Sicherheit im öffentlichen Raum ist Sache der Gemeinschaft
Sicherheit im öffentlichen Raum ist Sache der Gemeinschaft. In der Öffentlichkeit begangene Straftaten werden von Fachleuten generell als „Straßenkriminalität“ bezeichnet. Das umfa...
Sicherheit im öffentlichen Raum ist Sache der Gemeinschaft. In der Öffentlichkeit begangene Straftaten werden von Fachleuten generell als „Straßenkriminalität“ bezeichnet. Das umfasst unter anderem den öffentlichen Nahverkehr, Bahnhöfe, Straßen, Plätze und Einkaufszentren. Sicherheitsmaßnahmen sind hier von besonderer Bedeutung, denn sie beeinflussen in starkem Maße das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Bleiben sie aus, können sie regelrechte Angsträume mit negativem Image schaffen. Delikte wie Raubüberfälle, sexuelle Übergriffe, Körperverletzungen, Taschendiebstähle, Diebstähle an, aus und von Kraftfahrzeugen, Einbrüche und Vandalismus im öffentlichen Raum sind erhebliche Belastungen des persönlichen Sicherheitsgefühls. Viele Städte und Gemeinden haben deshalb Maßnahmen ergriffen, um die Wohnqualität, die Attraktivität von Einkaufszentren, U-Bahnhöfen, Bussen, Bahnen und öffentlichen Plätzen zu verbessern. GIT SICHERHEIT untersucht dieses Deliktsfeld und versucht wirksame Präventionsmodelle aufzuzeigen.
Für die Beurteilung der aktuellen Kriminalitätslage, für wirksame Bekämpfungsstrategien und Prävention hat zunächst einmal die kriminalgeografische Auswertung große Relevanz für die Praxis. Die Straßenkriminalitätsdichte einer Stadt, eines Viertels oder einer Straße bestimmt deren Attraktivität. Die typische Straßenkriminalität umfasst laut polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) folgende Delikte:
- überfallartige Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen, Zuhälterei
- Überfälle auf Geld- und Werttransporte, räuberische Angriffe auf Kraftfahrer
- Handtaschenraub, Zechanschlussraub, sonstige Überfälle in der Öffentlichkeit
- Gefährliche und schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch
- vorsätzliche Sachbeschädigungen und Vandalismus im öffentlichen Bereich
Die PKS meldet davon jährlich ca. 1,5 Mio. Fälle mit einer Aufklärungsquote von lediglich 17,3 %. Nicht darin enthalten sind die Fälle von
- Rauschgiftkriminalität (ca. 255.000 Fälle)
- vorsätzlicher leichter Körperverletzung (ca. 360.000 Fälle)
- einfachem und schwerem Diebstahl (2,6 Mio. Fälle)
- vorsätzlicher Brandstiftung (ca. 12.500 Fälle) und
- andere schwere Straftaten, die sich größtenteils auch im öffentlichen Raum abspielen.
Bei denen jedoch bei der Erfassung nicht zwischen Straßenkriminalität und anderen Deliktsformen unterschieden wird. Bei diesen Fällen liegen die Aufklärungsquoten deliktspezifisch zwischen 14 % beim schweren Diebstahl, 38 % bei vorsätzlicher Brandstiftung, bis über 90 % bei Drogen- und Tötungsdelikten.
Täter und Opfer
Die meisten Tatverdächtigen sind männlich und nach polizeilichen Feststellungen jugendlich oder heranwachsend. Die Altersgruppe zwischen 14 und 21 Jahren ist im Vergleich zu ihrer Beteiligung an anderen Straftaten überrepräsentiert. Das gilt besonders für Handtaschenüberfälle, Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und Vandalismus. Beim Straßenraub sind außerdem viele Täter drogenabhängig oder handeln unter Alkoholeinfluss.
Dem Opfer, das vorher meist beim Geldabheben oder Bezahlen beobachtet wurde, wird die Handtasche entrissen und zu Fuß oder mit dem Fahrrad geflüchtet. Die Tasche wird nach wenigen Hundert Metern weggeworfen. Von den ca. 53.700 ermittelten tatverdächtigen Räubern waren ca. 10.600 zwischen 14 und 18 Jahre alt. Bei den ca. 761.000 ermittelten Tatverdächtigen wegen Sachbeschädigungen (Aufklärungsquote: 26 %) waren ca. 49.000 Tatverdächtige noch jugendlich.
Solche Erkenntnisse über die Tatverdächtigen liegen von den über 101.000 gemeldeten Fällen von Taschendiebstahl nicht vor. Hier ist auch naturgemäß von einem sehr großen Dunkelfeld auszugehen, weil das Opfer die Tat oft viel zu spät bemerkt und keine brauchbaren Hinweise auf mögliche Täter geben kann.
Trickdiebe und Straßenräuber
Beim klassischen Trickdiebstahl wird arbeitsteilig und professionell vorgegangen. Hier sind die Tatverdächtigen in der Mehrzahl weiblich und im Gegensatz zu früher oft noch sehr jung. Sie nutzen die Sorglosigkeit und das Gedränge in Fußgängerzonen, Bussen und Bahnen und Kaufhäusern aus. Ein „versehentlicher Stoß“, ein schneller Griff, ein kurzer Ruck und schon war der trainierte Griff in die Tasche erfolgreich. Die Beute – Bargeld und Scheckkarten – werden sofort an Komplizen weitergereicht, damit im Entdeckungsfall nichts Verdächtiges gefunden werden kann.
Beim Straßenraub muss es ebenso schnell gehen. Die Täter sind beweglich und flink, die Opfer meist älter und nicht gut zu Fuß. Das klassische Opfer für Straßenkriminalität gibt es nicht. Wegen der unterschiedlichen Begehungsweisen kann jeder zum Opfer werden. Ob weiblich oder männlich, Geschäftsinhaber, Geldbote, Tankwart oder Tourist, alle können durch bestimmte Umstände und entsprechendes Verhalten an bestimmten Orten, in tatbegünstigende Situationen kommen.
Durch präventives zielgruppenorientiertes Verhalten und Einsatz von Technik und Personal kann das Tatrisiko jedoch erheblich gesenkt werden.
Personal und (Video-)Technik
Sicherheit auf öffentlichen Plätzen, Straßen und Verkehrsmittel ist eine wichtige kommunalpolitische Aufgabe geworden, bei der zum Teil erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung zu stärken. Die wirkungsvolle Bekämpfung, Verdrängung und Verunsicherung der Täter, Veränderung von Tatgelegenheiten und Aufklärung potentieller Opfer ist ohne personellen und technischen Einsatz nicht möglich. In vielen deutschen Großstädten haben Schwerpunkt- und Bekämpfungsprogramme, Einsatz von Videotechnik, Aufstellen von Notrufsäulen, sichtbare Präsenz von Polizei und Sicherheitsdiensten sowie Sonderaktionen an Brennpunkten und im öffentlichen Personennahverkehr einen deutlichen Rückgang der Straßenkriminalität bewirkt.
Die moderne leistungsfähige intelligente Videotechnik hat durch spektakuläre Aufklärungserfolge und damit Verunsicherung der Täter einen großen Anteil an der Verbesserung der Sicherheitsstrukturen an Kriminalitätsbrennpunkten. Der richtige Einsatz dieser Technik zusammen mit Sicherheitspersonal ist sinnvoll und nötig, hilft auch dem Einzelhandel, Gastgewerbe und Tourismus. Gerade in großflächigen Einkaufszentren, die öffentlich zugängliches Privatgelände darstellen, sind kombinierte Sicherheitsmaßnahmen aus Technik und Personal unabdingbar.
Das Gleiche gilt für Bahnhöfe, U-Bahnanlagen und den öffentlichen Personennahverkehr. Zahlreiche Beispiele in deutschen Großstädten zeigen, dass die richtige Kombination aus städtebaulichen, technischen und personellen Maßnahmen die lästige Straßenkriminalität nachhaltig verdrängen kann. Auch die Angst, dass sich diese Kriminalitätsformen nur um ein paar Straßenecken verlagern, hat sich in den meisten Fällen nicht bestätigt.
Null Toleranz – eine Strategie aus den USA
Die Diskussion um Sicherheit und Sauberkeit wurde ausgelöst durch die Nulltoleranzstrategie („Zero Tolerance“). Das ist eine in den USA vom Manhattan Institut for Policy Research entwickelte Bezeichnung für ein konsequentes Durchgreifen und entsprechende Rechtsauslegung, um der Verwahrlosung und der Kriminalität in amerikanischen Großstädten zu begegnen. Grundlage dieser Maßnahmen ist die Broken-Windows-Theorie.
Nach den Neuwahlen des Bürgermeisters 1993 in New York setzte Rudolph Giuliani als Commissioner der New Yorker Polizei William Bratton ein, der diese Zero-Tolerance Strategie erfolgreich durchführte. Heute geht es in Abwandlung dieser Theorie bei uns in der Hauptsache um Sauberkeit, Verhinderung, Beseitigung und Bekämpfung von Schmierereien, Verdrängung der Rauschgiftszene, der Bettelei, öffentlichen Alkoholkonsum und um Präsenz der Polizei.
Sinnvoll ist außerdem:
- Konsequente Reinigung der öffentlich zugänglichen Bereiche
- Überwachung der Funktionsfähigkeit der Straßenbeleuchtung
- eine Städte- und Bauplanung, die soziale Brennpunkte vermeidet und
- Angsträume verhindert, wie z. B. schwer einsehbare Unterführungen
Das Ganze geht einher mit
- Verschönerung der Stadtbilder, Bepflanzung, Beleuchtung und Möblierung von Straßen und Plätzen, aber auch
- mit Verbesserung der Anzeigebereitschaft
- Straffung der Strafverfolgung und
- sofortiger Beseitigung der sichtbaren Schäden.
Damit sinkt die Kriminalität drastisch, der Publikumsverkehr nimmt spürbar zu und es entsteht ein deutlich höherer Wohlfühlfaktor mit einer Verbesserung des subjektiven Sicherheitsgefühls.
Hinsehen und Melden
Durch konsequente Verfolgung polizeilicher Konzepte sowie durch breit gefächerte Präventionsarbeit konnte die Kriminalitätslage in vielen deutschen Städten verbessert werden. So wurden zum Beispiel in Berlin und anderen Großstädten mit Bus- und Bahnfahrern erfolgreich Anti-Aggressions-Seminare durchgeführt und angemessene Verhaltensweisen gegenüber gewalttätigen Fahrgästen geübt.
Prävention kommt vom lateinischen Wort praevenire – das heißt zuvorkommen. So steht z. B. als aktueller Arbeitschwerpunkt Gewaltprävention im Mittelpunkt der Arbeit der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK). Ziel ist es, Kräfte zu bündeln, Wissen zu vermitteln und Netzwerke zu schaffen. Sie sollen darauf ausgerichtet sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, die unseren Kindern ein selbstbestimmtes, gewaltfreies und gesundes Leben ermöglichen.
Es gilt daher, Interessensträger und Akteure die diese Anliegen verfolgen, zusammenzubringen. Das DFK will so eine Kultur des Hinsehens, des frühzeitigen Erkennens von Auffälligkeiten und der Hilfe fördern, um Gewalttaten zu verhindern. Internationale Forschungsergebnisse belegen, dass die frühkindliche Entwicklung einen wesentlichen Einfluss auf die weitere Entwicklung eines Menschen hat.
Beeinflussung vor Ort
Dennoch ist es zusätzlich nötig, durch permanente Kontrollen und zielorientierte nachhaltige Maßnahmen an ausgewiesenen Örtlichkeiten das aktuelle Kriminalitätsgeschehen zu beeinflussen und damit auch für Aufhellung und Verunsicherung in der kriminellen Szene zu sorgen. Durch gezielte Ansprache von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bei Aktionstagen, öffentlichen Vortrags- und Informationsveranstaltungen, durch aufsuchende kriminalpolizeiliche Beratung sowie aktive Pressearbeit können die polizeilichen Präventionskonzepte umgesetzt werden.
Ein weiterer bedeutender Beitrag zur Kriminalitätsverhinderung ist neben der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung das vorausschauende Verhalten des Einzelnen. Dazu gehört es, hinzusehen und zu melden sowie in manchen Fällen auch das Stellung beziehen und Einschreiten, jedoch ohne persönliches Heldentum. Mit erprobten Präventionskonzepten, Präventionsnetzwerken, moderner Technik, notwendiger Polizeipräsenz, Einsatz von Sicherheitsdienstleistern und etwas Zivilcourage können wir gemeinsam die nötige Sicherheit im öffentlichen Raum schaffen.
Dipl.-Verw. Heiner Jerofsky
Kriminalrat a. D.