Videotechnik: HD per IP-Technik oder HD-SDI – oder lieber analog bleiben?
Modernste IP-Videotechnik spielte die glanzvolle Hauptrolle auf dem Everfocus-Stand in Essen - vor allem mit den Megapixel-Stars der neuen NevioHD-Serie. Ebenfalls auf der Besetzu...
Modernste IP-Videotechnik spielte die glanzvolle Hauptrolle auf dem Everfocus-Stand in Essen - vor allem mit den Megapixel-Stars der neuen NevioHD-Serie. Ebenfalls auf der Besetzungsliste: Die neueste Generation der HD-SDI-Technik sowie - in einer viel beachteten Nebenrolle - jüngste Erweiterungen des klassischen analogen Produktportfolios. Matthias Erler von GIT-SICHERHEIT.de sprach mit Dirk Reinders, Geschäftsführer Everfocus.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Reinders, lassen Sie uns mit Ihrer Präsenz auf der Security in Essen beginnen - der Andrang auf Ihrem Stand war ja erkennbar groß?
Dirk Reinders: Das Interesse war wirklich groß - und zwar insbesondere auch an unseren HD-SDI-Produkten, die vor zwei Jahren erst nur wohlwollend und allenfalls als „Übergangstechnik" zur Kenntnis genommen wurden. Jetzt ziehen viele bei dem Thema nach, und die Akzeptanz ist gestiegen. Im Vordergrund steht bei uns allerdings auch auf der Security natürlich die maßgebliche Zukunftstechnologie HD-IP.
Geben Sie uns einen Überblick über Ihre Schwerpunkte auf der Messe?
Dirk Reinders: Im Bereich HD-IP zeigten wir unsere Nevio IP-Produktreihe aus innovativen Box-, Dome-, Bullet- und Speed-Dome-Megapixel-Kameras. Sie decken ein breites Anwendungsprogramm ab und unterstützen sämtlich H.264- und MJPEG-Kompressionsformate, bieten PoE- und SDHC-Kartensupport und Wide Dynamic Range (WDR). Die Dome-Modelle unterstützen die P-Iris-Objektivsteuerungsfunktion zur genauen Steuerung der Kamerablende: Sie verbessert die Kontrolle über das Kamerabild, vergrößert die Schärfentiefe, verbessert den Kontrast und führt insgesamt zu mehr Bildschärfe und Bildklarheit. Sämtliche Produkte sind Onvif- und PSIA-konform und kompatibel mit vielen Videoprodukten anderer Hersteller. Ebenfalls im Bereich HD-IP zu sehen waren die CMS-Suite Powervideo Plus und kleine, kompakte 2- bis 16-Kanal NVRs sowie die Netzwerkvideorekorder der ENR-Serie mit erweiterten Features wie z. B. Tribrid (SD, HD-SDI, HD-IP), bis hin zum NVR Modell Commander, der bis zu 64x 5MP Netzwerkkameras unterstützt.
Sie erwähnten eingangs schon die SDI-Technologie. Was gab es hier und im ja ebenfalls noch präsenten Analog-Bereich zu sehen?
Dirk Reinders: Was das HD-SDI-Portfolio betrifft, haben wir neue Box- und Bulletkameras mit verbessertem Dynamikverhalten gezeigt. Außerdem eine kompakte und preisgünstige Serie von Box-, Bullet- und Domekameras sowie Speed-Domes sowie - ergänzend zu unseren Hybrid 4H4- und 2H14- und 8-Kanal-HD-SDI-Rekordern - den EPHD04 als Echtzeit-4-Kanal HD-SDI-Modell. Damit sind wir in der Lage, eine attraktive HD-Lösung für klassische Analog-SD-Anwendungen bereitzustellen. Was das Analoge betrifft: Hier gab es eine neu überarbeitete Kameraserie mit 960H-Exview-HAD-CCD-II-Sensor - auf Basis der Sony Effio-Plattform. Außerdem einen 16:9-Monitor in 24'' im Metallgehäuse.
Nimmt die Bedeutung der analogen Technik nicht immer stärker ab?
Dirk Reinders: Die Wurzeln unseres Unternehmens liegen in der analogen Videotechnik; diese werden wir so schnell auch nicht abschneiden. Somit wird das analoge SD-Geschäft bei uns auch in Zukunft eine erhebliche Rolle spielen. Trotzdem darf man die stetig sinkende Nachfrage nach SD-Lösungen nicht ausblenden. Die Kunden erwarten eine Bildauflösung, die sich im Megapixel-Bereich bewegt - das kennen sie aus ihrem privaten Bereich vom Fernsehen und der Fotografie: Sie haben sich an diese HD-Bilder gewöhnt. Daher ist die HD-Technik auch für uns die schwerpunktmäßige Ausrichtung. Um den Kunden nicht nur eine Möglichkeit zu bieten, verfolgen wir zwei technologische Ansätze: Video über Koax: HD-SDI (HDcctv) sowie Video über Netzwerk: HD-IP (unsere Nevio IP-Serie).
Was macht die HD-SDI-Technik in der Videoüberwachungstechnik für Everfocus eigentlich attraktiv?
Dirk Reinders: Wir beschäftigen uns ja bereits seit etwa drei Jahren mit dieser Idee, um damit den Weg zur HD-Technologie für Kunden zu öffnen, die keine IP-Infrastruktur aufbauen wollen oder können. Nicht jedem Errichter ist dies gegeben. Unser Interesse lag nicht darin, HD-SDI als technische Alternative zu IP aufzubauen, die zweifellos die Technologie der Zukunft darstellt, sondern als zeitgemäße Alternative zum Analogen. Uns geht es darum, auf die noch reichlich vorhandene Koax-basierende analoge Technik aufsetzen zu können - und hier sehen wir uns als Pioniere. Vielen kleineren Anwendern - von der Tankstelle bis zum Sonnenstudio - kommt das sehr entgegen. Auch sie wollen James-Bond-Technik, auch sie wollen von den extrem scharfen HD-Bildern profitieren, in die man hineinzoomen kann und die genau die Details sichtbar machen, die der Anwender sehen will.
Dabei denken Sie auch an die Errichter?
Dirk Reinders: Ja. Auch unter den Errichtern gibt es nicht nur die IP-affine junge Generation, sondern auch solche, die mit der Analog-Technik aufgewachsen sind und dennoch hochmoderne Systeme anbieten wollen. Statt eine Netzwerkinfrastruktur aufzubauen, können sie - unter der Voraussetzung, dass die Systemanforderungen hinsichtlich Kabeldämpfung/Kabellänge erfüllt sind - die vorhandenen Kabel verwenden und bekommen neue Rekorder mit einer Software, deren Benutzeroberfläche ihnen vom analogen System her bis ins Detail vertraut ist - von der Optik bis zur Tastenbelegung. Eine Motivation für HD-SDI ist natürlich auch der Investitionsschutz für ihre Kabel- und Gerätetechnik.
Welche weiteren technischen Vorzüge von HD-SDI sehen Sie?
Dirk Reinders: Vorteile sind zunächst einmal der geringe Schulungsaufwand sowie vor allem die nahezu latenzfreie Übertragung von Videobildern: Das ist ein erheblicher Vorteil bei beweglichen Kameras. Auch Kabeldistanzen von 180 Metern sind mit unserem HDcctv-Koaxkabel kein Problem. Dies haben wir auf der Messe auch anhand einer Kabelrolle praktisch demonstriert. Uns begegnen auch Einschränkungen, wo der Einsatz von Netzwerkkameras im Außenbereich von öffentlichen Gebäuden sowie Behörden untersagt ist. Hier ist HD-SDI die optimale Alternative, um HD-Videosysteme zu betreiben. Derzeit mag es zwar noch nicht die Anzahl Systemkomponenten für HD-SDI geben wie bei der IP- und SD-Technik, aber auch hier wird stetig weiterentwickelt, sodass sich diese Lücken entsprechend schließen werden.
Auch ein Technologie-Mix ist ja möglich?
Dirk Reinders: Wie bieten auch modulare Systeme, mit denen man SD-Analog sowie HD-SDI und HD-IP in einem Aufnahmesystem kombinieren kann. Gerade bei größeren Migrationsprojekten, bei denen vorhandene hochwertige Geräte integriert werden sollen, können wir Analog-, HD-SDI- und IP-Signale gleichermaßen verarbeiten.
Wie wird sich der Markt analoger, Koax- und IP-Technologie nach Ihrer Einschätzung in der nächsten Zeit proportional entwickeln?
Dirk Reinders: Technologisch und mengenmäßig geht die Reise, wie gesagt, ganz ohne Frage Richtung IP. Auch wir investieren ja sehr stark in die Entwicklung in diesem Bereich. Ich glaube aber nicht, dass die IP-Technik so schnell hundert Prozent des Marktes abdecken wird. Die analoge Technik wird in ihrer Bedeutung nach und nach abnehmen - wie schnell das geht, kann allerdings niemand genau sagen. Wir werden aber sicher überrascht sein, wie viel sich davon noch länger hält. Die IP-Technik ist eben sehr flexibel, auch wenn oft gar nicht unbedingt klar ist, wie notwendig das ist. Wie oft konfiguriert man seine Kameras schon neu? Was HD-SDI betrifft, so wird sie aus unserer Sicht einen zwar begrenzten, aber doch stabilen Platz in der Videoüberwachungstechnik einnehmen.
Der Zugang zur IP-Technologie ist wohl nicht zuletzt eine Generationenfrage?
Dirk Reinders: Das ist sicher richtig. Heute ist schließlich alles netzwerkfähig, und die jüngeren und noch nachkommenden Generationen sind entsprechend IP-affin. Die Vernetzung ist einfach der Lauf der Welt, was ja auch im Privaten gilt. IP-Video ist weltweit auf dem Vormarsch.
Wie sieht es generell mit den Kosten aus?
Dirk Reinders: Bei uns ist HD-SDI-Technik tendenziell sogar günstiger als IP. Wir bieten gleichwohl sehr ökonomische Kameras und Geräte aus beiden Produktreihen. Bei der Entscheidung kommt es jedoch nicht nur auf die Kosten an, sondern zum Beispiel auch auf den Projektumfang. Darüber hinaus aber auch auf die derzeit am Markt verfügbaren Komponenten aus beiden Technologien. Weitere Kriterien sind die bereits vorhandene Infrastruktur und inwieweit eine Anlage erweiterbar sein soll.
Herr Reinders, lassen Sie uns zum Schluss noch ein wenig in die Zukunft von Everfocus blicken. Wie sehen Sie Ihre Positionierung im Gesamtmarkt der Videoüberwachung - und in welche Richtung möchten Sie sie weiterentwickeln?
Dirk Reinders: Wir sehen uns weiterhin als Anbieter für das mittlere Preissegment mit maximaler Qualität. Everfocus ist weltweit tätig mit Niederlassungen in USA, Deutschland, UK, Indien, Japan, China und Hauptsitz in Taiwan. Diese internationale Ausrichtung ist für uns Herausforderung und Vorteil zugleich. Wir sind miteinander eng vernetzt und jederzeit in der Lage, diese weltweite Kompetenz im Sinne unserer Kunden zu nutzen und umzusetzen. Was die Positionierung im Markt angeht: Wir wollen im Schwerpunkt die Marke Everfocus als System- und Komponentenanbieter von IP-Lösungen weiter ausbauen. Daneben positionieren wir uns als Anbieter von kostengünstigen Alternativen zum analogen Geschäft unter Einsatz von HD-SDI-Produkten. Geografisch gesehen, liegt der Schwerpunkt von Everfocus Deutschland dabei auf den westeuropäischen Länder wie den DACH- und Benelux-Staaten (unsere Home-Markets), Skandinavien und Frankreich - nicht zuletzt aufgrund der vorhandenen sprachlichen Kompetenz an unserem Standort in Emmerich am Rhein.
Besten Dank für das Gespräch, Herr Reinders.