Cash-Handling im Wandel: Interview mit Michael Mewes, Vorsitzender der BDGW
Vor allem in Deutschland steht das Bare beim Shoppen immer noch hoch im Kurs - im Einzelhandel werden immerhin 60 Prozent der Umsätze mit Bargeld abgewickelt, von allen Zahlungsvor...
Vor allem in Deutschland steht das Bare beim Shoppen immer noch hoch im Kurs - im Einzelhandel werden immerhin 60 Prozent der Umsätze mit Bargeld abgewickelt, von allen Zahlungsvorgängen zusammen sind es gar 80 Prozent. Bereits vor längerer Zeit hat die Bundesbank beschlossen, den eigenen Anteil am sogenannten Noten Cash Recycling (Prüfung auf Echtheit und Qualität von Banknoten) auf etwa 50 Prozent zu reduzieren. GIT-SICHERHEIT.de befragte Michael Mewes, Vorsitzender der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW), zur Entwicklung dieses Marktes sowie zur Rolle der Bundesbank und Kooperationen zwischen Kreditinstituten und Wertdienstleistern.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Mewes, die Bundesbank will ja den eigenen Anteil am Noten Cash Recycling auf etwa 50 % reduzieren. Wie gestaltet sich die Staffel-Übergabe an die Banken und privaten Dienstleister in der Praxis?
Michael Mewes: Von einer Staffel-Übergabe kann hier leider nicht die Rede sein. Selbstverständlich beschäftigt das Thema Notengeldrecycling die Marktteilnehmer unverändert sehr intensiv - vor allem, da hiermit zusätzliche Beschäftigung in den Betrieben entstehen könnte und sich zudem völlig andere Prozesse gestalten lassen würden. Leider stehen einer selbstständigen Durchführung durch unsere Mitgliedsunternehmen auf Basis des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) massive Hindernisse entgegen.
Worin bestehen diese Hindernisse?
Michael Mewes: Neben den Kapital- und Sicherungsanforderungen sowie den im Gesetz formulierten gewerbeuntypischen formalen Anforderungen an die Unternehmensorganisation, gibt es seitens der Aufsichtsbehörde BaFin sehr große und grundsätzliche Vorbehalte gegen die Zulassung von Wertdienstleistern als Zahlungsdienstleister. Es herrscht keine vollständige Transparenz über den theoretisch zur Verfügung stehenden Markt und gleichzeitig besteht die Notwendigkeit sehr hoher Investitionen zur Erfüllung der räumlichen und technischen Anforderungen. Zudem entstehen erhebliche Kosten für den Betrieb und die Unterhaltung eines erforderlichen Bargeldlagers. Selbst wenn all diese Hindernisse bewältigt, die notwendigen Vorbereitungen realisiert und zudem die derzeit noch mangelhafte Akzeptanz von Kunden hergestellt werden könnte, wird die Unternehmung an der mangelnden Wirtschaftlichkeit scheitern. Die öffentlich subventionierten Preise und die noch immer sehr breite Dienstleistungspalette der Bundesbank macht die Realisierung eines fairen Preises für die Leistungen unserer Unternehmen unmöglich.
Wird sich dies Ihrer Einschätzung nach ändern?
Michael Mewes: Unser Eindruck ist, dass seitens der Bundesbank in absehbarer Zeit keine Veränderung der Dienstleistungs- und Preisstruktur zu erwarten ist. Auch bilanzentlastende Maßnahmen hinsichtlich der Kosten des Geldes in den Lagern sind nicht in überschaubarer Zeit denkbar. Daher wird die stärkere Einbindung unserer Unternehmen in das Notengeldrecycling noch für eine lange Zeit nicht bzw. nur in überschaubarem Umfang im Rahmen von Kooperationsmodellen stattfinden.
Wie sehen die Strategien der Kreditinstitute - wie die der Wertdienstleister aus. Und welche Formen der Kooperation gibt es?
Michael Mewes: Wie eben ausgeführt, bestehen für die Wertdienstleister zunächst einmal wenige Möglichkeiten, eine selbstständige Dienstleistung im Bereich des Notengeldrecyclings zu etablieren. Insofern werden die Unternehmen hier zunächst abwartend agieren und die weiteren Entwicklungen beobachten und soweit möglich mitgestalten. Im Bereich der Kreditinstitute wird beim Cash Recycling sehr stark auf den Einsatz von Recyclertechnologie in den Geschäftsstellen gesetzt. Dies sind einfach gesagt Geldausgabeautomaten, die Einzahlungen annehmen und diese für Auszahlungen nutzen. Diese Geräte werden verstärkt nachgefragt und installiert. Über diese individuellen Maßnahmen hinaus gibt es zwischenzeitlich bereits vielfältige Kooperationsmodelle zwischen Wertdienstleistern und Kreditinstituten.
Was ist genau Gegenstand dieser Kooperationen?
Michael Mewes: Sie konzentrieren sich zumeist im Schwerpunkt auf das sogenannte Münzgeldrecycling, das im Gegensatz zum Notengeldrecycling aufgrund des weitgehenden Rückzugs der Bundesbank aus diesem Thema sehr erfolgreich umgesetzt werden konnte. Zwischen den Kooperationspartnern werden aber nach meiner Kenntnis durchaus weitergehende Dienstleistungen geplant, die langfristig auch das Thema Notengeldrecycling umfassen werden. Selbstverständlich müssen aber auch hier die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen und hier bestehen wie ausgeführt noch große Defizite.
Was müsste die Bundesbank tun?
Michael Mewes: Unsere Forderungen an die Bundesbank umfassen im wesentlichen die nach einem weitergehenden Rückzug aus dem Einzelhandelsgeschäft - Annahme und Zählen von Safebags - sowie der bedarfsgerechten Kommissionierung, damit in diesen Bereichen kein weiterer Wettbewerb zwischen aufwandsorientierten und subventionierten Preisen besteht. Ferner benötigen wir die Unterstützung der Bundesbank bei der Umsetzung von bilanzentlastenden Maßnahmen für Aufbau und Vorhalt von Bargeldlagerbeständen. Langfristig ist eine Vereinfachung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erforderlich, damit unseren Wertdienstleister die selbstständige Durchführung von Notengeldrecycling ermöglicht wird.
Derzeit sind ja rund 60 Wertdienstleister in Deutschland tätig - ein heterogener Anbieterkreis aus überwiegend regionalen und lokalen Unternehmen. Wie wird sich das aus Ihrer Sicht entwickeln? Wird es beispielsweise mehr Fusionen geben?
Michael Mewes: Wir schätzen, dass es in Deutschland knapp 100 Wertdienstleister gibt. Davon sind 43 Mitgliedsunternehmen der BDGW, deren Marktanteil liegt jedoch deutlich über 90 Prozent. Der heterogenen Aufstellung dieses Marktes stehen auch heterogene Nachfragestrukturen gegenüber. In Deutschland gibt es über 400 Sparkassen und über 900 Volks- und Raiffeisenbanken. Über diese beiden Gruppen werden rund 80 Prozent der Bargeldtransaktionen durchgeführt. Diese regionalen Kreditinstitute suchen sich meistens auch Partner aus dem regionalen Anbieterkreis der Wertdienstleister. Auch regionale Einzelhändler und Einzelhandelsketten orientieren sich entsprechend. Dies ist heute so und wird auch noch für lange Zeit gelten. Andererseits gibt es bereits seit vielen Jahren einen fortschreitenden Konsolidierungsprozess in Form von Kooperationen, Unternehmensfusionen oder auch Betriebsschließungen. Hierfür sind eine ganze Reihe von Ursachen maßgeblich, wie beispielsweise die veränderte Bundesbankstruktur, fehlende Nachfolgeregelung, Kundenfusionen, Veränderung gesetzlicher Rahmenbedingungen u.a. mehr. Aber leider gibt es auch betriebswirtschaftliche Gründe. Wir haben teilweise einen sehr intensiven Preiswettbewerb der Wertdienstleister untereinander am Markt und dies bei einem ohnehin überwiegend nicht auskömmlichen Preislevel. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass wir auch in den nächsten Jahren eine Fortsetzung des Konsolidierungsprozesses in allen denkbaren Formen im Markt sehen werden.
Wie wird sich das aus Ihrer Sicht entwickeln? Wird es beispielsweise mehr Fusionen geben?
Michael Mewes: Das wird noch für lange Zeit so bleiben. Andererseits gibt es bereits seit vielen Jahren einen fortschreitenden Konsolidierungsprozess in Form von Kooperationen, Unternehmensfusionen oder auch Betriebsschließungen. Hierfür sind eine ganze Reihe von Ursachen maßgeblich, wie beispielsweise die veränderte Bundesbankstruktur, fehlender Nachfolgeregelung, Kundenfusionen, Veränderung gesetzlicher Rahmenbedingungen u.a.m. Aber leider gibt es auch betriebswirtschaftliche Gründe, da wir einen teilweise intensiven Preiswettbewerb der Wertdienstleister untereinander am Markt erleben und dies bei einem ohnehin überwiegend nicht auskömmlichen Preislevel. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass wir auch in den nächsten Jahren eine Fortsetzung des Konsolidierungsprozesses in allen denkbaren Formen im Markt sehen werden.
Das „Cash Handling" muss, angesichts der enormen Geldmengen die im Umlauf sind, gleichzeitig sicher, effizient und kostengünstig ablaufen. Die BDGW betont die Wichtigkeit eines ganzheitlichen Blicks auf den Bargeldkreislauf. Was bedeutet das im Einzelnen?
Michael Mewes: Wir haben als Industrie schon aus Selbsterhaltungsgründen immer daran gearbeitet, unsere Prozesse zu optimieren und sowohl für uns als auch für unsere Kunden wirklich effiziente und kostengünstige Abläufe zu gestalten. Aber es ist natürlich wichtig, dass alle Marktbeteiligten und hier insbesondere die Kreditinstitute und der Einzelhandel an einem sicheren und effizienten Bargeldkreislauf mitwirken. Dies betrifft den Einsatz von Übernahme-/ Übergabetechnologien, die Gestaltung von Kassen und Übergaberäumen, EDV-Schnittstellen, Nutzung von DFÜ-Optionen u.a.m. Und natürlich zielt die Forderung auch auf eine offene Haltung aller Beteiligten zum Thema Notengeldrecycling durch Wertdienstleister ab. Hier sind bei effizienter Gestaltung für alle Beteiligten zumindest langfristig gesehen viele Optimierungsmöglichkeiten zu sehen.
Welche jüngeren technischen Entwicklungen gibt es zur Abwicklung des Bargeld-Managements?
Michael Mewes: Im Bereich des Handels werden vermehrt Übergabetresore oder automatisierte Kassensysteme mit einem geschlossenen Bargeldkreislauf eingesetzt. Bei den Kreditinstituten sehen wir den vermehrten Einsatz von Cash Recyclingsystemen. Ansonsten gibt es dort ja bereits seit Jahren, mit dem Einsatz von AKT und GAA, bewährte und effiziente technische Systeme. Seit dem Jahreswechsel gilt bei der Bundesbank die CashEdi-Verpflichtung, alle Bargeldtransaktionen werden elektronisch avisiert und bestätigt. Auch zwischen den Wertdienstleistern und den Kunden wird immer mehr elektronisch kommuniziert.
An welchen Stellen werden hier Prozesse optimiert - und wie verträgt sich das mit der Sicherheit?
Michael Mewes: Geschlossene Bargeldsysteme senken das Differenzenrisiko, der Einsatz von großen Kassetten anstatt kleiner Safebags bringt größere Bearbeitungseinheiten, die elektronische Kommunikation verhindert Erfassungs- und Übertragungsfehler - alles Dinge, die der Effizienz und der Sicherheit dienen.
Wie sieht es mit der Wirtschaftlichkeit aus? Führen die angesprochenen Entwicklungen langfristig zu Verteuerungen oder zu mehr Kosteneffizienz?
Michael Mewes: Alle angesprochenen Themen kosten Geld, bringen aber auch Effizienz und Sicherheit. Mit Blick auf die derzeit noch immer vollkommen unbefriedigende Preissituation im deutschen Markt ist davon auszugehen, dass wir langfristig eine deutliche Erhöhung des Preisniveaus für die einzelnen Dienstleistungen erleben werden. Modernere Methoden, Techniken und Prozesse werden diesen Preisauftrieb absolut gesehen aber etwas dämpfen können. Unumgänglich wird es allerdings sein, die Kostenerhöhungen durch höhere Tarifabschlüsse und die Kostenauswirkungen neuer Gesetze - wie der Münzgeldprüfverordnung etc. - an die Kunden weiterzugeben. Generell gilt, dass die Wertdienstleister eine deutliche Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen benötigen und jedwede Kostenerhöhungen weitergeben müssen.
Lassen Sie uns noch über die jüngsten Veränderungen im normativen Bereich sprechen - etwa über die Schaffung der DIN 77300 für Geld- und Wertdienste, ein Vorstoß der Deutschen Kreditwirtschaft und des Handelsverbands Deutschland. Wie ist hier der Stand der Dinge?
Michael Mewes: Die Arbeiten an dieser DIN-Norm sind in vollem Gange. Alle beteiligten Akteure erarbeiten in Arbeitsgruppen ihre Vorschläge zu den Gliederungspunkten dieser neuen DIN-Norm und werden die Vorschläge in den Gremien diskutieren. Wir als BDGW sind jedenfalls sehr froh darüber, dass sich der DIN-Ausschuss nicht etwa nur mit dem Teilgebiet Geld- und Wertdienste beschäftigt, sondern vielmehr mit der gesamten Leistungskette im Bargeldkreislauf. Denn hier gibt es nach unserer Auffassung ohnehin durch die Sicherheitsvorschriften des Verbandes und die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften ausreichende Regelungen. Dies bedeutet, dass nun alle Akteure gefordert sind, ihren Beitrag zur Sicherheit und Effizienz im Bargeldkreislauf zu erbringen. Hierzu gehört es auch, dass bei Einhaltung der DIN-Norm zukünftig unsichere Übernahmestellen, schlecht gesicherte Wege in den Objekten, Geldausgabeautomaten ohne Serviceraum u. a. Dinge der Vergangenheit angehören werden. Allerdings wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis die Arbeiten an dieser Norm abgeschlossen werden können. Aber alle Beteiligten sind engagiert dabei und von dem Nutzen dieser Norm überzeugt.
Herr Mewes, Sie haben unter anderem auf der 5. Euroforum-Jahrestagung betont, dass Deutschland - auch wenn es 2012 immerhin drei Überfälle auf Spezialgeldtransportfahrzeuge gegeben hat - mit Abstand das sicherste Land in Europa sei, wenn es um Bargeldlogistik geht.
Michael Mewes: Wir haben als Industrie gemeinsam mit den Berufsgenossenschaften und den Mitarbeitern seit vielen Jahren einen in Europa herausragenden Präventionserfolg erreicht. In keinem anderen Land ist die Überfallquote auf professionelle Wertdienstleister so gering wie in Deutschland. Und wenn doch ein Überfall geschieht, leistet unsere Polizei eine herausragende Arbeit, hat fast sämtliche Taten aufgeklärt und die Täter den Gerichten zugeführt.
Worauf führen Sie das zurück?
Michael Mewes: Dieser Erfolg war durch den engen Schulterschluss aller Beteiligten in Verbindung mit der Einführung und Umsetzung von Regelwerken im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Vorschriften und insbesondere der Sicherheitsvorschriften der BDGW möglich. Die konsequente Anwendung dieser Maßnahmen und die entsprechende Kontrolle sind die Grundlage für die sichere und schadenfreie Durchführung von Geld- und Wertdienstleistungen. Inhalt dieser Regelwerke sind u. a. die technische Ausstattung von Fahrzeugen und Cash-Centern, Ausrüstung und Ausbildung von Mitarbeitern sowie Einsatzregeln für die Mitarbeiter etc. Alle Einzelregelungen passen zueinander bzw. bauen aufeinander auf. Dieser ganzheitliche Blick auf unsere Dienstleistung ist das Erfolgsgeheimnis der letzten Jahre. Wir haben in Deutschland nicht etwa weniger Überfälle, weil die Gefahrenlage harmlos wäre, sondern weil die umgesetzten Maßnahmen eine erhebliche Abschreckung von Tätern bewirken. Die gute Polizeiarbeit in diesem Land tut dann sein Übriges.