Seminarkritik „Muster-Industriebaurichtlinie und DIN 18230“
Seminarkritik „Muster-Industriebaurichtlinie und DIN 18230". „Kritik“ bedeutet die objektive Auseinandersetzung mit einem Thema, nicht das einseitige Loben oder Schlechtreden. Wenn...
Seminarkritik „Muster-Industriebaurichtlinie und DIN 18230". „Kritik“ bedeutet die objektive Auseinandersetzung mit einem Thema, nicht das einseitige Loben oder Schlechtreden. Wenn nun nachfolgend primär Lob erscheint, dann nicht, weil der Veranstalter auf diesen Beitrag Einfluss genommen hat, sondern weil es objektiv den Tatsachen entspricht.
Sieben Themen von jeweils hervorragenden Fachleuten, mal informativ, mal zart ironisch, mal nüchtern-sachlich vorgetragen, standen auf dem Tagesplan, und alle sieben Referenten sind auch persönlich erschienen: Obmänner von Ausschüssen und andere hervorragende Fachleute, die aus erster Hand berichten konnten, was an Veränderungen auf uns zukommen wird.
Weniger Vorfälle, mehr Schaden
In 26 Jahren sind die industriellen Großschäden um knapp 300 % angestiegen, bei fast gleichzeitiger Halbierung der Anzahl dieser Schäden; erstens Grund genug, mehr in Richtung „Brandschutz“ für Industriegebäude zu unternehmen. Zweitens sieht man durch die Halbierung der Absolutzahl, dass die Arbeit der Brandschützer offensichtlich sehr erfolgreich ist.
Änderung der DIN 18230-1
Der erste Beitrag beschäftigte sich mit den Änderungen der DIN 18230-1, die im Mai 1998 das erste Mal vorgestellt wurde; es ist in diesen zehn Jahren aufgefallen, dass Geschossbauten mit offenen Bühnen sich als Problem darstellten und die Neufassung dieser DIN will hier eine Klarstellung bewirken: Öffnungen, Gitterroste und Abdeckungen zählen jetzt definitiv nicht mehr zur Fläche hinzu. Das alte Rechenmodell wird jedoch grundlegend beibehalten, da es sich bewährt habe.
Neu ist der Begriff „Einrichtungsschutz“ – etwas, was Versicherer als „Objektschutz“ schon lange kennen und was nichts anderes bedeutet, als dass es zukünftig selbsttätig wirkende Löschanlagen für Teilbereiche geben darf. So etwas ist neu, war noch nie in einer Bauordnung, DIN-Norm oder VdS-Vorgabe erlaubt – mal von Löschanlagen für Funkenerodieranlagen oder Fritteusen abgesehen.
Als Wärmeabzugsöffnungen werden demnächst nur noch Öffnungen von ≥ 1 m² angerechnet, wobei die Lage (horizontal oder vertikal) leider weiterhin unberücksichtigt bleibt ( etwas, was in der Versammlungsstätten- Verordnung anders geregelt ist, da werden horizontale Öffnungen den vertikalen berechtigterweise mit 50 % besser gestellt).
Die RWA wird nach DIN EN 12101-1 berechnet und erlaubt als Öffnungsmechanismus Kunststoffe mit Schmelztemperatur bis zu 300 °C; mindestens wird eine Öffnung je 400 m² Fläche nötig.
Der Referent geht davon aus, dass alle Teilnehmer auf seinem hohen Niveau sind, und verwendet deshalb Abkürzungen und Begriffe wie „ta“ oder „av“, ohne weiter darauf einzugehen – für einen Großteil mag das auch verständlich sein, doch im Vortrag verlor der den Faden, der sich mit dieser Thematik noch nicht ausführlich beschäftigt hatte.
Überarbeitung der Muster-Industriebaurichtlinie
Der zweite Vortrag behandelte die Überarbeitung Muster-Industriebaurichtlinie, er wurde vom Obmann des Ausschusses gehalten und war ebenfalls sehr interessant. Die DIN 4102 und die DIN EN 13501 werden baugesetzlich gleichgesetzt, d. h. wir werden uns nach Abschaffung der nationalen Norm anstatt dem über Jahrzehnte bekannten Begriff „F 90“ für „feuerbeständig“ demnächst mit „REI 90“ anfreunden müssen.
Der Referent verwies auf die Problematik der zutreffenden Bauordnung, wenn ein Industriegebäude die Hochhausgrenze überschritten hat: Gilt nun die Industriebaurichtlinie oder die Hochhausrichtlinie? Sollten Arbeitsplätze höher als 22 m liegen, so trifft hier seiner Meinung nach die brandschutztechnisch höherwertige Hochhaus-RL zu.
Als Arbeitsplatz bzw. Aufenthaltsbereich im Sinne des Arbeitsrechts definierte er: „Entweder hält man sich mindestens zwei Stunden täglich dort auf oder an mindestens 30 Arbeitstagen im Jahr.“ Eine Definition, die sicher nicht alle Problemstellungen korrekt beantwortet, die aber dennoch für die meisten Fälle akzeptabel erscheint.
Zukünftig sollen auch Hochregallager mit einer Lagerhöhe von oberhalb 9 m in der IndBauRL aufgenommen werden – etwas, was sehr begrüßenswert erscheint, denn jetzt auf die anspruchsvollere Landesbauordnung oder eine dafür entwickelte VDI-Ausarbeitung zurückzugreifen, war nie befriedigend, aber eben nötig.
Eine weitere wichtige Definition des Begriffs „wirksame Löscharbeiten“, den man aus verschiedenen Bauverordnungen kennt, wurde wie folgt gegeben: „Die Feuerwehr kann ungehindert zur Brandstelle gelangen, und es gibt ausreichend Löschwasser.“ Auch das ist eine sinnvolle Definition, mit der man leben und arbeiten kann.
Zwei Dinge, über die man noch viel diskutieren wird, ist der Plan, die beiden Begriffe „Rauchschürzen“ und „raucharme Schicht“ abzuschaffen – sind doch Rauchschürzen für viele Bereiche sinnvoll und hat man nicht erst vor wenigen Jahren diese Begriffe und Techniken erst eingeführt? Zur raucharmen Schicht (früher: rauchfreie Schicht) sei noch gesagt, dass die Personengefahr durch Rauch in Garagen, Versammlungs- oder Verkaufsstätten fast immer wesentlich größer ist als in Industriegebäuden, und für diese Gebäude gibt es einfachere und geringere Anforderungen.
An dieser Stelle sei ein Jurist aus dem Innenministerium (der nicht genannt werden will) zitiert, der dem Autor dieser Zeilen, hingewiesen auf diese und andere Ungereimtheiten, gespielt verwundert antwortete: „Suchen Sie doch bitte nicht nach Logik in den Bauordnungen. Etwas kritisieren ist immer einfacher als etwas selber besser zu machen!“
Einverstanden, wo er recht hat, hat er recht. Ob jedoch die neue Normenwelt tatsächlich viel schöner wird als zuvor, das wird wohl erst die Praxis zeigen.
Fortsetzung folgt im nächsten Heft.
Kontakt
Dr.-Ing. Wolfgang J. Friedl
Ing.-Büro für Sicherheitstechnik, München
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