„Sharing Economy“ in der Industrie
Mietgeräte sind bei temporärem Bedarf eine sinnvolle Alternative zum Produktkauf. GIT SICHERHEIT im Interview mit Sebastian Langen, Leiter des Mietgerätegeschäfts bei Dräger.
So viel wie nötig, so wenig wie möglich: Diese schlichte Grundregel der Bedarfskalkulation gilt auch, wenn es um die Ausstattung mit persönlicher Schutzausrüstung, Gasmesstechnik und anderem sicherheitstechnischem Equipment geht. In der Praxis jedoch können unvorhergesehene Ereignisse schnell Engpässe hervorrufen Mietgeräte sorgen kurzfristig für den Ausgleich.
Die Frage „Mieten oder kaufen?“ sollten sich Betriebe jedoch schon vor einem möglichen Engpass stellen. Denn gerade bei temporären Bedarfen und unregelmäßigen Einsätzen stehen Aufwand und Ertrag bei einem Gerätekauf selten im optimalen Verhältnis. Hochwertige industrielle Sicherheitsausrüstung kann einiges an Kosten verursachen – auch nach dem Kauf, etwa durch Wartung und Lagerung. Mietgeräte können in diesen Fällen eine interessante Alternative sein. Flexibilität und Kostentransparenz sind hier wichtige Stichworte. Mehr darüber erzählt Sebastian Langen, Leiter des Mietgerätegeschäfts bei Dräger, im Interview mit GIT SICHERHEIT.
GIT SICHERHEIT: Mietangebote sind besonders durch Carsharing und andere Bereiche im Konsumentengeschäft bekannt. Wieso sollten auch Unternehmen bei der Beschaffung ihrer Ausrüstung darüber nachdenken?
Sebastian Langen: Sicherheitstechnik zu mieten ist mit einem geringeren Arbeits- und finanziellen Aufwand verbunden. Unternehmen müssen nicht mehr recherchieren, welches Gerät das passende für ihre Anwendung ist. Ein großer Risikofaktor beim Kauf ist zudem der Ausfall von Geräten. Ein schneller Ersatz steht meist nicht zur Verfügung. Bei der Miete stellen wir als Anbieter sicher, dass unsere Kunden zum einen das richtige Gerät für ihren Anwendungsfall nutzen und dieses zum anderen einsatzbereit erhalten. Alle vorgeschriebenen Wartungen und Kalibrierungen sowie gewünschten Einstellungen sind unmittelbar vor dem Einsatz der Geräte in unseren Werkstätten durchgeführt worden. Wir kümmern uns zudem um die Bereitstellung, also den Transport und die Logistik sowie um die fachgerechte Lagerung der Geräte.
Nun verkaufen Sie die Geräte auch. Vertragen sich Produkt- und Mietgeschäft?
Sebastian Langen: Auf jeden Fall. Das Mietgeschäft ist ein Teil unserer Strategie und kommt sich mit dem klassischen Verkaufsgeschäft nicht in die Quere. Wir ergänzen es viel mehr sinnvoll, um temporäre Bedarfe bei Kunden auszugleichen. Gleichzeitig ist das Mietgeschäft oft auch ein Einstieg für unsere Kunden. Für langfristige Bedarfe kommt dann eine langfristige Miete oder auch ein Produktkauf in Frage.
Welche Kunden entscheiden sich bei Ihnen für eine Miete?
Sebastian Langen: Unsere Kernbereiche haben wir in der Öl- und Gasindustrie und in der chemischen Industrie. Dort kann es zum Beispiel bei Stillständen großer Anlagen temporär zu einem höheren Gerätebedarf kommen oder es gibt Spezialaufgaben, die nur selten anfallen. Aber auch andere Branchen, etwa das Baugewerbe oder große Lebensmittelläger, benötigen Ausrüstung für temporäre Bedarfe.
Mieten statt kaufen klingt erstmal nach einem nachhaltigen Modell. Ist das auch so?
Sebastian Langen: Sharing Economy bedeutet teilen und wiederverwenden. Das ist vom Grundsatz her bereits ein nachhaltiges Geschäftsmodell. Ein Gasmessgerät aus unserem Mietgeräte-Pool kommt beispielsweise bei unterschiedlichen Mietvorgängen viel häufiger zum Einsatz als bei einem einzelnen Kunden im Bestand. Insbesondere bei sporadischen Bedarfen würde es danach über längere Zeit ungenutzt herumliegen. Wir können unsere Geräte mehr auslasten, indem wir sie verschiedenen Kunden für die Dauer der wirklichen Bedarfe zur Verfügung stellen.
Sie bieten in Ihrem Rental Webshop aber nicht nur Dräger-Produkte an...
Sebastian Langen: Das stimmt. Wir gehen damit auf den Wunsch unserer Kunden ein, die Gerätebereitstellung aus einer Hand zu erhalten. Wir haben unser Portfolio sinnvoll erweitert, zum Beispiel um Höhensicherung, Funkgeräte oder Ex-geschützte Mobiltelefone. Damit können wir ein komplettes Paket anbieten. Insgesamt stehen unseren Kunden mehr als 1.500 unterschiedliche Produkte und 200.000 Mietgeräte zur Verfügung.
Sicherlich spielt auch die Verfügbarkeit der Geräte eine Rolle. Steigt auch durch Lieferengpässe die Nachfrage nach Mietgeräten?
Sebastian Langen: Die schnelle Verfügbarkeit und das Reagieren auf kurzfristige Bedarfe ist ein großer Vorteil beim Mieten. Natürlich versuchen einige Kunden temporär ihre fehlenden Produktkäufe über die Miete auszugleichen. Gleichzeitig spielen die Lieferengpässe auch für uns im Mietgeschäft eine Rolle – denn natürlich müssten wir bei enorm gestiegener Nachfrage auch unsere Geräteflotten aufstocken und zusätzliche Geräte beschaffen.
Wie können wir uns den Ablauf der Miete vorstellen? Die Bestellung erfolgt in Ihrem Webshop und dann...
Sebastian Langen: Dann wird eine Information an unsere Werkstätten weitergeleitet, dass ein oder mehrere Geräte entsprechend der Kundenvorgabe vorbereitet, bei Bedarf kalibriert und in die Logistik zum Versand gebracht werden müssen. Der Kunde nutzt die Geräte über den gewünschten Zeitraum und schickt sie anschließend an uns zurück. Danach beginnt der Ablauf von vorn. Wir bieten verschiedene Mietmodelle an, von der Basis-Tagesmiete bis hin zu einer langfristigen Miete über mehrere Jahre. Auch bei der langfristigen Miete stellen wir den Service und den Austausch der Geräte über unsere Werkstätten sicher.
Wie könnte so ein Arbeitsjahr eines Gasmessgeräts aus Ihrem Mietbestand aussehen, wo kommt es zum Einsatz?
Sebastian Langen: Das kann ganz unterschiedlich sein. Exemplarisch habe ich „die Reise“ eines Dräger X-am 5000 mitgebracht. Binnen 12 Monaten kam dieses Gerät bei 11 Kunden wie z. B. Basf, Repsol, Covestro oder Eni in 5 Ländern zum Einsatz, natürlich mit regelmäßigem Zwischenstopp in unserem zentralen Hub in Krefeld für eine Wartung und einsatzspezifische Konfiguration. Von spanischer Sonne, Kölner Regen und sizilianischer Luft war alles dabei. Die zurückgelegte Strecke entspricht dabei rund 11.000 km, die Einsatzdauer lag dabei zwischen einem Tageseinsatz bis zu mehreren Wochen in einem Anlagenstillstandprojekt in Ludwigshafen auf unterschiedlichen Baustellen. Eins ist hinsichtlich der Einsatzzwecke immer gleich: den Schutz des Lebens sicherzustellen – durch das frühzeitige Erkennen von gefährdenden Stoffen.
Der Rental Robot
Bei Dräger können Kunden ihren eigenen Bestand an Sicherheitsequipment in Form des Rental Robots verwalten. Das automatisierte Materiallager versorgt registrierte Nutzer aus den Fächern mit Gaswarngeräten, Atemschutzmasken oder Verbrauchsmaterialien – nah am Einsatzort, rund um die Uhr und ohne Personaleinsatz. So wird die Verfügbarkeit von funktionsfähiger Ausrüstung erhöht und das Gerätemanagement von Firmen aus der Öl-, Gas- und Chemieindustrie vereinfacht. Nach dem Einsatz wird das Sicherheitsmaterial beispielsweise zum Aufladen, Überprüfen oder Reinigen zurück ins Fach gelegt.
Der Rental Robot kann individuell aus verschiedenen Schrankvarianten mit unterschiedlichen Fachgrößen und -anzahlen zusammengestellt werden. Zudem kann eine Drop-Box für verschmutzte oder kontaminierte Geräte gewählt werden. Ein Vending-Automat für Verbrauchsmaterial lässt sich ebenfalls mit den Modulschränken kombinieren. Dräger X-dock Prüfstationen sind komplett am Rental Robot integrierbar.
Nutzer werden am Rental Robot mittels RFID oder Barcode identifiziert und können Mietgeräte oder eigene Geräte entnehmen oder verwalten. Die Entnahme erfolgt innerhalb weniger Sekunden. Es können auch arbeitsspezifische Gerätekombinationen in einem Fach gelagert werden. In jedem Fach ist ein Laden der Geräte möglich.
Bei der Geräterückgabe geben Nutzer den Zustand des Geräts an. Defekte oder zu wartende Geräte sind für jede weitere Ausgabe gesperrt.