Gemeinsam Lösungen finden – Interview mit VSW-Geschäftsführerin Branka Bernges
Als die Vereinigung für die Sicherheit der Wirtschaft (VSW) 1968 gegründet wurde, ging es darum, eine Brücke zwischen der Wirtschaft und den Sicherheitsbehörden zu schlagen. Vor allem klassische Sicherheitsfragen standen im Mittelpunkt, etwa der Schutz vor Einbruch, Diebstahl oder Industriesabotage. Seitdem hat sich die Sicherheitslandschaft grundlegend verändert – und auch das Selbstverständnis des Verbands. Er versteht sich heute vor allem als strategischer Partner der Mitglieder in einer zunehmend komplexen und vernetzten Welt – sagt VSW-Geschäftsführerin Branka Bernges im Gespräch mit GIT SICHERHEIT.

GIT SICHERHEIT: Frau Bernges, wir möchten heute ein wenig über aktuelle Sicherheitsthemen sprechen, die in der VSW auf vielfältige Weise behandelt werden. Sie sind Geschäftsführerin des Verbands. Könnten Sie uns zunächst einmal ein wenig Background über Sie selbst und Ihren professionellen Hintergrund geben?
Branka Bernges: Vielen Dank für die Gelegenheit, mit Ihnen über Sicherheitsthemen zu sprechen, die uns alle betreffen! Ich bin seit 2013 Teil der VSW und begann meine Tätigkeit im Bereich Aus- und Weiterbildungsmanagement sowie in der Mitgliederbetreuung. In dieser Funktion lag mein Fokus darauf, die Bedürfnisse unserer Mitglieder zu verstehen und sicherzustellen, dass sie von zielgerichteten Schulungen und Qualifizierungsprogrammen profitieren können. Ich übernahm zunehmend strategische Aufgaben, was schließlich zu meiner heutigen Position als Geschäftsführerin im Jahr 2022 führte. Daher liegt nun mein Fokus darauf, unseren Mitgliedern praxisnahe Unterstützung zu bieten, Netzwerke zu stärken und innovative Ansätze für die Sicherheitsbranche zu fördern. Mein Ziel ist es, sowohl die Bewältigung aktueller Herausforderungen zu unterstützen als auch auf die Entwicklungen in der Sicherheitslandschaft einzugehen.
Die VSW gibt es ja bereits seit 1968 – gegründet seinerzeit als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Sicherheitsbehörden. Wie hat sich das Selbstverständnis bis heute entwickelt – und worin vor allem sehen Sie die Bedeutung des VSW für die Mitglieder heute?
Branka Bernges: Unsere Bedeutung für die Mitglieder liegt heute insbesondere in drei zentralen Bereichen: Zunächst einmal geht es uns um ganzheitliche Sicherheitslösungen. Die Herausforderungen reichen hier von physischer Sicherheit über Cybersecurity bis hin zu internationaler Krisenvorsorge. Die VSW unterstützt ihre Mitglieder dabei, diese Themen ganzheitlich zu betrachten und aufeinander abgestimmte Strategien zu entwickeln.
Zum zweiten bieten wir unseren Mitgliedern Zugang zu einem starken Netzwerk aus Unternehmen, Sicherheitsbehörden, Wissenschaft und spezialisierten Dienstleistern. Dieser Austausch ist essenziell, um Best Practices zu teilen und voneinander zu lernen.
Drittens vertreten wir als Verband die Interessen unserer Mitglieder gegenüber der Politik und den Behörden. Gleichzeitig fungieren wir als Plattform, um aktuelle Entwicklungen und Risiken frühzeitig zu kommunizieren – sei es durch Veranstaltungen, Schulungen oder Informationsmaterialien.
Zusammengefasst hat sich die VSW von einer reinen Schnittstelle hin zu einem umfassenden Partner für Sicherheitsfragen entwickelt. Wir bieten Orientierung, Unterstützung und Innovation in einer Zeit, in der die Herausforderungen nicht nur zahlreicher, sondern auch vielschichtiger geworden sind.
Geben Sie uns einen Überblick über Ihre Mitgliederstruktur?
Branka Bernges: Unsere Mitgliederstruktur spiegelt die Breite der deutschen Wirtschaft wider. Sie umfasst Unternehmen unterschiedlicher Größen: Von großen, international tätigen Konzernen bis hin zu kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU). Wir vertreten Unternehmen aus nahezu allen Wirtschaftssektoren, darunter Industrie, Handel, Technologie, Finanzwesen und Dienstleistung. Dazu gehören auch spezialisierte Sicherheitsunternehmen, Berater und Experten, die mit ihrem Fachwissen zur Sicherheit der Wirtschaft beitragen. Dazu kommen Hochschulen und Institute, die sich mit Sicherheitsforschung und -technologie beschäftigen. Diese vielfältige Zusammensetzung ermöglicht einen breiten Erfahrungsaustausch und bietet unseren Mitgliedern Zugang zu unterschiedlichen Perspektiven und Lösungen in Sicherheitsfragen.
Die Sicherheit von Unternehmen sieht sich heute einer ganzen Reihe besonderer Herausforderungen gegenüber – vom physischen bis zum Cyberraum. Wir sprechen von KI und Drohnen, von Cyberangriffen, Spionage, etc. Wie schätzen Sie die Situation diesbezüglich ein?
Branka Bernges: Die Sicherheitslage für Unternehmen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Herausforderungen sind vielfältig, und Unternehmen müssen sich heute sowohl physischen als auch digitalen Bedrohungen stellen. Die zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Drohnen sowie die wachsende Bedrohung durch Cyberangriffe und Wirtschaftsspionage stellen besonders große Risiken dar.
Künstliche Intelligenz wird sowohl von Unternehmen zur Verbesserung der Sicherheit als auch von Angreifern zur Automatisierung und Optimierung von Angriffen eingesetzt. KI-basierte Angriffe können gezielt und schnell ausgeführt werden, was die Verteidigung erschwert. Drohnen stellen eine neue Bedrohung dar, insbesondere für kritische Infrastrukturen. Sie können zur Überwachung, Datensammlung oder sogar für physische Angriffe genutzt werden, was neue Sicherheitsstrategien erforderlich macht.
Cyberangriffe sind weiterhin eine der größten Bedrohungen. Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung schaffen mehr Angriffsflächen, von Ransomware bis zu ausgeklügelten Phishing-Attacken. Die Bedrohungen entwickeln sich schneller, sodass Unternehmen ständig ihre Sicherheitsvorkehrungen anpassen müssen. Spionage – sowohl durch Cybermethoden als auch durch physische Infiltration – bleibt ein bedeutendes Thema. Unternehmen müssen ihre sensiblen Daten und Betriebsgeheimnisse besser schützen, um wirtschaftlichen Schaden zu vermeiden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unternehmen heute eine ganzheitliche Sicherheitsstrategie benötigen, die sowohl physische als auch digitale Bedrohungen umfasst. Es ist wichtig, dass sie nicht nur in technische Lösungen investieren, sondern auch ihre Mitarbeitende regelmäßig schulen und ein robustes Krisenmanagement entwickeln.
Die VSW unterstützt ihre Mitglieder, sich auf diese Herausforderungen vorzubereiten, indem wir praxisorientierte Schulungen, Beratungen und den Austausch von Best Practices fördern.
Wie schlagen sich in Ihrer Wahrnehmung die deutschen Unternehmen im Umgang mit diesen Themen?
Branka Bernges: In meiner Wahrnehmung machen viele deutsche Unternehmen deutliche Fortschritte im Umgang mit modernen Sicherheitsherausforderungen, insbesondere in den Bereichen Cybersecurity und Technologieintegration. Große Unternehmen haben bereits umfassende Sicherheitsstrategien etabliert und investieren in fortschrittliche Schutzmaßnahmen, etwa KI-basierte Systeme zur Bedrohungserkennung oder in robuste Krisenmanagementprozesse.
Allerdings zeigt sich, dass vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen (KMU) teils noch hinter den größeren Unternehmen zurückbleiben. Diese kämpfen häufig mit Ressourcenmangel, unzureichendem Know-how oder fehlendem Bewusstsein für die Dringlichkeit von Sicherheitsinvestitionen. Für viele KMUs ist es eine Herausforderung, mit den sich ständig weiterentwickelnden Bedrohungen, insbesondere im Cyberbereich, Schritt zu halten.
Ein weiteres Problem bleibt die Sensibilisierung der Mitarbeitenden. Trotz fortschreitender Digitalisierung sind menschliche Fehler nach wie vor eine der größten Sicherheitslücken, und viele Unternehmen sind sich noch nicht bewusst, wie wichtig kontinuierliche Schulungen und Awareness-Programme sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die deutschen Unternehmen insgesamt ein wachsendes Bewusstsein für Sicherheitsrisiken entwickelt haben, aber noch einen langen Weg vor sich haben, um auf allen Ebenen von Technologie über Mitarbeiterschulung bis hin zu organisatorischen Strukturen optimal gerüstet zu sein. Die Zusammenarbeit und der Austausch, etwa über Netzwerke wie die VSW, sind hier ein wichtiger Schritt, um voneinander zu lernen und gemeinsam Lösungen zu finden.
Das Bundesministerium des Inneren und für Heimat erarbeitet in Zusammenarbeit u.a. mit der Wirtschaft eine nationale Wirtschaftsschutzstrategie. Ziel ist es, die Resilienz unserer Wirtschaft und Wissenschaft vor illegitimer Einflussnahme von außen zu stärken. Welche Haltung nehmen Sie als VSW hier ein – und welche Rolle spielen Sie hier als Verband?
Branka Bernges: Die VSW begrüßt die nationale Wirtschaftsschutzstrategie des Bundesministeriums des Inneren und für Heimat ausdrücklich. Wir sehen diese Initiative als einen wichtigen Schritt, um die Resilienz der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft gegenüber immer komplexeren Bedrohungen, insbesondere aus dem Cyberraum und durch illegitime Einflussnahme von außen, zu stärken.
Unsere Haltung ist klar: Wirtschaftsschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur durch enge Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft, der Politik und den Sicherheitsbehörden erfolgreich umgesetzt werden kann. Insgesamt spielen wir als VSW eine unterstützende Rolle, die den ASW-Bundesverband (Akteur) in seiner zentralen Funktion stärkt, um eine erfolgreiche und resiliente Wirtschaftsschutzstrategie für Deutschland zu fördern.
Die „illegitime Einflussnahme von außen“ geschieht dank unserer weitgehend digitalisierten Prozesse vor allem im Cyberraum. Durch Künstliche Intelligenz werden Angriffe gar noch optimiert. Welche Fragen kommen hier seitens der Mitglieder in erster Linie auf, als wie angespannt sehen sie die Lage diesbezüglich – und welche Antworten kann die VSW hier bieten?
Branka Bernges: Die Bedrohung durch illegitime Einflussnahme im Cyberraum ist für unsere Mitglieder ein wachsendes Thema, insbesondere durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die Angriffe effizienter macht. Fragen sind unter anderem: Wie schützen wir uns vor gezielten, KI-unterstützten Angriffen? Wie sichern wir sensible Daten vor Diebstahl? Wie erhöhen wir die Resilienz unseres Unternehmens bei Cyberangriffen? Die Lage ist angespannt, da Angreifer immer raffinierter werden und Unternehmen schneller reagieren müssen.
Unsere Antworten hierauf sind zunächst einmal Schulungen und Awareness, also die Sensibilisierung der Mitarbeiter für neue Bedrohungen. Dazu kommen Beratung und Sicherheitslösungen in Form von maßgeschneiderten Konzepten zur Abwehr von Cyberangriffen sowie Best Practices und Krisenmanagement, insbesondere der Austausch von Sicherheitsstrategien und Unterstützung bei Notfallplänen.
Viel besprochen ist der Schutz vor Drohnenangriffen – hier ist sowohl technisch als auch im Dienstleistungsbereich einiges in Bewegung. Wie sehen Sie die Gefährdungslage hier?
Branka Bernges: Die Gefährdungslage durch Drohnen hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Drohnen sind mittlerweile leicht zugänglich, relativ kostengünstig und vielseitig einsetzbar. Sie können sowohl für legitime Zwecke als auch für böswillige Absichten genutzt werden, was sie zu einer zunehmenden Herausforderung für die Sicherheit macht.
Die Lage wird sich in den kommenden Jahren vermutlich weiter verschärfen, insbesondere durch den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz in Drohnen, die ihnen mehr Autonomie und Präzision verleihen. Gleichzeitig werden aber auch die Abwehrmaßnahmen immer raffinierter, was einen Wettlauf zwischen Angriffs- und Verteidigungstechnologien erwarten lässt.
Eine proaktive Auseinandersetzung mit der Thematik – sowohl technisch als auch regulatorisch – ist essenziell, um die Sicherheit vor Drohnenangriffen zu gewährleisten.
Frau Bernges, Kritische Infrastrukturen, um eine weiteres aktuelles Themenschwergewicht anzusprechen, sind schon von der Definition her besonders resilienzbedürftig – in unser aller Interesse. Das KRITIS-Dachgesetz ist auf dem Weg. Wie setzen Sie sich damit verbandsseitig damit auseinander?
Branka Bernges: Das KRITIS-Dachgesetz ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Resilienz kritischer Infrastrukturen. Als VSW setzen wir uns damit auseinander, indem wir unsere Mitglieder über die Anforderungen des Gesetzes auf dem Laufenden halten. Wir bieten aber auch Unterstützung bei der Umsetzung der neuen Sicherheitsanforderungen und fördern den Austausch von Lösungen und Erfahrungen zwischen den Mitgliedern.
Zu allen angesprochenen Themen und darüber hinaus betreiben Sie ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsprogramm. Könnten Sie dazu bitte noch etwas sagen?
Branka Bernges: Gerne. Wir bieten ein strukturiertes Aus- und Weiterbildungsprogramm, das Unternehmen in die Lage versetzt, auf die wachsenden Herausforderungen der Unternehmenssicherheit zu reagieren. Das Angebot reicht von grundlegenden Schulungen für neue Mitarbeitende bis hin zu spezialisierten Weiterbildungen für erfahrene Sicherheits- und Führungskräfte. Darin geht es uns um die Vermittlung von Kompetenzen, um Bedrohungen effektiv zu erkennen und abzuwehren. Dabei passen wir die Inhalte an die spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen an. Wir stellen sicher, dass Mitarbeiter aller Ebenen optimal auf Sicherheitsanforderungen vorbereitet sind – und zwar unter Berücksichtigung neuer Technologien und Trends.
Welche Themen sind hier besonders nachgefragt derzeit?
Branka Bernges: Für die Sachkundeprüfung gemäß § 34a GewO bieten wir beispielsweise speziell zugeschnittene Vorbereitungskurse an, die die Teilnehmer optimal auf die Prüfung vorbereiten. Diese umfassen alle relevanten rechtlichen, praktischen und kommunikativen Inhalte, um sicherzustellen, dass sie nicht nur die Prüfung bestehen, sondern auch im Berufsalltag gut gerüstet sind.
Für den Koordinator Betrieblicher Ermittlungen konzentrieren wir uns auf praxisorientierte Inhalte, die von der Durchführung interner Ermittlungen über die rechtssichere Dokumentation bis hin zur Zusammenarbeit mit externen Behörden reichen. Hier spielt auch die Schulung in Befragungstechniken und der Umgang mit sensiblen Daten eine zentrale Rolle.
Die Geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft (IHK) richtet sich an Sicherheitskräfte, die eine vertiefte Qualifikation anstreben. Hier setzen wir auf eine Kombination aus theoretischer Wissensvermittlung und praxisnahen Übungen, die Themen wie Arbeitsschutz, Notfallmanagement und rechtliche Befugnisse behandeln.
Themen wie Wirtschaftskriminalität und Cyber-Security spiegeln die aktuellen Herausforderungen wider, mit denen Unternehmen zunehmend konfrontiert sind. Unser Fokus liegt auf der Sensibilisierung für Bedrohungen, der Prävention von Angriffen und der Vermittlung von Grundlagen in IT-Sicherheit und Cyber-Forensik. Damit geben wir unseren Teilnehmenden die Werkzeuge an die Hand, um wirtschaftliche Schäden zu verhindern und Sicherheit in digitalen und physischen Bereichen zu gewährleisten.
Dies ist nur ein kleiner Auszug unseres Programms. Mit diesem modularen Ansatz bieten wir Schulungen, die von der Basisqualifikation bis zur Expertenstufe reichen, und orientieren uns dabei stets an den Bedürfnissen der Unternehmen und der Praxis.
Vielfach wird die Notwendigkeit gesehen, das Image der Sicherheit als Feld der beruflichen Betätigung allgemein zu stärken. Wie sehen Sie das bei der VSW?
Branka Bernges: Die VSW sieht die Notwendigkeit, das Image der Sicherheitsbranche als Berufsfeld zu stärken, ebenfalls als sehr wichtig an. Sicherheit ist heute ein zentrales Thema, das weit über traditionelle Sicherheitsberufe hinausgeht. Die fortschreitende Digitalisierung und die zunehmenden Bedrohungen im Cyberraum machen Sicherheitsfachkräfte zu unverzichtbaren Experten, deren Aufgaben immer komplexer und vielfältiger werden.
Unsere Ansätze zur Stärkung des Images umfassen beispielsweise Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit: Wir setzen uns dafür ein, das Berufsbild von Sicherheitsexperten als hochqualifizierte, zukunftsträchtige Tätigkeit in der breiten Öffentlichkeit stärker zu positionieren. Durch unser Aus- und Weiterbildungsprogramm tragen wir dazu bei, dass Sicherheitsberufe als hochqualifizierte und innovative Berufsfelder wahrgenommen werden. Die VSW engagiert sich aktiv, das Bewusstsein für die Bedeutung der Sicherheitsbranche zu steigern und qualifizierte Fachkräfte zu fördern.
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