Perimeterschutz: Aktuelle Entwicklungen, Trends und Innovationen
Maßnahmen zum Perimeterschutz, also für den Schutz des Geländes das zum Beispiel ein Gebäude umgibt, betreibt der Mensch seit dem er den Gartenzaun erfunden hat. Heute leben wir in...
Maßnahmen zum Perimeterschutz, also für den Schutz des Geländes das zum Beispiel ein Gebäude umgibt, betreibt der Mensch seit dem er den Gartenzaun erfunden hat. Heute leben wir in einer elektronischen Welt von Videokameras, elektronischen Ausweisen und Biometrie. Über die aktuellen Entwicklungen sprach GIT-SICHERHEIT.de mit Bernd Horst Sander, Inhaber des Sander Management Consulting + Sachverständigenbüros.
GIT-SICHERHEIT.de: Heute prägen Videotechnik und Biometrie den Perimeterschutz - bis dahin war es ein weiter Weg. Lassen Sie uns doch mal mit einer kleinen Epocheneinteilung beginnen...
Bernd Horst Sander: Schon immer wollen Menschen ihr Eigentum schützen - früher brauchte man dafür hohe meterdicke Mauern, tiefe Gräben und massive Burgtore. Heute leisten dafür eher ein vollelektronisches Schiebetor und Polykarbonat-Zäune mit Übersteigschutz optimalen Widerstand gegen Eindringlinge. Es gibt auch keine Wachposten mehr, sondern Drehkreuze mit elektronischer Zutrittskontrolle und versteckten Videokameras. Aber eine Sache hat sich nicht geändert: der äußere Schutz von Gebäuden, Grundstücken und Freigeländen vor Eindringlingen - eben Perimeter Protection.
Das ist ja ein noch junger Begriff?
Bernd Horst Sander: Der Begriff Perimeter Protection wird in der Tat erst seit einigen Jahren in Deutschland intensiver genutzt. Davor ordnete sich die Sicherung von Freigeländen irgendwie den Begriffen Security und Safety unter. Im Laufe der vergangen Jahre sind die Ansprüche an die äußere Sicherheit in Europa enorm gestiegen. Terroristische Anschläge, organisierte Verbrechen und Kriminalität haben uns vor Augen geführt, wie wichtig Perimeter Protection ist. Die einfachen Ausführungen von Maschendrahtzäunen mit ein wenig Stacheldraht reichen da aber nicht mehr aus - zum Beispiel, wenn es um die Sicherung von Flughäfen, Bahnhöfen, Staatsgebäuden, Firmenkomplexen, Sportarenen, Privateigentum oder Gebäuden mit Hochsicherheitsbereichen geht. All diese benötigen ein ganzheitliches Sicherheitskonzept, das aus perfekt aufeinander abgestimmten Komponenten besteht. Dazu gehören Stahlzäune mit elektronischer Zaunüberwachung, Tore, Schranken, Zutrittskontrollen und Überwachungssysteme. Ich denke, dass in den nächsten Jahren auf dem Gebiet Freigelände-Sicherheit noch eine Menge an innovativen Technologien entwickelt werden - gerade hier bei uns in Europa, wo sich ein enormes Forschungs- und Entwicklungspotenzial befindet.
In welchem Maße nimmt der Markt die jüngsten technischen Innovationen an - etwa im Bereich Biometrie, Gesichts- oder auch Kennzeichenerkennung?
Bernd Horst Sander: Gerade diese Bereiche werden vom Markt sehr positiv bewertet und in großem Maße in ganzheitliche Sicherheitskonzepte integriert. Voraussetzung hierfür sind selbstverständlich perfekt aufeinander abgestimmte Komponenten der Zutritts- und Zufahrtskontrolle sowie der Überwachungssysteme. Die verschiedenen Sicherheitskomponenten arbeiten meistens vollkommen autark. So können beispielsweise Drehkreuze über Biometrie wie Iriserkennung oder Gesichtskontrolle, Schranken durch Nummernschilderkennung und Tore durch Handysteuerung betrieben werden. Jede Einheit ist für sich funktionsfähig und wird in einem übergeordneten Gesamtsystem integriert.
Branchenlösungen sind ein starker aktueller Trend. Für welche Branchen gibt es sie und was ist der Vorteil davon?
Bernd Horst Sander: Vom Einfamilienhaus bis zum Atomkraftwerk sind Branchenlösungen bekannt. Sie sind für den Anwender sehr vorteilhaft, da die speziellen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Aktuell stehen besonders Logistksysteme inklusive der aufwendigen Intralogistik im Vordergrund sowie Flughäfen, Autoumschlagplätze und Parkhäuser aber auch Justizvollzugsanstalten als sicherheitstechnische Gesamteinheiten. Darüber hinaus ist ein neuer Bereich bei der Absicherung von Baustellen erkennbar. Das Thema Hafensicherheit - Stichwort ISPS Code - ist weiterhin aktuell, gehört aber mit zum weiten Feld der Logistik. Besonders die Videotechnik hat ausgereifte Branchenlösungen parat. Verschiedene Hersteller bieten hier sehr ausgereifte innovative Lösungen an.
Greifen wir einmal das Beispiel JVAs heraus. Wie sieht eine solche Branchenlösung aus?
Bernd Horst Sander: Meterhohe Mauern sind hier verständlicherweise nicht ausreichend. Die neuen Sicherheitskonzepte wirken von innen. Das bedeutet im Detail: Etwa fünf Meter hohe Sicherheitszaunelemente aus Streckmetall mit oberen Abwinklungen und S-Draht werden mit einem intelligenten Zaundetektionssystem ergänzt und hinter den Mauern angeordnet. Weiterhin wird das Zaunsystem mit einem Videoüberwachungssystem verknüpft. Bei einem Detektionsalarm werden die Videokameras zugeschaltet. Der detektierte Zaunabschnitt erscheint auf den Bildschirmen der Überwachungszentrale, sodass das mobile Einsatzpersonal direkt gezielt in den Alarmabschnitt geschickt wird. Außerdem ist ein Sicherheitssystem, das aus Mauern sowie intelligenten Zaun- und Videosystemen besteht, nicht mehr so personalintensiv.
Hier gibt es manchmal wohl Zielkonflikte zwischen Safety und Security?
Bernd Horst Sander: Wenn wir Safety und Security etwas näher betrachten, erkennt man sofort den Zielkonflikt. Der Begriff Safety bezieht sich ja speziell auf die leibliche persönliche Sicherheit, und zwar auf die unbeabsichtigten Ereignisse - oder allgemeiner gesagt, auf die gefahrlose Nutzung von Einrichtungen des privaten, öffentlichen und beruflichen Lebens. Typische Beispiele sind die Verkehrssicherheit sowie die Sicherheit industrieller Anlagen. Im Gegensatz zu Safety betrachtet Security Gefährdungen, die vorsätzlich, also beabsichtigt hervorgerufen werden. Mit dem Begriff Perimeter Protection hat man nun der Freigelände-Sicherheit einen eigenen Namen gegeben. Perimeter Protection befasst sich mit der gesamten Sicherung des Außenbereichs. Also der ganzheitlichen Gelände- und Objektsicherung. Bei den JVAs soll selbstverständlich in erster Linie Security im Vordergrund stehen, wobei Safety nicht außer acht gelassen werden darf. Hier werden an den Sicherheitsplaner besondere Anforderungen gestellt.
Autohäuser sowie große Parkplätze sind ebenfalls wichtige Zielgruppen für den Perimeterschutz. Was gibt es hier Neues?
Bernd Horst Sander: Dreiste Diebstähle, bei denen Airbags und Navigationsgeräte aus abgestellten Fahrzeugen entwendet werden, sind leider keine Seltenheit. Die oft als Einzelkomponenten installierten Videoüberwachungs- und Zaunanlagen erfüllen hierbei nicht mehr die heutigen Schutzanforderungen. Eine besondere Problematik ergibt sich auch daraus, dass die Autohäuser und Parkplätze oft in unbewohnten Gegenden liegen. Eine Verbesserung erreicht man durch Sicherheits-Gesamtlösungen aus Mechanik und sensibler Elektronik. Verknüpft wird das Konzept zusätzlich mit einer Video- und Beleuchtungstechnik. Darüber hinaus ergibt sich durch Zaundetektion eine Vorwarnzeit, in der die Sicherheitszentrale oder das Wachpersonal bereits reagieren kann.
Ein ganz großes Thema sind Logistik und Spedition. Geben Sie uns einen Überblick?
Bernd Horst Sander: Logistiksicherheit ist wirklich ein sehr großes Thema und wir könnten uns aufgrund der Vielfalt und Komplexität stundenlang darüber unterhalten. Unter Logistksicherheit verstehe ich die komplette Sicherheit der Lieferkette - von der Herstellung bis zum Endverbraucher. Jede Lieferkette ist ein Unikat, deshalb ist vor der Konzipierung des Sicherheitskonzeptes eine eingehende Risikoanalyse erforderlich und zwar für die Einzelbereiche und die komplette Logistikkette. Betrachten wir z.B. einmal nur den Lagerbereich eines Industrieunternehmens mit Ein- und Ausfahrt. Hinzu kommt eine Intralogistik mit Ein- und Auslagerungsfördertechnik vom Hochregallager einschließlich Kommissionierung. Hier sehen wir schon viele einzelne Sicherheitsbereiche, sodass Unregelmäßigkeiten schon fast vorprogrammiert sind. Ein komplexes Sicherheitssystem mit Verknüpfungen zu allen eventuell gefährdeten Bereichen muss deshalb hohen Ansprüchen gerecht werden. So werden beispielsweise Flurförderzeuge mit Ortungssystemen ausgestattet, zudem haben sich bei der Kommissionierung der RIFD- und Barcode Datentransfer bestens bewährt. Der Perimeterbereich wird im Idealfall mit einer Außensicherung sowie Detektion und Zufahrts- und Zutrittsanlagen ausgestattet. Hier kommt auch immer mehr die Kfz-Kennzeichenerkennung mit entsprechender Videotechnik zum Einsatz.
Es gibt auch innovative Schutzmaßnahmen von Großbaustellen. Wie muss man sich das genau vorstellen?
Bernd Horst Sander: Auf Baustellen besteht ein hohes Gefährdungspotential für die dort Beschäftigten. Der Safety-Aspekt hat dementsprechend einen herausragenden Stellenwert. Aber auch Schutzmaßnahmen zur Sicherung der Baustelle und damit zur Vermeidung von Sachschäden und den damit verbundenen Kosten spielen eine große Rolle. In letzter Zeit sind gerade durch Diebstahl besonders hohe Kosten entstanden. Spezielle Sicherungsmaßnahmen rücken hier deshalb immer mehr in den Fokus. Sehr interessant ist hier eine mobile Gesamtlösung, die sich aus speziell konstruierten Mobilzaunelementen und einer dafür entwickelten Detektions-Elektronik zusammensetzt. Kombiniert wird das System mit Videokameras und einer Funkübertragung zu einer Zentrale. Ergänzt werden diese Sicherungsmaßnahmen noch durch Ortungssysteme an den Baumaschinen für den Fall eines Diebstahls. Für Großbaustellen wurden auch transportable Zutrittskontrollen bestehend aus Drehkreuzen oder Drehsperren mit elektronischer Erfassung sowie elektrischen transportable Schiebetore entwickelt. Vorteilhaft ist hier der Einsatz auf verschiedenen Baustellen.
Lassen Sie uns noch über ein paar aktuelle normative Fragen sprechen, etwa über neue Bauvorschriften - Stichwort Leistungserklärung. Worum geht es hier?
Bernd Horst Sander: Ein Teil der sicherheitstechnischen Komponenten, speziell im Perimeterbereich, sind Bauprodukte und auch Maschinen, die den europäischen Richtlinien entsprechen. Für die Maschinen gilt seit dem 29.12.2009 die Maschinen-Richtlinie 2006/42/EG. Bauprodukte sind dauerhaft in Bauwerke des Hoch- bzw. Tiefbaus eingebaut. Hierfür ist nun seit dem 01.07.2013 die europäische Bauproduktenverordnung 305/2011in Kraft getreten. Für Hersteller, aber auch jetzt neu für Importeure und Händler von Bauprodukten, d.h. auch für sicherheitstechnische Komponenten wie Zutritts- und Zufahrtskontrollanlagen wie z.B. Schiebetore und Schranken, gelten neben der Maschinenrichtlinie auch die Bedingungen der Bauproduktenverordnung. Die wichtigste Neuerung ist wohl die Leistungserklärung, die vom Hersteller und Importeur bzw. Händler erstellt werden muss. Mit der Leistungserklärung müssen detailliertere Angaben gemacht werden, als dies für die EG-Konformitätserklärung gefordert wurde. Sie gibt die Leistung eines Bauproduktes in Bezug auf dessen wesentliche Merkmale und in Übereinstimmung mit der zugrundeliegenden technischen Spezifikation an. Bei Toren gilt hier die Produktnorm DIN EN 13241-1. Neu ist auch, dass der Hersteller mit der Erstellung der Leistungserklärung Verantwortung für die erklärte Leistung des Bauproduktes übernimmt. Bisher wurde nur Verantwortung für die Konformität mit der harmonisierten Norm übernommen.
Es gibt ja noch andere Erweiterungen der Herstellerpflichten - welche sind das zum Beispiel?
Bernd Horst Sander: Weitere Herstellerpflichten nach der Bauproduktenverordnung sind z.B. zehn Jahre Aufbewahrungspflicht der technischen Unterlagen, Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit sowie die Pflicht des Herstellers zur CE-Kennzeichnung auf der Grundlage harmonisierter technischer Spezifikationen - wie Normen. Die Bedeutung des CE Kennzeichens hat sich dahingehend geändert, dass der Hersteller jetzt mit dieser Kennzeichnung die Verantwortung für die erklärte Leistung des Bauproduktes übernimmt. Bauprodukte wie z.B. kraftbetätigte Tore können weiteren EU-Richtlinien unterliegen. Bei bestehenden Anlagen erfolgen im Perimeterbereich sehr oft Umbauten sowie Nachrüstungen. Der Betreiber geht dann nicht selten vom Bestandsschutz bei der Safety aus und ist der Meinung, dass eine Nachrüstung auf einen sicherheitstechnisch höheren Stand bei der Safety nicht notwendig ist. Das Gegenteil ist der Fall. Werden z.B. Toranlagen nachgerüstet, müssen alle aktuell geltenden Normen und Richtlinien eingehalten werden. Bei der Nachrüstung ist sicherzustellen, dass das Gesamtsystem den Safetyanforderungen entspricht - und nicht nur die erneuerten Einzelteile. Bei der Planung des Sicherheitskonzeptes ist deshalb gerade bei der Safety eine Gefahrenanalyse im konstruktionsbegleitenden Prozess als Grundlage für die Risikobeurteilung erforderlich. Hiermit wird einer mangelhaften Safety bei einer optimierten Security vorgebeugt.
Wir sprachen gerade über die Bauproduktenverordnung und die Maschinenrichtlinie. Gibt es auch speziell im Perimeterbereich eine Normierung?
Bernd Horst Sander: Die Entwicklung europäischer Qualitätsstandards für Freigelände-Sicherheitsprodukte wurde vor drei Jahren gestartet. Die Initiative zu dieser sehr wichtigen europäischen Normungsarbeit kam von den Niederländern. Und derzeit wird an einer reibungslosen Umsetzung gearbeitet. Erfahrungsgemäß dauert dies aber viele Jahre.
An welchen Punkten wird in diesem Zusammenhang gearbeitet?
Bernd Horst Sander: Die neue Normungsarbeit umfasst Außentore und Türen in Umzäunungen. Hinzu kommen Schranken, Drehkreuze und Schleusen, Poller, Straßensperren und sonstige Barrieren. Ebenfalls integriert sind Produkte aus der Elektronik sowie dem Sensorik- und Videobereich. Wichtig bei der Normenarbeit ist auch die Zusammenarbeit mit Betreibern von Perimeter Protection-Systemen, wie z.B. dem Militär oder Betreibern sensibler Infrastrukturen. Der Perimeter-Schutz wird also im Rahmen der Normierung nach allen Seiten untersucht, wobei die technischen Aspekte deutlich im Vordergrund stehen. Aber bei der Normenarbeit werden auch Komponenten wie das Produktdesign berücksichtigt, die ebenfalls den EU-Sicherheitsvorgaben entsprechen müssen. Zukünftig gibt es auch eine genaue Regelung für die Implementierung von nachträglichen Elementen in bestehende Sicherheitssysteme.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Sander.