03.12.2024 • Topstory

Sicherheit für den Westminster-Palast

Die Bilder gehen um die Welt: Menschen, die stundenlang Schlange stehen, um der verstorbenen Königin Elisabeth II. die letzte Ehre zu erweisen. Vier Tage lang ist der Sarg der Königin in der Westminster Hall des britischen Parlaments aufgebahrt und für die Öffentlichkeit zugänglich, als das Staatsoberhaupt im September 2022 im Alter von 96 Jahren stirbt. Hunderttausende Menschen kommen, Warteschlangen ziehen sich kilometerlang durch die Londoner Innenstadt. Während die Menschen von ihrer Königin Abschied nehmen, wird hinter den Kulissen des Westminster-Palastes rund um die Uhr für deren Sicherheit gearbeitet.

Reece Haughey arbeitet bereits sein halbes Leben im Westminster-Palast. Er...
Reece Haughey arbeitet bereits sein halbes Leben im Westminster-Palast. Er kennt den Ort in und auswendig.
© Bosch

Dieser Einsatz wird Reece Haughey wohl unvergesslich bleiben: Als Service-Ingenieur gehört er zu dem Team, das für den Brandschutz im Palast zuständig war. In den vergangenen sechs Jahren hat die Bosch-Tochtergesellschaft Protec, für die Haughey arbeitet, das gesamte Gelände des Westminster-Palastes mit Brandmelde- und Sprachalarmierungstechnik ausgestattet.

Ein Teil der Geschichte  

„Durch meine Arbeit kann ich die britische Geschichte hautnah miterleben und ein Teil davon sein“, schwärmt Haughey. „Ich durfte mich sogar von der Queen verabschieden.“ Er sitzt in einem winzigen Raum im Westminster-Palast, der kaum Platz für mehr als vier Arbeitsplätze bietet. Vor ihm steht ein Bildschirm, auf dem ein 3D-Modell des Palastes abgebildet ist. Von hier aus kann er das gesamte Gebäude überwachen und jeden der insgesamt 12.000 Brandmelder lokalisieren. Wird über das Ticketsystem ein Problem gemeldet, können die Service-Ingenieure den entsprechenden Standort aufrufen und zu ihrem Einsatz ausrücken.

„Als ich meiner Familie erzählt habe, dass ich jetzt im Parlament arbeite, hielten sie das erst für einen Scherz“, erinnert sich der gelernte Elektriker. Schließlich ist das Gebäude eines der Wahrzeichen des Landes. Der Elizabeth Tower, auch bekannt als Big Ben, ist eines der bekanntesten Postkartenmotive. „Wir sind sehr stolz darauf, für die Entwicklung und Aktualisierung der Sicherheitslösungen für den gesamten Westminster-Bereich verantwortlich zu sein“, sagt Richard Heaton, der beim Systemintegrator Protec das Projekt verantwortet. „Im hektischen Alltag vergisst man manchmal, welch wichtige Rolle der Palast in der Geschichte Englands spielt.“

Im Aufzug der Queen  

Durch die prunkvollen, roten Korridore der House of Lords, des Oberhauses des britischen Parlaments, zu spazieren, mit demselben Aufzug zu fahren, der sonst der britischen Monarchin vorbehalten war oder in der Westminster Hall auf den Spuren großer Politiker zu wandeln – für Reece Haughey gehört das mittlerweile zum Alltag. Der 31-Jährige arbeitet schon sein halbes Leben hier. Mit 16 Jahren fing er als Service-Ingenieur im Westminster an. Ab 2018 wurde er von Protec als Mitarbeiter übernommen. „Auch wenn ich das Gebäude nach 15 Jahren sehr gut kenne, lerne ich bei meinen Einsätzen immer noch neue Orte kennen“, erzählt er. 

Mehr als 1100 Räume gibt es im Palast. Wer als Service-Ingenieur hier anfängt, braucht also einen guten Orientierungssinn. Die vielen Gänge und Gebäudeteile gleichen einem Labyrinth. Lucy Kolling gehört seit einem Jahr zum Protec-Team. „Als neue Mitarbeiterin bin ich für die Wartung aller Brandmeldeanlagen zuständig“, sagt die 23-Jährige. „Bei 12.000 Brandmeldern hat das den Vorteil, dass ich alle Gebäudeteile kennenlerne.“

Lucy Kolling auf den Spuren großer Berühmtheiten: In der Westminster Hall...
Lucy Kolling auf den Spuren großer Berühmtheiten: In der Westminster Hall erwiesen die Menschen der verstorbenen Königin Elisabeth II. die letzte Ehre.
© Bosch

Zwischen Weltkulturerbe und ­innovativer Technik

Neben den Brandmeldern gehören auch Sprinkler- und Wassernebelanlagen, Trockensteigleitungen, Löschanlagen und Handfeuerlöscher zum Portfolio von Protec. Ebenso eine Sprachalarmierungsanlage, die ein Netzwerk aus 20 Schaltschränken umfasst. Darüber hinaus wurde an speziell gekennzeichneten Stellen ein Notfall-Sprachkommunikationssystem installiert. Im Evakuierungsfall können die Menschen an diesen Sammelpunkten über eine Gegensprechanlage mit der Leitstelle kommunizieren und so den Rettungskräften ihren Standort mitteilen.

Das Besondere an der Technik: Sie ist unsichtbar. Da der Palast ein Weltkulturerbe ist und die Gebäudeteile aus verschiedenen Epochen stammen, fügt sich die Sicherheitstechnik unauffällig in die historischen Gemäuer ein. Lucy Kolling demonstriert das anhand von fünf Brandmeldern, die sie auf den Tisch legt: Sie sind rot, weiß und in verschiedenen Brauntönen gehalten. „Im Westminster arbeiten wir eng mit einem so genannten Heritage-Team zusammen, das alle unsere Entwürfe prüft und zum Beispiel vorgibt, in welchen Farben wir unsere Produkte lackieren müssen, damit sie sich harmonisch in das Gebäude integrieren“, erklärt Steve Blackmore, der das Protec-Team vor Ort leitet.

Jeder Tag sei eine neue Herausforderung, sagt Blackmore. Neben den baulichen Anforderungen gilt es, auch den laufenden Betrieb zu berücksichtigen. Die Parlamentssitzungen gehen teilweise bis spät in die Nacht. „Dann müssen wir flexibel sein“, sagt Lucy Kolling. „Dafür bringt mich mein Beruf an Orte, die ich so nie kennengelernt hätte. Zum Beispiel als ich für einen Einsatz im Big Ben war und den Palast aus einer ganz anderen Perspektive sehen konnte.“ Ihre Feuertaufe erlebte die Service-Ingenieurin Ende vergangenen Jahres, als König Charles III. zum ersten Mal als neues Staatsoberhaupt die Parlamentseröffnung leitete. „Unabhängig davon, wie lange man schon hier arbeitet“, sagt Blackmore. „Solche Momente bleiben einzigartig und ich bin immer wieder stolz auf die großartige Arbeit unseres Teams.“

Die Sicherheitstechnik fügt sich dank farblicher Abstimmung unauffällig in...
Die Sicherheitstechnik fügt sich dank farblicher Abstimmung unauffällig in die historischen Gemäuer ein.
© Bosch

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