Brandursachenermittlung: Spurensuche mit System

Brandoberrat a. D. Klaus Steinbach ist Leiter des Referates 2 des ­Technisch-Wissenschaftlichen Beirats (TWB) der vfdb. Er ist Mitautor des „Methodischen Leitfadens zur ­Brandursac...

Brandoberrat a. D. Klaus Steinbach ist Leiter des Referates 2 des ­Technisch-Wissenschaftlichen Beirats (TWB) der vfdb. Er ist Mitautor des „Methodischen Leitfadens zur ­Brandursachenermittlung". In seinem Beitrag für GIT SICHERHEIT führt Klaus Steinbach in das Thema ein und stellt das gerade in zweiter überarbeiteter Auflage erschienene Werk vor.

Die Ermittlung von Brandursachen gehört wegen deren Vielfalt zu den schwierigsten Aufgaben der Feststellung von Schadensursachen - dazu kommt die große Bandbreite der möglichen Ursachen in einem einzigen Brandobjekt. Außerdem zerstört der Brand mit zunehmender Branddauer die für die Ursachenerforschung erforderlichen Spuren oder modifiziert sie so, dass deren Beurteilung erschwert wird. Nicht selten werden sogar die Träger der Spuren und somit natürlich auch die Spuren restlos vernichtet. Diese Problematik ist in der Kriminaltechnik und Schadensforschung einzigartig - deshalb ist eine systematische Suche nach Spuren erforderlich. Jeder Eingriff im Zusammenhang mit der Spurensuche und Spurensicherung in das ohnehin brandveränderte und labile System der Spurenträger und Spuren ist irreversibel und erfordert daher eine Extrapolation auf den Zustand vor dem Eingriff. Insbesondere jeder voreilige Zugriff auf das System kann Spuren unwiederbringlich ändern oder gar zerstören.

Vor diesem Hintergrund schien es notwendig, einen methodischen Leitfaden herauszugeben, in dem die Grundlagen des planmäßigen und folgerichtigen Vorgehens am Brandort beschrieben werden. Der nach thematischen Gesichtspunkten gegliederte Leitfaden ist als Nachschlagewerk, als Ratgeber und Handbuch konzipiert. Sechs Fachleute haben es konzipiert und erarbeitet. Angesprochen sind alle mit der beweissicheren Feststellung der unterschiedlichsten Brandursachen Befassten: Ermittlungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaften), Straf- und Zivilgerichte, Sachverständige der Behörden und der Versicherungswirtschaft sowie die Angehörigen der gesamten Rechtspflege. Dabei war es nicht Anliegen der Autoren, die Brandursachen lediglich exemplarisch zu beschreiben bzw. darzustellen, sondern auch das theoretische Rüstzeug zu vermitteln, um die energetischen und stofflichen Voraussetzungen einer Inbrandsetzung zu verstehen.

Zündung und Verbrennung
Der Leitfaden beschreibt zunächst einmal die Phänomene sowie die notwendigen Voraussetzungen für Zündung und Verbrennung. Im Weiteren werden der brennbare Stoff und der Verbrennungsprozess (Brandarten, Brandentwicklung - Phasen eines Brandes) behandelt, d.h. es wird auf den Prozesscharakter eines Brandes eingegangen und insbesondere seine Entwicklung über mehrere Stadien mit sehr unterschiedlichen Wirkungen erläutert. Dazu erläutert das Werk die wesentlichen Stoffeigenschaften, die für die Kennzahlen der Zündbereitschaft von Bedeutung sind. Auch Bezüge zu Prüfverfahren, zu Vorschriften und zu Regelungen stellen die Autoren her. Anschließend geht es um die Zündbereitschaft der Stoffe unter Bezug auf relevante Kennzahlen, die Brennbarkeit von Stoffen (sowohl abstrakt als auch im Rahmen von praktischen Anwendungen) sowie das Brandverhalten brennbarer Stoffe in Form von Branderscheinungsformen wie Feststoffbrände, Flüssigkeitsbrände, Gasbrände, Brände in Sauerstoff angereicherter Atmosphäre.

Anschließend gehen die Autoren auf die die Brandverläufe charakterisierenden Kennwerte wie Brandtemperatur, Abbrandgeschwindigkeit, Wärmestrom des Brandes, Brandausbreitungsgeschwindigkeit u. a. ein sowie auf die bei Bränden zu erwartenden Rückstände und die vom Brandrauch ausgehenden Gefahren. Außerdem werden Brände in Räumen mit den speziellen Raumbrandszenarien Flashover und Backdraft erläutert.

Maßnahmen am Brandort
Bei Eintreffen am Einsatzort sind vorbereitende Maßnahmen zu treffen, die der Beschaffung von Anknüpfungstatsachen dienen: vorbereitende Maßnahmen, Sofortmaßnahmen wie Absperrung des Brandobjekts und ggf. dessen Beschlagnahme. Als Erstinformation sind die wichtigsten Wahrnehmungen und Tatsachen festzuhalten: örtliche, zeitliche und personelle Zusammenhänge, Besichtigung des Brandobjekts, die Dokumentation der Spuren im Brandobjekt und im Brandraum, Sicherstellung von Aufnahmen während des Brandes, die fotografische Erfassung des gesamten Brandobjektes mittels Detailaufnahmen, Videoaufnahmen, Skizzen und Zeichnungen zur Dokumentation von Lage und Beschaffenheit des Brandobjektes in Form von digitalem Kartenmaterial, Informationen aus dem Internet, Zeugenbefragung, Witterungsverhältnisse u.a.

Falls erforderlich, ist die Erreichbarkeit des Brandortes zu überprüfen und zu dokumentieren. Im Zuge der Besichtigung des Brandobjektes sind Öffnungs- und Verschlusszustände, der Ablauf technischer Prozesse einschließlich sicherheitstechnischer Maßnahmen (z. B. Brandsicherheits- und Alarmierungseinrichtungen, Maßnahmen des baulichen Brandschutzes) zu erfassen zu dokumentieren. Die festgestellten Brandspuren (brandspezifische und nicht brandspezifische Spuren, Schichtungen des Brandschutts, von thermischen Wirkungen, Spuren an Werkstoffen u.a.) sind fachgerecht zu dokumentieren. Im Rahmen der Arbeiten am Brandort ist ggf. über den Einsatz von Photoionisationsdetektoren (PID), von Brandmittelspürhunden sowie die Einbeziehung von Experteninformationen zu entscheiden. Vor der Besichtigung des Brandortes sind Maßnahmen zur Eigensicherung zu treffen (persönliche Schutzkleidung und weitere Schutzausrüstung). Dabei müssen auch vom Objektuzstand ausgehende Gefahren wie Strom, Gas, Toxizität beachtet werden.

Methodik der Branduntersuchung
Die Ermittlung von Brandursachen erfolgt nach zwei grundsätzlich unterschiedlichen Verfahren. In seltenen Fällen gelingt die direkte Beweisführung bei Vorliegen einer konkretisierten Brandstelle und spurenkonformer Ursachen oder bei einem gesicherten Nachweis von Brandlegungsmitteln. Wegen der großen Zahl konkurrierender Brandursachen kommt in der Regel das Eliminationsverfahren zur Anwendung. Dabei werden lageangepasst und an Hand vorhandener Spuren sämtliche im Brandasubruchsbereich möglichen Brandursachen einzeln geprüft und ausgeschlossen, um alle Ursachen bis auf eine auszuschließen. Diese Ursache muss widerspruchsfrei im Einklang mit dem Spurenbild sowie dem Brandverlauf in Einklang stehen. Besondere Beachtung gilt den betrieblichen Störungen erstmals verwendeter Maschinen, Werkstoffen und Arbeitsverfahren.

Brandursachen
In der Literatur zum Thema „Brandursachen" wurde schon immer versucht, eine Systematik der Brandursachen zu schaffen, um einen Überblick aller Brandursachen zu vermitteln. In keinem der vorliegenden Schemata ist es gelungen, alle Ursachen widerspruchsfrei, systematisch und logisch aufzuzeigen. Es kann daher jedes Schema nur ein Versuch sein, die Brandursachen einigermaßen überschaubar zu ordnen. Auch die in Normen vorgenommene Einteilung nach der Herkunft der Zündenergie und Auslösung der Zündenergie vermag nicht zu befriedigen. Eine Auflistung nach Art der Zündquellen kann nicht alle Aspekte umfassen. Der Leitfaden schlägt deshalb ein einfaches Schema vor, in dem alle Zündquellen und alle Wärmeübertragungsmechanismen in nur vier Gruppen darstellbar sind.

Brände entstehen nur nach einer Entzündung von brennbarem Material bei Anwesenheit von Sauerstoff. Die Zündenergie kann dabei, grob eingeteilt, aus Prozessen der Natur, der Chemie, der Physik und Technik sowie der Biologie entstammen. Diese Einteilung ist Grundlage für die Gliederung nach Zündung durch natürliche, chemische und physikalische Prozesse sowie durch Selbsterhitzungsprozesse.

Laboruntersuchungen, Analytik
Die Ermittlung von Brandursachen kann durch analytische Untersuchungen entscheidend unterstützt werden, da der meistens qualitative Nachweis von brennbaren organischen oder auch anorganischen Materialien in Brandrückständen (Brandbeschleunigungs- bzw. Brandlegungsmittel) häufig einen eindeutigen und objektiven Hinweis auf eine vorsätzliche Brandstiftung ergibt. Darüber hinaus lassen sich durch die Anwendung thermischer Analysenverfahren auch thermisch bedingte Stoffveränderungen verifizieren. Diese meistens analytisch ausgerichteten Laboruntersuchungen ergänzen oder bestätigen so die zuvor durchgeführten Brandortuntersuchungen. Oft ist auch erst nach einer Laboruntersuchung eine gesicherte Aussage zur Brandursache möglich.

Brandversuche, Rekonstruktion und Modellierung
Der Brandversuch stellt bei der Bearbeitung von Brand- und Explosionsereignissen eine Möglichkeit dar, aufgestellte Hypothesen zu überprüfen bzw. Fragestellungen zu beantworten. Wo ein rechnerischer Ansatz Schwierigkeiten verursacht oder praktische Erfahrungen fehlen, kann der Brandversuch hilfreich sein. Insbesondere bei einer Bewertung von Zeugen- bzw. Beschuldigtenangaben sollten Kenntnisse auf diesem Gebiet vorliegen. Bei der Durchführung von Brandversuchen muss eine wiederholbare (reproduzierbare) Vorgehensweise bei allen durchzuführenden Schritten erfolgen. Bei der Durchführung von Rekonstruktionen bzw. Experimenten steht die Forderung, äquivalente Bedingungen im Verhältnis zum ursprünglichen Prozess oder Objekt zu schaffen. Dies lässt sich in vielen Fällen nicht erfüllen, da der Aufwand in einem nicht vertretbaren Verhältnis zu den Ergebnissen steht. Ein Lösungsansatz wird in der Durchführung von Modellbrandversuchen und die Verwendung mathematischer Modelle gesehen und beschrieben.

Gutachten
Die Erstellung eines Gutachtens obliegt einem Sachverständigen. Dieser sollte bei seinem Tätigwerden eine Reihe von Grundsätzen einhalten, da er bei der Erstellung eines falschen Gutachtens unter bestimmten Bedingungen auch haftbar gemacht werden kann. Neben wichtigen Grundlagen im Allgemeinen werden auch solche für Brandsachverständige dargestellt, wobei aber der jeweilige Auftrag und die konkrete Ausgangssituation die Herangehensweise bei der Erstellung eines Gutachtens entscheidend beeinflussen. Zu beachten ist, dass sich Gutachten auf den Wissensstand des Tages ihrer Erstellung beziehen. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass bei ihrer mündlichen Vertretung vor Gericht wegen modifizierter Anknüpfungstatsachen eine entsprechende Abänderung der Schlussbewertung erfolgen muss.

 

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