dafür, dass die so genannten Prio-Briefsendungen bereits am folgenden Werktag österreichweit zugestellt werden können. In den vergangenen Jahren wurde die insgesamt rund acht Kilometer lange, voll automatisierte Förderstrecke, die sämtliche Sortierstationen erschließt, mit moderner Steuerungstechnik ausgestattet. Auch die funktionale Sicherheit der Förderanlage wurde auf den neuesten Stand der Technik und Sicherheit gebracht.
Als Generalunternehmer zeichnete sich Pilz Österreich für sämtliche Umbau- und Modernisierungsarbeiten bis hin zur Inbetriebnahme und Sicherheitsvalidierung verantwortlich. Als zentrale Steuerungsinstanz ist heute das Automatisierungssystem PSS 4000 von Pilz im Einsatz.
Know-how für Modernisierung im laufenden Betrieb
Eine Maßnahme des mehrjährigen Projekts: Die Förderanlage wurde steuerungstechnisch in vier Bereiche unterteilt, sodass im Fall eines Not-Halts nur der betroffene Teilbereich zum Stillstand kommt und nicht – wie zuvor – die gesamte Anlage. Die besondere Herausforderung war dabei, dass immer nur von Samstagvormittag bis Sonntagnachmittag am Steuerungs-Update gearbeitet werden konnte. Spätestens dann musste die Fördertechnik für die anstehende Woche wieder voll einsatzfähig sein. Genau hier konnte Pilz die Österreichische Post überzeugen – mit einem bereits zuvor erfolgreich umgesetzten und damit schon erprobten Umbaukonzept.
Denn die Anlagenverfügbarkeit hat im Brief-Logistikzentrum Wien-Inzersdorf eine ganz besonders hohe Priorität: gemäß der so genannten „Universaldienstverordnung“ müssen Postsendungen zu den durch sie vorgegebenen Zeiten beim Empfänger sein. Die Konsequenz daraus bringt Simon Kizil, Systemspezialist und Projektleiter im Instandhaltungsteam des Wiener Brief-Logistikzentrums der Österreichischen Post, auf den Punkt: „Unsere Anlagen müssen immer einsatzbereit sein – bis auf eingeplante Zeitfenster für kleinere Revisionsarbeiten durchgehend von Sonntag, 17 Uhr bis Samstag, 5 Uhr.“

Sortieren rund um die Uhr
Seit der Inbetriebnahme des Brief-Logistikzentrums im Jahr 2002 wuchs der Maschinenpark kontinuierlich, unterschiedliche Produkte verschiedener Hersteller sorgen für eine automatisierte Verarbeitung. Die ursprünglichen Sortieranlagen wurden bereits in den vergangenen Jahren durch leistungsfähigere ersetzt – die aktuell verwendeten können jeweils bis zu 46.000 Briefe pro Stunde sortieren.
Sämtliche in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland aufgegebenen Sendungen kommen zwischen 18 und 20 Uhr per LKW in Inzersdorf an. Bis ca. 22 Uhr sind nach der Grobsortierung alle erfasst und dem jeweiligen Logistikzentrum bzw. der zustellenden Postbasis zugeordnet. Es folgt der sogenannte Hauptlauf zwischen den sechs Logistikzentren, bis ca. 2 Uhr morgens treffen alle Sendungen, die Adressen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland zum Ziel haben, in Inzersdorf ein. Es startet die Feinsortierung sowie bei Briefgrößen bis zum C5-Format die Gangfolgesortierung. Letztere bedeutet für die Zusteller, dass sie ihre Fracht bereits entsprechend ihrer Route sortiert erhalten. Gegen 5 Uhr sind dann die Lieferungen für die Zustellbasen fertig bzw. dahin unterwegs. Tagsüber erfolgt die Verarbeitung sämtlicher nicht unter die Universaldienstverordnung fallender Sendungen. „Jeder Transportbehälter wird automatisiert mit einem eindeutigen Label versehen“, ergänzt Simon Kizil.
Die Barcode-Labels weisen zudem der automatisierten Förderanlage beim Transport der einzelnen Behälter durchs Logistikzentrum den korrekten Weg. „Die Sortieranlagen laufen steuerungstechnisch für sich – inklusive Safety – autark und verfügen über Zu- und Abförderstationen. Das sind die Schnittstellen zur Förderanlage, die ansonsten von den Sortieranlagen entkoppelt ist und ebenfalls über eine eigene Sicherheitssteuerung verfügt“, geht Simon Kizil ins Detail. „Bis vor dem Umbau nutzten wir dafür die PSS 3000 von Pilz – eine sehr zuverlässige SPS, die uns nie Probleme machte. Wir kannten also den Hersteller bereits und wussten, dass seine Produkte sehr gut funktionieren und vor allem die Qualität topp ist.“
Bei Not-Halt stand die ganze Halle
Not-Halt-Taster entlang der gesamten Förderstrecke und insbesondere bei den Übergabestationen stellen sicher, dass im Problemfall das Bedienpersonal rasch die Anlage stoppen und eingreifen kann. „Es kommt schon mal vor, dass ein Behälter hängen bleibt oder sich unglücklich verkantet“, weiß Simon Kizil. Das frühere Sicherheitskonzept funktionierte also prinzipiell tadellos, allerdings hatte es einen Haken: Nach Betätigung eines Not-Halt-Tasters stand die komplette Anlage – obwohl das Problem nur einen Teil der Förderstrecke betraf. „Wir suchten daher schon längere Zeit nach einer praktikableren und trotzdem normenkonformen Lösung, die wir dann gemeinsam mit den Experten vom TÜV Österreich auch fanden. Die Förderanlage ist nun in vier Bereiche unterteilt – im Wesentlichen orientieren sich diese an den Sendungsformaten C5, B4 und Päckchen bis 2 kg. Die Teilung sorgt dafür, dass im Fall des Falles nur der jeweils betroffene Bereich gestoppt wird, die anderen fahren ungestört weiter“, erklärt Simon Kizil das adaptierte Sicherheitskonzept.
Zur Umsetzung kam es dann im Zuge des Austauschs der Safety-SPS PSS 3000 durch die Nachfolgegeneration, das Automatisierungssystem PSS 4000 von Pilz. „Es machte also Sinn, die anstehende Modernisierung der Steuerung – wir agieren bei der Instandhaltung grundsätzlich präventiv und haben stets die Lebensdauer aller Komponenten im Blick – mit den fürs neue Sicherheitskonzept notwendigen Umbauarbeiten der Anlage zu kombinieren.“

Partnerschaftliches Miteinander
2019 fiel der Startschuss für das Modernisierungsprojekt. Die Pilz-Experten führten das komplette Engineering, die Programmierung der insgesamt vier neuen SPS-Steuerungen PSSuniversal PLC sowie der Schnittstellen zu den Steuerungen der Sortieranlagen, die Systemintegration ins zentrale Visualisierungssystem, die CAE (Computer Aided Engineering)-Dokumentation, die Inbetriebnahme und die abschließende Sicherheitsvalidierung durch. „Das Safety-Konzept inklusive der Abschaltmatrix für sämtliche Sicherheitseinrichtungen war vom TÜV bereits erstellt worden und diente unseren Programmierspezialisten als Vorlage“, beschreibt Christof Weninger, Regional-Sales-Manager bei Pilz Österreich, die Ausgangssituation. „Die exakte Einhaltung der Abschaltmatrix wurde beim abschließenden Safety-Check geprüft.“ Die gesamte Förderstrecke erhielt eine Ethernet-Verkabelung, die Kommunikation erfolgt nun via SafetyNET p anstatt wie zuvor über Safetybus p, die Schnittstelle zu den Sortieranlagen, die größtenteils Profibus nutzen, war mit dem Automatisierungssystem PSS 4000 einfach realisierbar.
Generalunternehmer mit umfassender Safety-Expertise
Aufgrund des Umfangs der Umbauarbeiten und weil es notwendig war, den laufenden Betrieb sicherzustellen, wurde das Projekt in drei Phasen umgesetzt. Bis 2021 kam jedes Jahr ein Bereich hinzu. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, Schritt für Schritt vorzugehen, um kein Risiko hinsichtlich der Anlagenverfügbarkeit einzugehen“, betont Simon Kizil.
Diese angestrebte Risikominimierung war letztendlich auch der ausschlaggebende Grund, warum Pilz den Zuschlag als Generalunternehmer erhielt. Denn die modernisierungserfahrenen Experten konnten ein bereits zuvor bewährtes Umbaukonzept vorlegen, das bei einem ähnlichen Projekt umgesetzt worden war. „Vereinfacht gesagt, ermöglicht es unser Konzept, in jeder Phase der Umbauarbeiten so lange auf das alte System zurückgreifen zu können, bis das neu installierte einwandfrei funktioniert“, verrät Christof Weninger in groben Zügen den Clou. „Was im ersten Moment banal klingt, bedeutet in der Realität einen enormen Vorteil. Denn bei in Summe rund 500 Safety-Teilnehmern und dementsprechend vielen einzelnen I/Os tauchen trotz genauer Planung vor Ort bei der Umsetzung da und dort kleinere und größere Herausforderungen auf, die es zu lösen gilt. Und wir hatten ja immer nur am Wochenende ein Zeitfenster von rund einem Tag, um an der Anlage zu arbeiten und die Neuinstallationen zu testen.“
Simon Kizil spart nicht mit Lob für die gesamte Projektabwicklung: „Die Koordination und die exakte Vorbereitung sämtlicher Arbeitsschritte, die offene Kommunikation sowie die Abstimmung mit dem Projektpartner und mit uns von der Instandhaltung – das alles hat Pilz einfach sehr gut gemacht. Es war insgesamt ein tolles Teamwork, das letztendlich zum Erfolg führte.“ Und auch über die neu eingesetzte Pilz-Technik lässt sich der Systemspezialist seine Erfahrungen entlocken: „Die PSSuniversal PLC funktionieren bis dato genauso reibungslos wie früher die PSS 3000. Die Steuerung läuft absolut stabil und zuverlässig“, resümiert Simon Kizil.


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