Die Qual der Wahl
Systemdesigner haben viele Möglichkeiten, wenn es um die Auswahl geeigneter Kameras für die Videoüberwachung großer Flächen geht
Systemdesigner haben viele Möglichkeiten, wenn es um die Auswahl geeigneter Kameras für die Videoüberwachung großer Flächen geht. Uri Guterman, Head of Product & Marketing bei Hanwha Techwin Europe, gibt einen Überblick über die gängigsten Kameratypen.
PTZ-Kameras
PTZ-Kameras werden üblicherweise zur Überwachung von Städten oder Großflächen wie Flughäfen, Parkhäuser, Einkaufszentren, Sportstadien und Lagerhäuser eingesetzt. Nutzer sind damit in der Lage, Bewegungen von Objekten zu verfolgen und heranzuzoomen, um jede Aktivität aus nächster Nähe zu beobachten.
Dank dieser Möglichkeit können Sicherheitsverantwortliche schnell auf jeden Vorfall reagieren. Darüber hinaus verfügen viele PTZ-Kameras über eine automatische Nachführung, kontinuierliche Schwenkfunktion und eine voreingestellte Positionssteuerung, so dass ein sich bewegendes Objekt auch dann erfasst und aufgezeichnet wird, wenn das Sicherheitspersonal abgelenkt oder nicht am Arbeitsplatz ist. Auch die abschreckende Wirkung von PTZ-Kameras, die automatisch einen Bereich absuchen, sollte nicht unterschätzt werden. Potenzielle Straftäter fühlen sich beobachtet, selbst wenn die aufgenommenen Bilder nicht in Echtzeit überwacht werden.
8K-Kameras
PTZ-Kameras spielen nach wie vor eine große Rolle bei der Absicherung gegen kriminelle Aktivitäten, doch neue Entwicklungen in der Videoüberwachungstechnologie haben innovative Kameratypen ermöglicht, die je nach Anwendung noch besser geeignet sein können. Die Schärfe und Klarheit der Bilder von 8K-Videoüberwachungskameras beispielsweise hätte man noch vor kurzem nicht für möglich gehalten.
In der Regel werden 8K-Kameras nicht nur für die Überwachung eines Sichtfelds eingesetzt. Der besondere Vorteil dieser Kamera ist die Leistungsfähigkeit ihrer Bilder, die 16 mal 1080p Full HD-Bildern entspricht. Damit erfasst und verarbeitet eine einzige Kamera eine beeindruckende Menge an Informationen. Sicherheitsverantwortliche können so digital in einen sehr kleinen Teil hereinzoomen, ohne dass das Bild verpixelt wird. Fußballstadien sind beispielsweise Einsatzgebiete für 8K-Kameras, da sie beweiskräftige Bilder von 20.000 oder mehr Fans auf einer Tribüne erfassen. Aufgrund ihres sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses sind 8K-Kameras eine praktikable und kostengünstige Alternative zum Einsatz mehrerer stationärer oder PTZ-Kameras.
Für jede Situation die passende Lösung
Bei der Entscheidung zwischen 8K- oder PTZ-Kameraformat kommt es auf das konkrete Ziel des Kunden an. Auch die Budgetgröße beeinflusst die Auswahl. Eine 8K-Kamera ist eine leistungsstarke Option, wenn das Sichtfeld einer Kamera kontinuierlich aufgezeichnet werden soll, während das Personal gleichzeitig in einen bestimmten Bildbereich hineinzoomen können muss. PTZ-Kameras sind hingegen deutlich günstiger und eignen sich beispielsweise, wenn ein großer Sichtbereich ständig abgesucht und gleichzeitig bei Bedarf schnell herangezoomt werden soll, um das Geschehen im Detail zu beobachten.
Wenn die Echtzeit-Überwachung wichtiger ist als die Videoaufzeichnung zu Beweiszwecken, spricht das für den Einsatz von PTZ-Kameras. Dies gilt umso mehr für die neueste Generation, die mit adaptiver IR-Technologie ausgestattet ist. Das bedeutet, das sich der Winkel der eingebauten IR-LEDs an die jeweilige Zoomstufe anpasst.
Multisensorische und multidirektionale Kameras
Multidirektionale Kameras bieten die Funktionen von zwei, drei oder vier Geräten in einem einzigen Gehäuse. Da sie jedoch nur über eine einzige IP-Verbindung verfügen, müssen Nutzer auch nur eine VM-Lizenz erwerben.
Die mit zwei getrennten Objektiven ausgestatteten Kameras sind für die Erfassung von hochauflösenden Bildern benachbarter Bereiche konzipiert. Je nach erforderlichem Sichtfeld gibt es eine Auswahl an Modulen mit austauschbaren, einfach zu montierenden Objektiven. Diese Multi-Streaming-Kameras reduzieren die Installationskosten deutlich, denn L-förmige Bereiche wie Korridore oder zwei Seiten eines Gebäudes können nun mit nur einer Kamera überwacht werden.
Auch multidirektionale Kameras mit vier separaten Sensoren sind erhältlich. Mit diesen können Sicherheitsverantwortliche aus einer breiten Palette von anpassbaren Winkeln und Zoom-Einstellungen pro Sensor wählen. Dies bedeutet spürbare Kosteneinsparungen sowohl für Systemintegratoren als auch für Endkunden, da Multisensor-Kameras die Aufgaben von bis zu vier herkömmlichen Geräten übernehmen können, dabei aber weniger Kabel, Leitungen und Montagematerial nötig sind. Da weniger Netzwerkverbindungen erforderlich sind, bedarf es auch weniger Switches.
Konzipiert für die Überwachung großer offener Flächen mit nur einer Kamera, können die von den vier Sensoren erfassten Bilder nahtlos zu einem Panoramabild zusammengefügt werden, das bis zu 220° abdeckt. Werden Modelle mit motorisierten PTRZ-Kardanringen eingesetzt, erleichtert dies die Installation deutlich. Das Sicherheitspersonal kann das Objektiv ferngesteuert schwenken, neigen und drehen, um das Sichtfeld der Kamera einzustellen.
Eingebautes PTZ
Einige Hersteller wie Hanwha Techwin bieten 4-Kanal-Multisensorkameras mit einer zusätzlichen integrierten PTZ-Kamera an. Diese kann so konfiguriert werden, dass sie automatisch heranzoomt und ein sich bewegendes Objekt verfolgt oder sich zu einer konfigurierten voreingestellten Position bewegt, wenn die Bewegungsmelderfunktion der Kamerasensoren eine Aktivität feststellt.
Diese zusätzliche PTZ-Kamera bedeutet geringere Investitions-, Installations- und Wartungskosten im Vergleich zur Installation von fünf separaten Kameras für die Überwachung eines großen Bereichs bei gleicher Funktionalität.
360-Grad Kameras
Eine einzige 360-Grad-Kamera ist in manchen Fällen die effizienteste und kostengünstigste Möglichkeit, einen großen Bereich zu überwachen. Dies gilt gerade dann, wenn üblicherweise mehrere Standardkameras nötig wären, um tote Winkel zu vermeiden. Für Einzelhändler oder andere Einsatzgebiete, bei denen die Ästhetik eine Rolle spielt, ist die 360°-Kamera eine praktische Kompaktlösung.
Da die 360-Grad-Modelle keine beweglichen Teile haben, sind die Wartungskosten niedriger als bei anderen Kameratypen. Die meisten 360-Grad- oder „Fischaugenobjektiv”-Kameras bieten eine Vielzahl alternativer Betrachtungsmodi wie Einzelpanorama-, Doppelpanorama- und Vierfachansicht. Sie verfügen häufig auch über ein digitales PTZ, das es dem Nutzer ermöglicht, bestimmte Bereiche für eine detailliertere Ansicht elektronisch zu schwenken, zu neigen und zu zoomen, während sie weiterhin die gesamte 360-Grad-Ansicht überwachen und aufzeichnen. Manche Kameras bieten dabei eine integrierte Entzerrungsfunktion. Falls diese nicht vorhanden ist, kann eine Videomanagementsoftware wie Wisenet WAVE diese Aufgabe übernehmen.
Die Qual der Wahl
Bei der Vielzahl verschiedener Kameraformate stehen Sicherheitsberater, Systemdesigner und Integratoren vor einer großen Herausforderung bei der Entscheidung über die richtigen Kameras für ihr Videoüberwachungsprojekt.
Eine Möglichkeit ist dabei die Risikobewertung unter Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen des Endkunden. Eine 8K-Kamera bietet sich zum Beispiel an, wenn große Menschenmengen in weitläufigen Bereichen überwacht werden müssen, während sich multidirektionale Kameras ideal für die Erfassung von Bildern angrenzender Bereiche eignen. PTZ-Kameras sind wiederum dann sinnvoll, wenn die aufgenommenen Bilder in Echtzeit betrachtet werden sollen, da sie den Nutzern ein hohes Maß an Kontrolle bieten und sie die Bewegung von Personen aktiv verfolgen können. Auch ihre größere Abschreckungswirkung sollte nicht unterschätzt werden.
In der Praxis ist für die meisten Hochsicherheitsanwendungen meist eine Kombination von zwei oder mehr Kameratypen erforderlich. Abhängig ist das je nach Projekt von den verschiedensten Faktoren. Dazu gehören möglicherweise die erforderliche Bildauflösung oder die Notwendigkeit eingebauter IR-Beleuchtung, um unabhängig von den Lichtverhältnissen hochwertige Bilder aufzuzeichnen. Auch der Bedarf an Videoanalyse und die Frage, ob die Kameras in der Lage sein müssen, Spezialanwendungen von Drittanbietern zu unterstützen, sollte berücksichtigt werden. Das gilt genauso für Aspekte wie die Anforderungen an die Bandbreite. Wir empfehlen, mit vertrauenswürdigen Herstellern zusammenzuarbeiten und diese um eine Live-Demonstration der verschiedenen Kameratypen zu bitten. So können Anwender fundiert beurteilen, welche Kameras über das richtige Preis-Leistungs-Verhältnis für Ihre spezifischen Anforderungen verfügen.