Die Welt von oben - Video per Drohne: Baufortschrittsüberwachung und mehr beim Frankfurter Flughafen
Drohne und Flughafen – passt das zusammen? In der Regel nicht – aber es gibt Ausnahmen. Bei der Fraport AG, der Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt am Main, kümmert sich das Programm „FraDrones“ um die Nutzung von Drohnen und die Entwicklung neuer Geschäftsfelder. Für die Überwachung des Baus des Terminals 3 hat die Fraport zum Beispiel eine Drohne so umgebaut, dass sie am Flughafen betrieben werden darf. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT sprach mit Felix Toepsch, Leiter des Projekts „FRA Drones 2020“
Herr Toepsch, Sie sind Programmleiter „FraDrones“ UAV/eVTOL & Unmanned Aviation bei der Fraport. Lassen Sie uns das kurz aufschlüsseln – was gehört alles zur Ihrem Aufgabenbereich?
Felix Toepsch: Ich bin bei der Fraport tätig für den Flugbetrieb, das Terminalmanagement und die Unternehmenssicherheit. Das ist einer unserer großen strategischen Geschäftsbereiche. Im Rahmen dieser Struktur bin ich im IT-Management angesiedelt. Wir betreuen mehrere Innovationsprojekte, die wir jeweils konzernweit aussteuern. Ich persönlich bin Programmleiter für das Projekt FraDrones. Dabei beschäftigen wir uns neben Drohnen auch mit der Entwicklung des Themas Urban Air Mobility, also Flugtaxis: Die Abkürzung eVTOL Aircrafts steht für „electric Vertical Takeoff and Landing“. Bei FraDrones geht es uns darum, alle strategischen Chancen im Zusammenhang mit diesen innovativen Luftfahrzeugen zu nutzen.
Das Projekt „FRADrones 2020“ wurde 2014 gestartet. Könnten Sie bitte kurz noch mal Gegenstand, Ziel und die Beteiligten dieses Projekts skizzieren?
Felix Toepsch: Ziel dieses Projekts ist es, die Nutzung unbemannter Luftfahrtsysteme am Flughafen Frankfurt voranzutreiben. Dazu gehört auch der Schutz vor sogenannten unkooperativen, also illegalen Drohnenflügen.
Letzteres war gar nicht von Anfang an Thema...?
Felix Toepsch: Das stimmt. 2014 hatten wir das noch nicht in dieser Weise auf dem Schirm, weil die Zahl der privat geflogenen Drohnen erst nach und nach so stark zugenommen hat. Drohnen sind heute sehr leicht erhältlich und ihre Zahl ist inzwischen rapide gestiegen – so gibt es heute mehr davon als Luftfahrzeuge. Wird nicht verantwortungsvoll mit ihnen umgegangen, sind sie sehr gefährlich. Die Zahl der Sichtungen steigt ständig, wie auch dem Drohnenreport der Deutschen Flugsicherung zu entnehmen ist.
Wo stehen Sie heute bei diesen Themen?
Felix Toepsch: Frankfurt ist der erste deutsche Flughafen, der Drohnen im Regelbetrieb vollintegriert hat. Die Baufortschrittskontrolle per Drohne, bzw. die Nutzung von Drohnen allgemein, ist für Flughäfen Neuland. Immerhin gibt es ja ein grundsätzliches Verbot zum Betrieb solcher Geräte an Flughäfen. Sonderregelungen bedürfen beispielsweise eines eigenen Verfahrens für die Anmeldung, eine enge Abstimmung mit der Deutschen Flugsicherung – und unsere Drohne ist mit einem Flugtransponder ausgerüstet, der sie auf dem Radar sichtbar macht.
Lassen Sie uns die Drohne, die Sie speziell für die Baufortschrittsüberwachung am Terminal 3 modifizert haben, einmal näher betrachten...
Felix Toepsch: Es handelt sich dabei um eine Sonderanfertigung auf Basis eines Modells des Drohnenherstellers Multirotor. Zusammen mit dieser Firma, unseren Partnern der TPI Vermessungsgesellschaft und der Deutschen Flugsicherung haben wir eine Sicherheitsbewertung durchgeführt – und daraus bestimmte Maßnahmen abgeleitet, nach denen wir die Drohne dann aufbereitet haben. Das betraf zum einen die Beleuchtung – das Gerät braucht Positionslichter, um auf dem Flughafen fliegen zu dürfen. Und es gibt einen Flugtransponder am Gerät, sodass die Drohne jederzeit für den Radar, aber auch für andere Verkehrsteilnehmer sichtbar ist. Die Piloten in den Flugzeugen sehen sie – und natürlich die Lotsen im Tower. Dazu kommen bestimmte ergänzende Sicherheitsprozesse wie der Geofence. Das waren alles Voraussetzungen für die Genehmigung.
Der Geofence bewirkt...
Felix Toepsch: ...dass die Drohne eine definierten Grenze nicht überfliegen kann. Zu den Sicherheitsprozessen gehört aber auch, dass die Drohne automatisch zum Startpunkt zurückfliegt, wenn zum Beispiel das Steuerungssignal verloren geht.
Haben die Drohnensteuerer eine spezielle Qualifikation?
Felix Toepsch: Die Drohensteuerer haben unter anderem ein Flugfunkzeugnis und stehen jederzeit mit dem Tower in Kontakt und können Anweisungen von dort entgegennehmen. Bei der Bauüberwachung mit unserer Drohne arbeiten wir außerdem mit einem Dienstleister zusammen, der TPI Vermessungsgesellschaft aus Dreieich
Was ist der Vorteil gegenüber normalen Videoüberwachungseinrichtungen, die ja schon lange weltweit zur Baufortschrittsbeobachtung genutzt werden?
Felix Toepsch: Es gibt eine ganze Reihe von Vorteilen, den Bau mit einer über das Gelände fliegenden Drohne zu überwachen. Sie kann Bilder aus allen Perspektiven liefern – und zwar handelt es sich um georeferenzierte Bilder, aus denen sich ein centimetergenaues 3D-Modell des Geländes erstellen lässt. So genau ließe sich das Gelände mit stationären Kamers nur in aufwendigere Weise vermessen. Mittels der gewonnen Daten können wir Rückschlüsse, bspw. auf Aushubvolumina, berechnen. Generell arbeitet die Drohne schneller und kostengünstiger.
Mit welchen Kameras arbeiten Sie hier?
Felix Toepsch: Generell kombinieren wir am Flughafen für viele Einsatzzwecke verschiedene Techniken, die für jede Eventualität und Wetterlage geeignet sind – von Tag/Nacht-Kameras bis zu Thermalkameras. Diese Kameras schicken ihre Bilder an unsere Sicherheitsleitstelle sowie den Tower, aber auch an Polizeibehörden. Speziell an der Drohne hängt eine normale hochauflösende Kamera.
Denken Sie auch an sicherheitsrelevante Einsätze für Ihre Drohne – Stichwort Perimeterschutz zum Beispiel?
Felix Toepsch: Wir haben bereits geprüft, wie Drohnen am Perimeterschutzzaun eingesetzt werden könnten. Das ist derzeit noch sehr schwierig, weil die Flugzeuge ja dicht über die Zäune fliegen. Die Drohne könnte somit ein Hindernis für den Luftverkehr darstellen. Daher haben wir das Thema erst mal zurückgestellt – der Drohneneinsatz rund umden Perimeter ist unseres Erachtens derzeit noch nicht genehmigungsfähig. Stattdessen haben wir autonome Fahrzeuge mit Kameras und Laserscanning getestet. Es geht ja im Endeffekt nur um eine technisch-optische Überprüfung des Zaunzustands, insbesondere seiner Maschen Schäden müssen gemeldet und behoben werden. Ein erster Feldversuch hat überraschend gut funktioniert. Allerdings sind die Entwicklungskosten sehr hoch, weil es sich um ein extremes Nischenprodukt handelt
Abgesehen von Ihren eigenen Drohnen gibt es ja die Problematik, dass fremde Drohnen die Sicherheit von Flugzeugen gefährden. Wie sieht die Strategie bei Fraport hier aus?
Felix Toepsch: Ein nicht genehmigtes Überfliegen des Flughafens kann einen strafbaren Eingriff in den Luftverkehr darstellen. Dazu kommen zollrechtliche und sicherheitsbezogene Regeln. Der Worst Case ist natürlich ein wie auch immer gearteter Angriff auf die Infrastruktur oder allgemein das Einbringen gefährlicher Gegenstände auf das Flughafengelände. Auch die Kollision von Drohne und Flugzeug ist eine erhebliche Gefahr. Deshalb ist die Drohnendetektion ein akutes, aber auch schwieriges Thema um das wir uns permanent kümmern. Wir beobachten zusammen mit der Deutschen Flugsicherung kontinuierlich den Markt, den sich eine Menge Anbieter teilen. Die Schwierigkeit bei Flughäfen besteht in seiner Großflächigkeit und seiner verwinkelten Struktur aus Freiflächen, Wäldern, Innenhöfe, etc. Wir führen hier Tests durch – aber bislang ist uns noch kein einzelnes System bekannt, das vollumfänglich schützt.
Und Schutz heißt ja auch noch nicht Abwehr...
Felix Toepsch: Richtig, es wäre nur Detektion und noch keine Drohnenabwehr. Wir halten das Sicherheitslevel hoch, indem wir Gegenmaßnahmen wie die Kontrolle von Flügen ergreifen. Es gibt hier auch Bewegung – so hat das Bundesverkehrsministerium die Deutsche Flugsicherung angewiesen, für eine technische Detektion von Drohnen an den deutschen Verkehrsflughäfen zu sorgen. Die eigentliche Abwehr von Drohnen bleibt aber eine hoheitliche Aufgabe. Eingriffe in den Luftverkehr innerhalb des Flughafengeländes sind der Bundespolizei, außerhalb der Landespolizei gestattet. Die Abstimmung macht das Ganze also komplex. Aber wir sind zuversichtlich – auch was den Fortgang der technischen Möglichkeiten betrifft.
Könnten Sie etwas näher erläutern, wie die Gegenmaßnahmen bei Drohnenanflug etwa aussehen?
Felix Toepsch: Zu allererst geht es uns darum, die Vorwarnzeit zu verringern. Drohnen sind ausgesprochen schnell, sie können ja zum Beispiel kurz vor dem Zaun gestartet werden. Je früher so eine Drohne für uns detektierbar ist, desto besser. Das wird unter anderem dadurch erschwert, dass es viele Bauarten und Materialien von Alu bis Styropor gibt – bis hin zu Eigenbauten. Eine Sensorart reicht also nicht aus.
Es gibt ja Hersteller, die auf Multisensortechnik setzen – wir haben sie hier bei GIT SICHERHEIT verschiedentlich vorgestellt...?
Felix Toepsch: Das ist auch ein sehr guter Ansatz. Aber für Flughäfen braucht es einfach noch mehr Tests und Forschungsarbeit. Parallel zu dieser technischen Seite setzen wir aber auch auf Aufklärung durch eine Awareness-Kampagne: Jeder der eine Drohne sichtet, soll diese Information weitergeben – dafür werben wir bei Mitarbeitern wie Privatleuten – zum Beispiel mit Schildern: Jeder kann Sichtungen melden. Wir haben eine Drohnenmeldekette entwickelt, an der alle betroffenen Stakeholder angeschlossen sind: Behörden, Mitarbeiter, Luftaufsicht. Es gibt klare, gut etablierte Meldewege, mit denen wir gute Erfahrungen gemacht haben: Die Reaktionszeiten sind schneller geworden.
Wie weit inzwischen Ihre Überlegungen, Ihr Drohnen-Know-how in einen eigenen Geschäftsbereich zu überführen?
Felix Toepsch: Wir werden die Technik noch weiter erproben. Aber sind tatsächlich bereits Projekte in Arbeit, die auf eine Art Transportservice hinauslaufen. Wir denken hier an hochwichtige und zeitkritische Last-Mile-Transporte an Ziele in der Flughafenregion. Ein Anwendungsbeispiel wäre die Lieferung von Organen in die Uniklinik. Das ist ein ausgesprochen komplexes Unterfangen, das wir durch viele Tests absichern müssen. Ein Erschwernis ist beispielsweise das Fliegen außerhalb unserer Sichtweite. Bisher fliegen wir ausschließlich in Sichtweite.
Wie sieht es mit der Entwicklung von Großraumdrohnen aus – die soll es ja nicht nur für Fracht, sondern auch für Passagiere geben...?
Felix Toepsch: Das ist die eingangs erwähnte Urban Mobility, mit dem wir uns seit 2019 näher beschäftigen – in enger Zusammenarbeit mit Partnern wie der Deutschen Flugsicherung sowie den Landesluftfahrtbehörden. Letztere sind vor allem für die entsprechenden Genehmigungen zuständig. „eVTOL Aircrafts“ sind eine komplett neue Klasse, die aktuell von der Europäischen Flugsicherungsbehörde zugelassen werden soll. Da sind dann aber keine Drohnen, sondern regulativ etwas anderes. Sie folgen den General-Aviation-Regeln, wie zum Beispiel Privatjets. Mit unserem Engagement auf diesem Gebiet versuchen wir jedenfalls die damit verbundenen Chancen zu nutzen und solche Geräte in den Flughafenbetrieb zu integrieren. Damit sind viele Fragen verbunden: Wie muss der Betrieb eines „Vertiports“ aussehen? Wie muss das Terminal gestaltet und organisiert sein? Welche Strecken bei uns im Rhein-Main-Gebiet sind überhaupt von Interesse? Es ist ein Teil des Business-Developments bei Fraport – ebenso wie die Weiterentwicklung von Drohneneinsatzzwecken.
Spagat am Flughafenhimmel
Das Projekt „FraDrones“ der Fraport
Es ist ein Projekt mit visionärem Gehalt: 2014 fiel der Startschuss für das Programm FraDrones. Wer am Flughafen Frankfurt mit Drohnen arbeiten will, hat es nicht nur mit einem extrem komplexen und riesigen Gelände zu tun, auf dem 80.000 Menschen arbeiten, sondern eben vor allem mit Flugverkehr, für den jede Drohne zur Gefahr werden kann. Jedes Jahr gibt es hier – wenn nicht gerade eine Pandemie den Betrieb lahmlegt – rund 475.000 Flugbewegungen. Transportierte werden dabei 69 Millionen Passagiere und mehr als 2,2 Millionen Tonnen Fracht. Der die Fläche von 22,5 km2 umschließende Perimeter ist 42 Kilometer lang.
Neue Geschäftsfelder
Beim Programm „FraDrones“, gleitet von Felix Toepsch, hat die Aufgabe, die Nutzung von Drohnen voranzutreiben und neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Ziel ist es, zu klären, wo und in welchem Rahmen Drohnen durch die Fraport eingesetzt werden und wie sie in den operativen Regelbetrieb des Frankfurter Flughafens integriert werden können. Dabei geht es aber auch um den Schutz vor fremden und „unkooperativen“, sprich illegalen Drohnen.
Videokamera für 3D-Modelle
Diese Integration in den Regelbetrieb gelingt bereits beim Thema Vermessung: Eine modifizierte Drohne wird seit März 2019 zur Überwachung des Baufortschritts des Terminals 3 und dessen Vermessung eingesetzt. Das mit einer hochauflösenden Videokamera ausgestattete Gerät dient u. a. zur Bestimmung von Aushubvolumina verschiedener Baugruben, zur Überwachung des Fortschritts, der Visualisierung von Gebäuden und Geländen und der Dachkatastererfassung.
UAV und eVTOL
Urban Air Mobility (UAV) steht für sogenannte Last-Mile-Transorte (wichtige Lieferungen vom Flughafen in die Region) und Personal Air Transport (Flugtaxis). Abgesehen von Drohnen gibt es Fluggeräte, die zwar auch mit Propellern fliegen, die aber eher mit Flugzeugen verglichen werden können: Das sind die sogenannten Electric Vertical Take-off and Landing Aircrafts (eVTOL). Sie kommen regulativ den Luftfahrzeugen der General-Aviation-Klasse nah. Es gab in diesem Bereich bereits Testflüge – den ersten Regelbetrieb soll es ab 2025 geben.
Vor allem Flugtaxis müssen die hohen Sicherheitsanforderungen des zivilen Luftverkehrs erfüllen – das betrifft den Betrieb der Fluggeräte genauso wie die Einbindung ins Gesamtverkehrsgeschehen.
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