Urbane Sicherheitskonzepte: Rostock setzt auf Sicherheitspoller
Die Terroranschläge in Europa, in Deutschland vor allem aber auf den Berliner Breitscheidplatz, werfen noch immer ihre Schatten über die Kommunen das zeigte sich zuletzt wieder ...
Die Terroranschläge in Europa, in Deutschland vor allem aber auf den Berliner Breitscheidplatz, werfen noch immer ihre Schatten über
die Kommunen – das zeigte sich zuletzt wieder Ende 2018 bei den Weihnachtsmärkten in den Städten. Die Sicherheitslage bleibt angespannt und die Sicherheitsbehörden stehen unter Druck. Gesucht wird nach bürgerfreundlichen und zugleich effektiven Sicherheitskonzepten.
An den kleineren Zutrittspunkten zu seinem berühmten Christkindlesmarkt hat Nürnberg transportable Weihnachtsbäume aufgestellt. Auf dem Dresdener Striezelmarkt gab es eine mobile Polizeistation auf dem Markt. In Berlin setzte man, zwei Jahre nach dem Terroranschlag mit einem Lkw, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen, auf eine fast nahtlose Abriegelung des Breitscheidplatzes mit mobilen Fahrzeugsperren. Das Gelände wurde zu einer regelrechten Festung ausgebaut – mit über hundert riesigen, eng platzierten Gitterkörben, die mit Sand gefüllte Kunststofftaschen enthielten. Noch bestehende Öffnungen werden zusätzlich mit Pollern versperrt. Eine insgesamt erhöhte Sicherheitslage, ein stärkeres Polizeiaufgebot sowie vermehrter Wachschutz sollte das Konzept abrunden. Das etwa 2,5 Millionen teure Sicherheitskonzept, dass vorrangig Fahrzeuge aufhalten soll, ist einzigartig in Deutschland.
Evakuierung der Glühweinfestung
Doch wie steht es um die Gewährleistung einer raschen Entfluchtung bei einer Evakuierung – zum Beispiel aufgrund eines Angriffs im Inneren der mobilen „Glühweinfestung“, wie der Berliner Kurier titelte. Besonders große mobile Sperren beeinträchtigen durch ihre Ausprägung Fluchtwege, aber auch die Einsicht in das zu schützende Areal. Unmittelbar betroffene Personen erkennen Angriffe erst, wenn sie erfolgen, also eine Flucht quasi schon zu spät ist. So reicht es für Täter unter Umständen schon aus, eine Massenpanik auszulösen. Und auch im Bereich des Anprallschutzes mobiler Sperren ist vieles unklar.
Der Markt der mobilen Sperren ist jung, das Schutzniveau vieler Produkte nicht bestätigt. Neben nach international gültigen Standards, wie PAS 68, ASTM F2656 oder IWA 14-1 zertifizierten und bewährten Hochsicherheitsprodukten mit Anprallwiderstand, stehen auch nicht zertifizierte und sogar gänzlich ungetestete Lösungen im Angebot. Häufig fehlen dokumentierte Informationen zu erzielten Eindringtiefen nach einem Anprall.
Innerhalb der Zertifizierung wird der Fokus häufig auf IWA 14-2, also die „Anwendungsrichtlinie“, statt auf IWA 14-1, die „Zulassungsrichtline“ gelegt. Letztere umfasst Angaben zur Leistungsanforderung, zur Fahrzeuganprallprüfung sowie der Leistungsbewertung, die letztendlich Aufschluss über das reelle Schutzniveau einer Sperre liefern. Obendrein gelten Crashtest- Zertifizierungen stets ausschließlich für die getestete Konfiguration eines Systems. Jede Veränderung, zum Beispiel in der Anzahl oder der Anordnung der Komponenten, hat im Grunde ein Erlöschen der Zertifizierung zur Folge.
„Fort Glühwein“ wirkt einstweilen massiv. Mancher fragt sich, ob es nicht eine Nummer kleiner ginge. Das feuert auch die Diskussion um die optische Ausprägung von innerstädtischen Sicherheitskonzepten weiter an. Diese sollten bürgerfreundlich gestaltet sein und kein Gefühl ständig präsenter Bedrohung fördern.
Poller in Rostock
Die Stadt Rostock ist einen anderen Weg gegangen. Die Innenstadt, in der sich zentral auch der Weihnachtsmarkt befindet, wird sukzessive mit 180 Pollern abgeriegelt. Allein der Weihnachtsmarkt wird durch über 50 fixe und herausnehmbare Sicherheitspoller mit dem Namen „Truckstopper“ zum geschützten Raum. Diese fest installierten Sperren sind gemäß britischem Standard PAS 68 unter realen Bedingungen crash-getestet und zertifiziert.
Die sehr kosteneffizienten Truckstopper seien ansprechender als Betonklötze, so der Rostocker Ordnungs- und Sicherheitssenator Chris Müller-von Wrycz Rekowski von der SPD. Die innovativen Poller sind speziell für die Absicherung innerstädtischer Bereiche konzipiert und können, je nach Anforderung, sogar mit Fahrradständern ausgestattet oder in ansprechenden Blumenkästen versteckt werden. Zudem bieten sie einige Vorteile gegenüber anderen Lösungen. Diese fest installierten Terrorabwehrsperren mit ihren flachen Fundamenten warten mit geringeren, bestätigten Fahrzeugeindringtiefen auf.
Anpralllasten werden im Moment des Anpralls in den Boden bzw. das Fundament abgeleitet. Durch die fixe Montage bieten sie zudem eine geringere Manipulierbarkeit, ein langsames Wegschieben ist beispielsweise unmöglich. In stark frequentierten, innerstädtischen Bereichen eignen sich Sicherheitspoller besonders, hindern sie doch Fahrzeuge an der Durchfahrt. Gleichzeitig ermöglichen sie das ungehinderte Passieren von Personen, Rad- und Rollstuhlfahrern. Auch Fluchtwege werden nicht versperrt.
Verfügbar als aktive oder passive Systeme bieten Poller eine hohe Flexibilität. Fixe, also passive Systeme eignen sich überall dort, wo Bereiche permanent für Fahrzeugverkehr gesperrt werden sollen. Herausnehmbare Poller mit abnehmbaren Sperrteil können bei erhöhter Terrorwarnstufe und publikumsträchtigen Veranstaltungen montiert und bei Alltagsbetrieb mit normalem Personenaufkommen demontiert und eingelagert werden. Bewegliche Poller sind im abgesenkten Zustand nicht präsent und bequem überfahrbar, ohne den Verkehr zu behindern. So ermöglichen sie auch Einsatzkräften eine reibungslose Zufahrt. Im Notfall fahren sie binnen Sekunden aus dem Boden hoch und sperren so Bereiche schnell, effektiv und sicher.
In Rostock können die Poller zentral durch die Stadt und zukünftig auch durch die Leitstelle des Brandschutz- und Rettungsamtes gesteuert werden. Die Stadt setzt dieses Konzept konsequent um und wird in Kürze unter anderem auch die Seepromenade in Warnemünde mit Pollern absichern.
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