12.02.2021 • Topstory

VIP-Interview: Prof. Dr. Arno Weber, VDSI

In jeder Ausgabe Ihrer GIT SICHERHEIT bitten wir wichtige Personen, Entscheider, Menschen aus der Sicherheitsbranche, auf unserer VIP-Couch Platz zu nehmen.

Prof. Dr. Arno Weber - Foto: VDSI
Prof. Dr. Arno Weber - Foto: VDSI

In GIT SICHERHEIT 1-2/2021 zu Gast:

Prof. Dr. Arno Weber


Professor für Arbeits- und Gesundheitsschutz an der Hochschule Furtwangen & Vorstandsvorsitzender des VDSI – Verband für Sicherheit, Gesundheit und Umweltschutz bei der Arbeit e.V.

  • Jahrgang 1965

  • 1984-1994 Studium der Chemie (Diplom + Promotion) an der Universität Erlangen-Nürnberg

  • 1995-1996 Weiterbildung zum „Europäischen Sicherheits- und Qualitätsmanager“ in Saarbrücken

  • Seit 1995 diverse Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen

  • Seit 1997 selbstständig als freiberufliche Fachkraft für Arbeitssicherheit (Nürnberg), daneben Dozententätigkeiten bei Handwerkskammern und Unfallversicherungsträgern

  • Seit 2004 Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des VDSI, seit 2019 Vorsitzender

  • 2014 Berufung an die Hochschule Furtwangen für den Studiengang Security & Safety Engineering

  • 2019 stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Betriebssicherheit

 

Ihr Berufswunsch mit 20 war: 
Chemiker – das habe ich zu dem Zeitpunkt auch schon studiert.

Was hat Sie dazu bewogen, eine Aufgabe im Bereich Sicherheit zu übernehmen? 
Während der Promotion kam mein damaliger Doktorvater auf mich zu, ob ich mich nicht um die Umsetzung der Gefahrstoffverordnung an unserem Institut kümmern könnte. Arbeitsschutzvorschriften waren damals für Universitäten noch weitgehend Neuland. Ich fand damals die Kombination aus Chemie und (Labor-)Sicherheit ein unwahrscheinlich spannendes Feld, bei dem man auch etwas „Gutes“ für die Beteiligten tun konnte. Deshalb habe ich meine Weiterbildung entsprechend ausgerichtet.

Welche sicherheitspolitische Entscheidung oder welches Projekt sollte Ihrer Meinung nach schon längst umgesetzt sein? 
Führungskräfte und Unternehmer sollten auf verschiedenen Ebenen noch besser geschult und sensibilisiert werden. Es muss ein größeres Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sie die Verantwortung für Mitarbeiter tragen und Fachexperten, wie z. B. Fachkräfte für Arbeitssicherheit, ihnen dabei zur Seite stehen. 
Im Detail gibt es aber noch einiges mehr, was verbessert werden kann. Verbot von sicherheitstechnischer Betreuung zu Dumping-Preisen, Gleichbehandlung interner und externer Fachkräfte für Arbeitssicherheit in Weiterbildungs- und Haftungsfragen, Homogenität bei Anerkennung und Branchenwechsel von Fachkräften für Arbeitssicherheit und der Lehrgangsträger zur sicherheitstechnischen Fachkunde, Ausweitung der sicherheitstechnischen Betreuung auch auf Schüler/innen, Studierende, ehrenamtliche Feuerwehren und Rettungsdienste, etc.

Ein Erfolg, den Sie kürzlich errungen haben, war: 
Ich bin seit März letzten Jahres in den hochschulinternen Corona-Leitungsstab mit eingebunden. Ich glaube, was wir dort gemeinschaftlich und interdisziplinär erarbeitet und geleistet haben, kann sich durchaus sehen lassen. Meine Bewunderung gilt hier unserem Rektor und unserer Kanzlerin, die beide sehr offen für die Anregungen und Vorschläge des gesamten Stabs waren. Ich betrachte daher nicht nur die Ergebnisse als Erfolg, sondern auch die Art des miteinander Zusammenwirkens.

Welche Reform bewundern Sie am meisten? 
Die Einführung der Sozialversicherung im Allgemeinen und der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Haftungsablösung ist sicher eine der größten und weitsichtigsten Errungenschaften, die es bei uns gesamtgesellschaftlich gab. Ich glaube, dass sich viele Unternehmer und auch Versicherte gar nicht mehr bewusst sind, in welchem Luxus wir hier leben. 

Wer hat Ihrer Meinung nach eine Auszeichnung verdient?
Die vielen Sicherheitsmeister, -techniker und -ingenieure, die sich tagtäglich darum bemühen, dass jeder sicher und gesund wieder nach Hause gehen kann.
Und die vielen Friedensaktivisten und Antifaschisten, die uns stets daran erinnern, dass Verleumdung, Fake-News, Hetze, Hass, Gewalt, Krieg etc. der falsche Weg sind und man aktiv dagegen vorgehen muss.

Worüber können Sie sich freuen? 
Dass ich jetzt gleich mit meiner Lebenspartnerin einen schönen Schneespaziergang machen werde.

Wobei entspannen Sie?
Beim Wandern, Spazieren, Zeitunglesen und manchmal auch mit der Modellbahn.

Welchen Urlaubsort können Sie empfehlen?
Das könnte ich ja jetzt für mich behalten, sonst ist es mit der Ruhe vorbei … aber Spaß beiseite: Das Allgäu ist traumhaft schön, insbesondere die Ecke um den Grünten.

Wie würde ein guter Freund Sie charakterisieren?
Fragen Sie meine Freunde. Ich bin da befangen.

Welche Zeitschriften lesen Sie regelmäßig?
GIT SICHERHEIT, Sicherheitsingenieur, Sicher ist Sicher, VDSI aktuell, Zeitschriften der Unfallversicherungsträger, Nachrichten aus der Chemie, Süddeutsche Zeitung, Märklin Magazin, … (bestimmt habe ich jetzt was vergessen)

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
Beruflich: die neuen Veröffentlichungen und Urteilsbesprechungen von Thomas Wilrich rund um das Thema Arbeitsschutzverantwortung.
Privat, bitte nicht lachen: „Latte Igel und der Wasserstein“ (ist eigentlich ein Buch aus meiner Kindheit)

Die beste Erfindung im Bereich Sicherheit ist Ihrer Meinung nach: 
Die Erkenntnis, dass man aktiv etwas gegen Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen tun und darüber hinaus auch immer besser werden kann.

Welche Musik hören Sie am liebsten?
Hauptsächlich aus den 80er-Jahren – ist aber vollkommen kunterbunt gemixt.

Was motiviert Sie?
Wenn man etwas Gutes für andere tun kann, wenn man dazugehörige Projekte vorwärts bekommt und ein Ziel erreichen kann. Es ist total nervig, wenn man sich fünfmal im Kreis dreht und sich dann doch nichts tut.

Worüber machen Sie sich Sorgen?
Über Fake News, aufkommende rechtsradikale Strömungen und deren Rädelsführer, die mittlerweile auch in den Parlamenten sitzen, Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker. Wir haben eine der fortschrittlichsten Demokratien der Welt und dass das von einigen nicht erkannt wird, stimmt bedenklich.
Ich mache mir Sorgen darüber, dass der Verteidigungshaushalt aufgrund einer vollkommen abstrusen Logik immer weiter steigt, während wir dringend das Geld im Gesundheitswesen, der Bildung und der Bekämpfung von Fluchtursachen benötigen.
Ich mache mir auch Gedanken darüber, wie wir Studierenden trotz der derzeitigen Corona-Bedingungen ein gutes Studium bieten können.
Und ich sehe die vielen Studierenden, Gastronomen, Veranstaltungsfirmen, Bildungsinstitute, Kulturschaffende, die derzeit keine Arbeit haben oder um Ihre Existenz bangen. Von den Flüchtlingen in den überfüllten Lagern ganz zu schweigen. Wir müssen uns nicht nur gedanklich, sondern auch materiell solidarisch zeigen.
Es gibt also viel zu tun.

Die beste Erfindung im Bereich Sicherheit ist Ihrer Meinung nach:
Die Erkenntnis, dass man aktiv etwas gegen Unfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen tun kann und darüber hinaus auch immer besser werden kann.

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung ist:
Hoffnungsvoll.

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