Vom Hersteller zum Lösungsanbieter

Die Schmersal Gruppe baut ihr Dienstleistungsangebot rund um die Maschinensicherheit aus - die neuen Safety Consultants wurden bereits intensiv geschult. Uwe Wiemer, ­Leiter des Ap...

Uwe Wiemer, Leiter des Application Centers der K.A. Schmersal GmbH
Uwe Wiemer, Leiter des Application Centers der K.A. Schmersal GmbH

Die Schmersal Gruppe baut ihr Dienstleistungsangebot rund um die Maschinensicherheit aus - die neuen Safety Consultants wurden bereits intensiv geschult. Uwe Wiemer, ­Leiter des Application Centers der K.A. Schmersal GmbH, gibt Auskunft über die Ziele, die die Schmersal Gruppe im Dienstleistungsgeschäft verfolgt.


GIT-SICHERHEIT.de: Herr Wiemer, die Botschaft, die Sie erstmals Ende vergangenen Jahres auf der SPS/IPC/Drives kommunizierten, war deutlich: Die Schmersal Gruppe wird ihr Dienstleistungs-Angebot ausbauen. Vor wenigen Wochen haben sie das auf der Hannover Messe 2010 konkretisiert und Ihre Safety Consultants vorgestellt. Warum wollen Sie diesen Bereich verstärken?

U. Wiemer: Wir sehen, dass die Maschinensicherheit immer komplexer wird. Das ist zum Einen in der Normenlage begründet, zum Anderen aber auch darin, dass die Elektronik - genauer gesagt: die programmierbaren elektronischen Systeme - Einzug in die Sicherheitstechnik halten und der Maschinenbauer dadurch mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat. Zudem hören wir von vielen Kunden, dass sie Aufgabenstellungen wie die Konfiguration von normengerechten Sicherheitssystemen an Experten delegieren möchten, die für diese Aufgabe auch die volle Verantwortung übernehmen. Hier sehen wir eine logische Erweiterung unserer Tätigkeit zum Nutzen unserer Kunden. Deshalb haben wir den Ausbau des Dienstleistungsgeschäftes in mehreren Schritten vorgesehen und setzen diese Strategie nun seit Ende vergangenen Jahres Schritt für Schritt um.

In der Vergangenheit haben Sie ja Ihre Kunden auch schon beraten. Was ändert sich nun konkret?

U. Wiemer: Richtig ist, dass wir unsere Kunden seit jeher sehr umfassend beraten. Unsere Vertriebsingenieure vor Ort - allein in Deutschland sind es rund dreißig - bringen nicht nur Produktkompetenz mit. Sie kennen sich auch in der Normenwelt aus und können bei sehr komplexen Fragestellungen praxisgerechte Antworten geben. Dabei werden sie auf der Produktebene auch von den Produktmanagern in Wuppertal und Wettenberg unterstützt. Bisher erledigte unser Außendienst seine Beratungstätigkeit aber neben anderen Aufgaben wie z. B. der Akquise von Neukunden. Nun wird es Spezialisten geben, die sich ausschließlich der Beratung widmen.

Wie werden diese Berater qualifiziert sein?

U. Wiemer: Unsere Safety Consultants bringen natürlich langjährige Erfahrung in der Maschinensicherheit, in der Kundenberatung und im „Application Engineering" mit. Darüber hinaus wurden bzw. werden sie als Maschinensicherheits-Experten qualifiziert und zertifiziert.

Ab wann stehen diese Berater und somit auch ihre Dienstleistungen zur Verfügung?

U. Wiemer: Ab sofort. Auf der Hannover Messe 2010 haben wir die Dienstleistungen, die die ­Safety Consultants anbieten, erstmals vorgestellt.

Wieviele Consultants werden es sein?

U. Wiemer: Im ersten Schritt betreuen drei Safety Consultants die Kunden in Deutschland. Auch in Belgien, Frankreich und Österreich sowie in den Niederlanden und der Schweiz sind bereits zertifizierte Safety Consultants tätig. In anderen Ländern - z. B. in China, Großbritannien, Schweden und den USA - gehen wir etwas zeitversetzt, aber nach dem gleichen Konzept vor. Dort werden die Consultants im September 2010 qualifiziert.

Können Sie konkrete Beispiele für Aufgaben nennen, die die Safety Consultants lösen werden?

U. Wiemer: Unsere Safety Consultants werden sich vorwiegend mit den quasi alltäglichen sicherheitstechnischen Aufgaben des Maschinen- und Anlagenbaus befassen - z. B. mit der Frage, welche Art von Sicherheitssystem man einsetzt, wie man es in die Steuerung und die Funktionalitäten der Maschine einbindet und wie man die programmierbaren elektronischen Sicherheitssysteme so konfiguriert, dass sie die Anforderungen an die Sicherheit, aber auch an die Produktivität der Maschine bestmöglich erfüllen. Aus unserer Praxis wissen wir, dass häufig Fragen zur CE-Kennzeichnung und zur Risikoanalyse gestellt werden. Darauf sind wir vorbereitet. Auch die Ermittlung des erforderlichen Performance Levels nach EN ISO 13849-1 sowie die Berechnung des tatsächlichen Performance Levels des ausgewählten Sicherheitssystems gehört zu den Aufgaben, die die Safety Consultants für unsere Kunden lösen.

Benötigt man hierzu externe Hilfe? Es wird ja oft gesagt, dass die normenkonforme Auswahl von Sicherheitsschaltsystemen keine „höhere Mathematik" verlangt und in wenigen Schritten zu erledigen ist.

U. Wiemer: Prinzipiell stimmt das auch. Aber in der Praxis tauchen immer wieder Fragen auf, die ohne Expertise nicht eindeutig zu beantworten sind.

Zum Beispiel?

U. Wiemer: Oft gestellt wird z. B. die Frage, wie man die Bewertung der Sicherheitsfunktion nach EN ISO 13849-1 durch eine sinnvolle Aufteilung in Subsysteme vereinfachen kann. Bei solchen Fragen verfügen unsere Safety Consultants über die Erfahrung, praxisgerechte Lösungen vorzuschlagen. Dabei nutzen sie - wenn nötig - die Sistema-Software und leisten bei Bedarf auch Unterstützung bei der Anwendung dieser Software. Auf der Hannover Messe 2010 und auch schon bei der SPS/IPC/Drives haben wir Beratung zu Sistema angeboten und festgestellt, dass hier großer Bedarf besteht.

Mit dem Safety Consulting stehen Sie im Wettbewerb zu anderen Anbietern. Warum sollte sich ein Maschinen- und Anlagenbauer oder auch ein Anwender für Schmersal entscheiden?

U. Wiemer: Als einer der weltweiten Marktführer bei Sicherheits-Schaltsystemen verfügen wir über umfassendes, sehr praxisbezogenes Know-how. Und durch die Mitarbeit in verschiedenen Normungsgremien bringen wir auch den theoretischen „Background" mit, den man für die Konfiguration von normenkonformen Schutzeinrichtungen benötigt.

Um wirklich unabhängige Consulting-Dienstleistungen anzubieten, müssten Sie über Ihr ­eigenes Produkt-­Portfolio hinausgehen und
z. B. - wenn der Kunde es wünscht - Komponenten des Wettbewerbs einbeziehen oder auch ganz andere sicherheitsgerichtete Technologien wie z. B. hydraulische Bremssysteme einsetzen, die Sie gar nicht anbieten. Gehört dies zu Ihrem Konzept?

U. Wiemer: Genau das ist unser Ansatz, und genau so wünschen die Kunden es auch: Sie suchen nach zentralen Ansprechpartnern in Sachen Maschinensicherheit, die hersteller- und technologieunabhängig denken. Das ist der zweite Schritt, den wir vollziehen werden, nachdem sich unser Safety Consulting etabliert hat. Wenn ein Kunde dann bspw. die Aufgabe stellt, eine hydraulische Pressenabsicherung in das Sicherheitskonzept zu integrieren oder unsere Sicherheits-Schaltsysteme mit der Sicherheitssteuerung eines Wettbewerbers zu verknüpfen, wird unser Consulting das genauso lösen, wie der Kunde es wünscht. Dabei können wir auf umfassende Erfahrung zurückgreifen: Schließlich übernehmen wir schon jetzt viele Zusatzaufgaben wie z. B. das Parametrieren von Sicherheitssteuerungen oder kundenspezifische Modifikationen von Sicherheits-Schaltgeräten.

Wie hat man sich die Anpassung von Software in der Praxis vorzustellen?

U. Wiemer: Ich nenne auch hier ein aktuelles Beispiel. Ein Fahrzeughersteller möchte die Sicherheitstechnik an einem Großbohrwerk auf den neuesten Stand bringen. Wichtig ist ihm dabei die Prozessbeobachtung beim Einrichten. Gemeinsam mit seinem Dienstleister für die Elektroplanung haben wir eine Lösung mit einer Protect PSC Sicherheitssteuerung und einer sicheren Geschwindigkeitsüberwachung vom Typ PDMS realisiert, die allen Anforderungen gerecht wird. Dabei musste unsere Software an die der Maschine angepasst werden. Das haben wir getan, und das komplette System läuft zur vollen Zufriedenheit des Kunden.

Sieht Ihre Strategie auch die Entwicklung kundenspezifischer Produkte vor?

U. Wiemer: Das tun wir immer schon - sonst wäre ein Fertigungsspektrum von rund 18.000 verschiedenen Produkten gar nicht denkbar. Wie gesagt: Mit unserer neuen Strategien erfinden wir weder das Rad noch uns selbst völlig neu. Wir bündeln die Dienstleistungen, die wir seit jeher erbringen, und bauen sie sehr konsequent und zielgerichtet aus. Damit schaffen wir auch die nötigen Freiräume in Entwicklung, Produktmanagement und Vertrieb, um mit unserem Anspruch des System- und Lösungsanbieters für Maschinensicherheit im Markt noch erfolgreicher zu sein.

Können Sie auch hier Beispiele nennen: Welche kundenspezifischen Lösungen entwickeln und fertigen Sie auf der Produktseite?

U. Wiemer: Für einen unserer Schlüsselmärkte, die Baumaschinenindustrie, haben wir sehr interessante Lösungen entwickelt. Für Mobilkrane liefern wir z. B. Steuerungsboxen für die CANBus-Kommunikation sowie Hubendschalter für die Hakenflasche. Aktuelle Entwicklungsprojekte befassen sich mit der sicheren Entfernungsmessung am Ausleger; ein weiteres Projekt hat die RFID-gestützte Erkennung von Anbauteilen zum Thema. All das sind kundenspezifische Projekte, bei denen wir eng mit den Entwicklern unserer Kunden zusammenarbeiten. Die Dienstleistung fängt also schon bei der Entstehung des Produktes an.

Widerstrebt ein solches Angebot nicht dem allgemeinen Trend nach Standardisierung und Großserienfertigung?

U. Wiemer: Wir sind letztlich auch dadurch in eine marktführende Position gewachsen, dass wir gemeinsam mit unseren Kunden maßgeschneiderte Sicherheits-Schaltgeräte entwickeln und vorhandene Geräte exakt nach den Wünschen der Kunden modifizieren. Das entspricht unserer Positionierung als Anbieter von hochwertigen Geräten, die in flexiblen Fertigungsstätten auch in kleinen Stückzahlen wirtschaftlich gefertigt werden können. Mit anderen Worten: Wir entwickeln und produzieren nicht nach dem Motto „One size fits all", sondern haben den Anspruch, dem Kunden stets die beste Lösung zu bieten - auch bei sehr speziellen Aufgabenstellungen. Gerade deshalb sind für uns auch die begleitenden Dienstleistungen so wichtig, und hier ist ein leistungsfähiges Application Engineering ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.

Wir haben über Safety Consulting und Application Engineering gesprochen. Was gehört noch zu Ihrem Dienstleistungsprogramm?

U. Wiemer: Ganz wichtig sind die Schulungen zu verschiedensten Themen der Maschinensicherheit, die wir in unserem tec.nicum sowie bei den Kunden vor Ort anbieten. Dieses Angebot wird sehr gut angenommen und ist oft auch der „Türöffner" für weitere Dienstleistungen, die wir den Maschinenbauern und den Anwendern der Maschine anbieten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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