Brandschutzkonzepte für grüne Lösungen
Ein umwelt- und ressourcenschonender Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien: Das ist es, was hinter dem Gedanken der „Green IT" steckt. Gemeint ist hierbei der ...
Ein umwelt- und ressourcenschonender Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien: Das ist es, was hinter dem Gedanken der „Green IT" steckt. Gemeint ist hierbei der gesamte Lebenszyklus - von der Herstellung über den Betrieb bis hin zur Entsorgung. Ein Konzept mit ganz individuellen Anforderungen, bei dem Betriebssicherheit und Wirtschaftlichkeit unabdingbar gegeben sein müssen - auch im Hinblick auf den Brandschutz.
Die Informationstechnik prägt mittlerweile fast alle Aspekte des täglichen Lebens. Deren rasante Entwicklung bedeutet aber auch einen stetig wachsenden Energiebedarf. Dem gegenüber steht der Gedanke der Green-IT: eine möglichst umweltfreundliche und ressourcenschonende Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie über den gesamten Lebenszyklus hinweg.
Das Rechenzentrum als Stromfresser
Die größten Stromfresser in der IT-Branche und damit hauptverantwortlich für CO2-Emissionen sind Rechenzentren mit deren Servern. Leistungsstark und hochverfügbar müssen sie sein - wie zum Beispiel nach der Verfügbarkeitsklasse 4 des Bundesamts für Sicherheit, die lediglich eine Ausfallzeit von rund fünf Minuten pro Jahr erlaubt. Doch die leistungsstarken Rechner und die hohe Verfügbarkeit haben auch ihren Preis. Um die geringen Ausfallzeiten sicherstellen zu können, ist eine redundante Ausführung der Versorgungstechnik unabdingbar. Das kostet jedoch nicht nur in der Anschaffung, sondern verbraucht selbst im Standby-Betrieb Energie. Kosteneffizienz und ein schonender Umgang mit Ressourcen sind hier nur schwer möglich. Der Ansatz für einen grüneren Betrieb von Rechenzentren liegt demnach woanders.
Effiziente Klimatechnik für grüneren Betrieb
Die Klimatisierung bietet einen hervorragenden Ansatzpunkt, ein Rechenzentrum deutlich effizienter und grüner zu betreiben. Gerade der Einsatz der sogenannten indirekten Freien Kühlung amortisiert sich betriebswirtschaftlich meist in erstaunlich kurzer Zeit. Anstatt die warme Luft innerhalb des Rechenzentrums aufwendig herunterzukühlen, bedient man sich der in der Regel deutlich kühleren Außenluft. In Nord- und Mitteleuropa funktioniert dies - mit Ausnahme weniger Tage im Hochsommer - das gesamte Jahr hindurch.
Indirekte Freie Kühlung
Ein Beispiel für eine indirekte Freie Kühlung ist das Prinzip KyotoCooling. Bei dieser Lösung, die speziell für Rechenzentren entwickelt wurde, kommen große Wärmetauschräder aus Aluminium zum Einsatz. Die kalte Außenluft wird über die Aluminiumlamellen der Räder geführt und diese somit gekühlt. Im Inneren des Rechenzentrums wird die warme Innenluft angesaugt und ebenfalls über die Lamellen geleitet. Der Effekt: Das Aluminium gibt die Kälte an die Rechenzentrumsluft ab, nimmt die Wärme aus dem Inneren auf und gibt sie in der Folge durch die Rotation wieder an die Außenluft ab.
Herausforderung für den Brandschutz
Im Rechenzentrum werden in der Regel Gaslöschanlagen mit dem natürlichen Löschgas Stickstoff verbaut. Stickstoff bietet zahlreiche Vorteile wie z. B. eine schonende, rückstandsfreie Löschung ohne Beeinträchtigungen für die IT-Hardware. Schäden wie sie beispielsweise beim Einsatz wassergeführter Systeme auftreten, bleiben beim Löschen mit dem Inertgas aus. Im Fall einer Branddetektion wird durch die Löschgaszufuhr der Sauerstoff in den zu schützenden Bereichen verdrängt und der Brand erstickt.
Im Hinblick auf den Brandschutz sind Methoden zur Freien Kühlung wie das Kyoto-Cooling eine besondere Herausforderung. Denn beim Einsatz einer Löschanlage ist im Brandfall entscheidend, dass eine löschfähige Gaskonzentration aufgebaut und auch über einen ausreichenden Zeitraum hinweg aufrechterhalten werden kann. Um eine erneute Entzündung zu vermeiden, fordert das unabhängige Prüfinstitut VdS Schadenverhütung in EDV-Bereichen eine Haltezeit von zehn Minuten. Die dafür notwendige Raumdichtigkeit ist jedoch beim Einsatz einer Freien Kühlung durch die Abströmverluste am Wärmetauscher nicht gegeben.
Im neuen Rechenzentrum von noris network in Nürnberg wurde erstmalig die neuartige indirekte Freie Kühlung mit dem System KyotoCooling in einem deutschen Rechenzentrum eingesetzt. Nach einer umfassenden Risikoanalyse und der Definition des entsprechenden Schutzziels wurde ein individuelles Brandschutzkonzept entwickelt.
Hochverfügbarkeit und Kosteneffizienz
Die 1993 gegründete Firma noris network zählt zu den deutschen Pionieren auf dem Gebiet moderner IT-Dienstleistungen. Zum Angebot gehören maßgeschneiderte Informations- und Kommunikationstechnik-Lösungen (IKT) in den Bereichen IT-Outsourcing, Cloud Services sowie Network & Security. Mit dem NBG6, einem neu errichteten Rechenzentrum am Unternehmensstandort Nürnberg, hat das Unternehmen eines der modernsten IT-Zentren Europas aufgebaut.
Die rund zweijährige Konzeptionsphase bestand hauptsächlich darin, die jeweils beste Technik - angefangen von den Servern, der unterbrechungsfreien Stromversorgung, der Klimatisierung bis hin zur Sicherheits- und Brandschutztechnik - zu finden. Entscheidend waren eine maximale Verfügbarkeit von Rechenleistung und Daten sowie eine hohe Energieeffizienz. Modernste Sicherheitssysteme, redundant betrieben, sollten für einen umfassenden physikalischen Schutz sorgen.
Neue Wege bei der Kühlung
Im Hinblick auf möglichst geringe Betriebskosten entschied sich noris network für eine indirekte Freie Kühlung mittels modular aufbaubarer KyotoCooling-Technik. Die riesigen Rotationswärmetauscher aus Aluminium mit einem Durchmesser von sechs Metern nehmen die Wärmeenergie der IT-Raumluft auf und geben sie an die Außenluft ab. Dabei nutzt KyotoCooling aus, dass zu 95 Prozent des Jahres die Außenlufttemperatur geringer ist, als die Raumluft im IT-Zentrum. Als Kosten fallen nur die Antriebsenergie des Wärmetauscherrads und der Ventilatoren an. Als Ersatzsystem und für die wenigen Stunden im Jahr, in denen die Außenluft zu warm zur Kühlung ist, lassen sich Luft-Wasser-Wärmetauscher zuschalten.
Brandrisiken und Folgen
Die Abwärme der IT-Racks, die hohe Energiedichte der elektrischen Anlagen und damit verbundene technische Defekte stellen, ebenso wie von außen mit der Frischluft zugeführte Partikel durch das freie Kühlsystem, in der Regel das größte Brandrisiko dar. Von umso größerer Bedeutung ist daher eine frühestmögliche und täuschungsalarmsichere Branddetektion. Im Rechenzentrum von noris network werden hochsensible Ansaugrauchmelder sowohl im Schutzbereich selbst als auch in den Bereichen eingesetzt, in denen der Luftaustausch aufgrund der indirekten freien Kühlungsmethode stattfindet.
Auch gegebenenfalls kontaminierte Außenluft muss überwacht werden. Durch die besonders täuschungsalarmsichere Detektion der Titanus-Ansaugrauchmelder werden Fehlalarme vermieden und die Verfügbarkeit des Rechenzentrums bleibt erhalten. Zudem detektieren die Melder im Brandfall so früh wie möglich und sorgen für eine deutliche Schadensbegrenzung.
Im Fall einer Detektion wird nach Möglichkeit schnellstens die Energiezufuhr unterbrochen, um dem Feuer die Stützenergie zu entziehen, sowie die Löschung und das anschließende Halten eingeleitet. Der Betrieb des Rechenzentrums bleibt dabei erhalten, Daten sind weiterhin verfügbar und Schäden werden minimiert bzw. vermieden. Größer als die Angst vor dem Brandschaden selbst war für den Betreiber die Vorstellung einer Unterbrechung der IT-Prozesse durch ein Stromlosschalten der gesamten IT-Infrastruktur, da den Kunden eine durchgängige Verfügbarkeit von Rechenkapazität und gespeicherten Daten vertraglich zugesichert wird. Ein Stromlosschalten kam daher nicht in Frage.
Individuelle Ingenieur-Lösungen
Als man Wagner bat, ein Angebot für den Brandschutz im NBG6 abzugeben, hatte das Unternehmen in einer zweijährigen Testreihe in einem Versuchszentrum des niederländischen Telekommunikationsunternehmens Royal KPN bereits umfassende Erfahrungen zum Einsatz von KyotoCooling im Zusammenspiel mit OxyReduct gesammelt. Daher war bekannt, dass die konventionellen Konzepte der Gaslöschtechnik bzw. Brandvermeidung in diesem Fall jeweils allein nicht geeignet waren.
Die Abströmverluste beim Betrieb eines Rotationswärmetauschers machen den Einsatz einer konstanten Sauerstoffreduzierung unwirtschaftlich. Mit dem konventionellen Einsatz einer Gaslöschanlage hingegen hätte man aufgrund der sehr starken Druckunterschiede beim Betrieb der Ventilatoren des Kühlsystems keine löschfähige O2-Konzentration über eine ausreichende Zeitspanne aufrechterhalten können. Große Sorge bereitete den Planern auch ein möglicher Eintrag kontaminierter Außenluft über die Freie Kühlung.
Mehrstufiges Konzept
Ein wichtiger Eckpfeiler für den Schutz der beiden Bereiche mit insgesamt 16.000 m³ war eine frühestmögliche Branderkennung. Dazu werden Ansaugrauchmeldesysteme der Titanus-Familie von Wagner in Zwei-Melder-Abhängigkeit eingesetzt. Sie detektieren einen Brand hochsensibel und täuschungsalarmsicher bereits in der Frühphase - ein Alarm wird jedoch erst ausgelöst, wenn beide Melder einen Brand detektieren. Zudem wurden die Ansaugrauchmelder zur Überwachung der Luftqualität im Außenluftkreislauf des Kyoto-Cooling-Systems installiert.
Kontrollierte Abläufe im Alarmfall
Bei Auslösen des sehr empfindlichen Voralarms werden bereits erste Brandfallsteuerungen eingeleitet, zu denen ein Stoppen des Kyoto-Rades, Aktivierung der Abdichtungen, Umschalten auf Ersatzkühlung und Schließen der Brandschutztore gehören.
Beim ersten Hauptalarm löst die erste Stufe der FirExting-Löschanlage aus und leitet Stickstoff aus 70 Druckgasflaschen in vier Minuten in den Bereich ein. Bei der Schnellabsenkung von 20,9 Vol.- % auf 16,0 Vol.- % O2 zeigt sich bereits ein deutlich reduziertes Brandverhalten, so dass sich die üblichen Stoffe in einem IT-Raum nicht mehr entzünden. Die angeschlossene OxyReduct-Anlage hält den Sauerstoffgehalt dann kontinuierlich auf diesem Niveau.
Erkennt ein zweites Ansaugrauchmeldesystem, dass der Brand nicht vollständig erstickt wurde, werden ein zweiter Hauptalarm und die zweite Stufe der Löschanlage ausgelöst. Das O2-Niveau wird dann innerhalb von weiteren vier Minuten auf eine Konzentration von 13,5 Vol.- % abgesenkt. OxyReduct kann dieses Niveau für theoretisch unbegrenzte Zeit halten, was Rückzündungen verhindert, ohne dass der betroffene Bereich stromlos geschaltet werden muss.
Raumdichtigkeit sichergestellt
Nur in einem dichten Raum kann die erforderliche Gaskonzentration lange genug aufrecht gehalten werden, damit im Brandfall das Löschen effektiv und sicher erfolgt. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme eine ausreichende Dichtigkeit nachgewiesen wurde, so ergeben sich z. B. durch Anpassungen der Hardware oder durch Bewegungen des Gebäudes im Laufe der Zeit unbemerkt Leckagen, die den Brandschutz dramatisch gefährden können.
Mit OxyReduct kann regelmäßig die Dichtigkeit des Bereichs und so die Wirksamkeit der Löschanlage getestet werden. Dazu wird zu bestimmten Zeiten auf die Ersatzkühlung umgeschaltet und der Sauerstoffgehalt gegenüber dem Normalniveau leicht reduziert. Aus der erforderlichen Zeit zum Aufbau der vorab definierten Sauerstoffkonzentration können Rückschlüsse auf die aktuelle Dichtigkeit des Bereiches gezogen werden - ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsplus. Die Lösung bei noris network bietet den Betreibern eine optimale Kombination aus energieeffizienter Kühlung und effektivem Brandschutz. Für das Brandschutzkonzept erhielt Wagner 2012 den Deutschen Rechenzentrumspreis in der Kategorie IT-Sicherheit.
Florian Sippel, Projektleiter Rechenzentrum der noris network, über die Besonderheiten der Brandschutzlösung im neuen Rechenzentrum
GIT SICHERHEIT: Herr Sippel, aus welchem Grund war eine durchdachte Brandschutzlösung beim Neubau des Rechenzentrums für noris network besonders wichtig?
Florian Sippel: noris network bietet eine Vielzahl von IT-Dienstleistungen an. Die Kunden verlassen sich auf eine zuverlässige und leistungsfähige IT-Infrastruktur. Die Brandschutzlösung sollte aber nicht nur besonders sicher, sondern unter dem Gesichtspunkt der Green IT auch sehr energieeffizient sein.
Was waren im Zuge der Planung die genauen Anforderungen an den Brandschutz?
Florian Sippel: Das neue Rechenzentrum benötigte eine zuverlässige Brandschutzlösung, sollte aber im Normalbetrieb uneingeschränkt begehbar bleiben. Im Fall einer Entzündung sollte der Brand frühzeitig erkannt werden, um schnellst möglich mit dem Einleiten von Gegenmaßnahmen beginnen zu können. Die unbegrenzte Haltezeit der löschfähigen Stickstoffkonzentration bietet einen zuverlässigen Schutz vor Wiederentzündungen und verschafft ein entsprechendes Zeitfenster für die Fehlersuche.
Was ist das Besondere am Konzept von Wagner?
Florian Sippel: Die Ansaugrauchmelder der Titanus-Familie detektieren Brände bereits in der Schwelbrandphase. In der Folge wird mit der Löschung durch eine FirExting-Gaslöschanlage mit Stickstoff begonnen. Die Abströmverluste werden dabei durch eine OxyReduct-Anlage ausgeglichen, die zusätzlichen Stickstoff vor Ort gewinnt. Das System hilft nicht nur, die Abströmverluste auszugleichen, sondern ermöglicht es zusätzlich, die löschfähige Gaskonzentration beliebig lange aufrechtzuerhalten.
Welche Vorteile sehen Sie in der verbauten Brandschutzlösung?
Florian Sippel: Durch das frühzeitige Eingreifen können brandbedingte Schäden auf ein Minimum reduziert werden. Nach der Löschung und während der Haltezeit der löschfähigen Konzentration, die beliebig lange gehalten werden kann, sind die Räume für befugtes Personal begehbar. Es kann so unmittelbar mit der Fehlersuche begonnen werden. Der größte Vorteil ist jedoch, dass die Anlage im Brandfall nicht stromlos geschaltet werden muss, um eine Wiederentzündung zu vermeiden. Die IT bleibt so weiterhin verfügbar.
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