Dr. Magnus Ekerot über Mobotix, Märkte und Musik
Mehr Verantwortung und mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten - das wünschte sich Dr. Magnus Ekerot, vormals Geschäftsführer bei dem schwedischen Display-Hersteller Beijer Electronics s...
Mehr Verantwortung und mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten - das wünschte sich Dr. Magnus Ekerot, vormals Geschäftsführer bei dem schwedischen Display-Hersteller Beijer Electronics sowie bei Axis Communications. Da passte es, dass Dr. Ralf Hinkel von Mobotix gerade einen neuen Vertriebsvorstand suchte. GIT-SICHERHEIT.de sprach mit Magnus Ekerot über die Gründe für seinen Wechsel und seine Pläne bei Mobotix.
Herr Ekerot, wir müssen einfach mit folgender Frage beginnen: Was hat Sie dazu bewogen, nach Ihren Tätigkeiten bei Axis Communications und Beijer Electronics jetzt bei Mobotix Verantwortung zu übernehmen?
Magnus Ekerot: Ja, das dürfen Sie gerne, denn die Frage ist für mich ganz einfach zu beantworten. Ich wollte noch mehr Verantwortung haben. Bei Beijer Electronics wurde ich Geschäftsführer weltweit in einem internationalen Börsenunternehmen und war Mitglied im Vorstand. Bei Axis war ich zuletzt Regional Manager für den deutschsprachigen Raum, die Niederlande und Osteuropa. Es war also ein wichtiger persönlicher Schritt zu Beijer Electronics zu wechseln. Ich wollte nicht nur für mehrere Regionen verantwortlich sein, sondern auch ein Unternehmen mitgestalten. Ich war bei Beijer zwei Jahre und hatte keine Wechselabsicht, bis Dr. Hinkel mich aktiv kontaktierte. Er unterbreitete mir das Angebot, bei Mobotix Vertriebsvorstand zu werden mit der Option, mittelfristig auch den CEO-Posten innezuhaben. Er selbst will sich mehr auf Forschung und Technik fokussieren. Das klang spannend, denn ich kenne den Markt und habe einen strategischen sowie internationalen Background aufgrund meiner Tätigkeiten zuvor. Wichtig dabei ist, dass ich nie zu einem Unternehmen gehen würde, das von seiner Angebotsstruktur und seinem organisatorischen Aufbau her nahezu identisch zu einem meiner früheren Arbeitgeber ist.
Was hat Sie gerade an Mobotix gereizt?
Magnus Ekerot: Es sind vor allem die große Innovationskraft und das nach wie vor große Wachstumspotenzial von Mobotix, die mich fasziniert haben. Mich reizte an dem Unternehmen, dass nicht nur die IP-Video-Technologie betrachtet wird, sondern Gesamtlösungen und damit die Ausweitung des Tätigkeitsfeldes möglich ist. Denn im Gegensatz zu den Mitbewerbern im Kameramarkt ist Mobotix nicht ein reiner Gerätehersteller, sondern ein breit aufgestellter System- und Software-Anbieter, der in den vergangenen Jahren viele technologische Trends in der Branche setzen konnte. Hier haben der Firmengründer Dr. Ralf Hinkel, sein Führungsteam und alle Mitarbeiter Enormes geleistet. Sie haben auf hochauflösende und netzwerkbasierte Videosysteme sowie ihr dezentrales Hires Mobotix-Konzept gesetzt. Und das war erst der Anfang. Neben dem neuen Technologieansatz und der parallelen internationalen Expansion ist es dem Unternehmen zuletzt auch gelungen, mit der hemisphärischen Kameratechnologie ein neues Marktsegment im Bereich Zutrittskontrolle und IP-Türstationen zu erschließen. Davon versprechen wir uns in den kommenden Jahren weitere Wachstumschancen - zumal die Technologie auch zukünftig die Integration von I-Phone und I-Pad ermöglicht. Es stehen also spannende Aufgaben an, bei denen ich mich gerne einbringen und mitwirken möchte.
Musik gehört zu Ihren Hobbies. Wenn Sie Mobotix und Axis mit Musikbands vergleichen - welches Unternehmen ist welche Band und warum?
Magnus Ekerot: Das ist eine tolle Frage, die ich so zum ersten Mal gestellt bekomme und die zugleich schwierig zu beantworten ist. Ich liebe Musik, aber es ist nicht einfach, ein Unternehmen mit Musik zu vergleichen. Aber okay, um es etwas plakativ zu machen, nehme ich die Nationalität als Basis: So wäre dann Axis mit Abba vergleichbar. Von Abba sind viele begeistert, die Musik ist gut komponiert, die Gruppe hat Fans in vielen Ländern, sie ist populär, sie sehen gut aus - wie das eben in Schweden so üblich ist, um es etwas salopp zu formulieren. Mobotix ist dagegen - auch hier überspitze ich wieder etwas - eher wie Rammstein. Es dauert etwas, bis jeder Rammstein versteht. Diese Band hat ein ganz eigenes Musikkonzept und Fans, die davon durch und durch überzeugt und deshalb sehr loyal sind. Rammstein ist noch nicht so groß, aber immer mehr Leute verstehen die Musik, entdecken das einzigartige Konzept dahinter und sind dann begeistert.
Seit dem 1. Januar 2011 sind Sie Chief Sales Officer im Vorstand bei Mobotix. Welche persönliche Komponente und welche Unternehmensphilosophie haben Sie Ihrer Einschätzung nach eingebracht?
Magnus Ekerot: Wichtig für mich ist ein in allen Belangen sehr gut funktionierendes Unternehmen. So waren die ersten Monate geprägt von Zuhören und Analysieren. Gleichzeitig habe ich mich in die Technologie des Unternehmens eingearbeitet. Und jetzt - glaube ich - habe ich die Grundlage, um den Vertrieb im Sinne von Mobotix weiter zu führen und auszubauen und noch effizienter zu werden. Mein Charakter und die Kompetenz, die ich nun mit dem unternehmensbezogenen Know-how erweitert habe, passen sehr gut zusammen, um das Unternehmen noch weiter nach vorne zu bringen. Ich bin überzeugt, dass ich sehr gut mit den hier vorhandenen Komponenten harmoniere. Damit meine ich, Mobotix hat sich trotz des enormen Wachstums und der weltweiten Expansion seinen Gründergeist und die Vorteile eines Familienunternehmens erhalten. Hier herrscht eine sehr offene Atmosphäre bei flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen. Alle ziehen an einem Strang. Von daher passt die Unternehmensphilosophie heute und auch für die zukünftigen Herausforderungen auf dieses sehr erfolgreiche Börsenunternehmen.
Können Sie schon eine erste Bilanz ziehen?
Magnus Ekerot: Oh ja, die Bilanz ist auf jeden Fall positiv. Die ersten Monate waren geprägt von vielen Gesprächen sowohl mit den Mitarbeitern in der Entwicklung, Produktion und im Vertrieb als auch mit den Partnern. Ich wollte möglichst schnell in die Strukturen des Unternehmens hineinwachsen und mir einen Überblick verschaffen. Zudem habe ich in den ersten Monaten bereits acht nationale Partnerkonferenzen weltweit besucht und war bei zahlreichen Kundenprojekten mit vor Ort.
Mobotix ist „innovativer Technologiemotor der Netzwerk-Kamera-Technik". Nochmals zum Mitschreiben und für alle Leser, die sich neu mit der Thematik beschäftigen: Warum lässt das „dezentrale Konzept" hochauflösende Videosysteme erst rentabel werden?
Magnus Ekerot: Hier muss ich in der Tat weiter ausholen und auch die Marktentwicklung betrachten. Seit einigen Jahren durchläuft die Videosicherheitsbranche eine Umwälzung größeren Ausmaßes, ausgelöst durch die höheren Anforderungen an die Auflösung beim Aufzeichnen von Bildern. Im Gegensatz zu Digitalkameras, die heute bereits bis zu 15 Megapixel Auflösung besitzen, speichern die meisten der herkömmlichen analogen Kameras, die auf der mehr als 50 Jahre alten Fernsehtechniknorm basieren, nur mit einer Auflösung von 0,1 Megapixel. So speichert beispielsweise auch ein modernes Mobiltelefon mit integrierter Megapixel-Kamera 30-mal mehr Details im Bild als die meisten Sicherheitskameras, die heute weltweit im Einsatz sind. Mit dem Aufkommen der Netzwerk-Kameras wurde alles anders. Endlich war das Bildformat vom Übertragungsweg entkoppelt. Denn wie im Internet lassen sich über ein und dieselbe Netzwerkleitung sowohl kleine Bildchen als auch hochauflösende Megapixel-Bilder transportieren.
Der wesentliche Vorteil der Netzwerk-Kameras lag deshalb eher in der Möglichkeit, Bilder unternehmensweit oder via Internet weltweit zu übertragen. Einen Haken hatte die Sache mit den Netzwerk-Kameras allerdings, denn die Bilder konnten nicht im Rohformat übertragen werden, sondern sie mussten wegen der begrenzten Bandbreite des Netzwerks komprimiert werden. Mit dem Komprimierer-Chip in der Kamera war dies dort kein Hexenwerk, aber auf der anderen Seite der Leitung am PC fingen die Probleme an: Die Video-Management-Software musste plötzlich zusätzlichen Aufwand bei der Dekodierung der komprimierten Bilder leisten, was enorme Rechenzeit kostete. Was für eine Kamera noch zu leisten war, wurde bei einem Dutzend Kameras zum ausgewachsenen Problem, so dass nur kleine Bildchen mit geringen Bildwiederholraten über die PC-Monitore flimmerten. So werden beispielsweise in einem Casino, in dem die Aufzeichnung mit 30 Bildern pro Sekunde und 480 TV-Zeilen erfolgen muss, üblicherweise zwei bis vier Kameras von einem PC aufgezeichnet und verwaltet. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass diese Art der Videoaufzeichnung teuer ist und große, kostenintensive Server benötigt.
Und hier kommt das dezentrale Konzept ins Spiel?
Magnus Ekerot: Richtig. Um diese Probleme zu lösen, kommt bei uns das dezentrale Mobotix-Konzept zum Einsatz, bei dem die Last zwischen den Kameras und der Video-Management-Software verteilt wird. Jede Kamera besitzt einen Hochleistungsrechner und bei Bedarf einen digitalen Langzeit-Flashspeicher (MicroSD-Karte) zur mehrtägigen Aufzeichnung. Der PC bzw. der Videoleitstand dient nur noch zum reinen Anschauen und Steuern der Kameras (PTZ), nicht aber zum Auswerten und Aufzeichnen. Dies verhindert eine überfrachtete, teure Video-Management-Software, da die wesentlichen und rechenintensiven Funktionen bereits in den Mobotix-Kameras enthalten sind. Bei diesem System können 10-mal so viele digitale Netzwerk-Kameras auf einem PC aufzeichnen wie bei analogen Kameras, und das mit wesentlich höheren Auflösungen. Zusätzlich werden durch die Pufferung der Videodaten in der Kamera Bandbreiten-Schwankungen und Netzwerk-Ausfälle überbrückt. Ein weiterer Vorteil: Neue Megapixel-Systeme sind kostengünstiger, da eine einzelne Kamera aufgrund der höheren Auflösung einen deutlich größeren Bereich abdecken kann als eine alte analoge Kamera. Das dezentralisierte Systemdesign in Verbindung mit hoher Bildauflösung, intelligenter Software in den Kameras und Video-Management-Software für den PC macht Mobotix als Systemanbieter aus.
Ihr Unternehmen stellt in erster Linie Megapixel-Kameras her - mit Ihrer IP-Video-Türstation aber hat man sich in ein neues Marktumfeld hineingewagt. Wie funktioniert dieser Markt für Mobotix?
Magnus Ekerot: Mit der im Hause entwickelten IP-Video-Türstation T24 nutzt Mobotix die bestehende hemisphärische Technologie, um in einem neuen aber eng verwandten Markt der Zutrittskontrolle und Türstationen einzutreten. Beim Klingeln wird über das Netzwerk eine Verbindung zu einem VoIP-Telefon, PC oder iPhone/iPad aufgebaut, so dass die Sprechstelle prinzipiell von jedem Ort der Welt bedient und die Tür geöffnet werden kann. Mit der hemisphärischen Türstation bieten wir eine komplette Lösung für den wachsenden Markt der intelligenten Haussteuerung und Gebäudeautomation. Die Integration von I-Phone und I-Pad spielt dabei eine große Rolle. Ich bin deshalb überzeugt, dass die neue Produktsparte einen großen Anteil am weiteren Wachstum des Unternehmens haben wird. Das Interesse der Partner und Kunden ist auf jeden Fall sehr groß. Laut den Angaben verschiedener Marktforschungsinstitute liegt der geschätzte Zuwachs der IP-Türstationen für die nächsten drei bis fünf Jahre bei mehr als 100%. Ich kann mich erinnern, dass das prognostisierte Marktwachstum für IP-Kameras in 2004/2005 bei rund 40% lag, was schon grandios war. Das neue Marktfeld gibt uns die Möglichkeit, auch neue Kundensegmente anzusprechen, wie z.B. Elektriker, Installateure sowie neue Endverbraucher. Ich bin davon überzeugt, dass wir so auch mehr Kameras verkaufen, da die Technik der Türstation natürlich ebenfalls geprägt ist durch das dezentrale Konzept und perfekt in unser ganzheitliches System passt.
Was sind derzeit die großen Wachstumstreiber bei Mobotix? Welche Produkte verkaufen sich besonders gut, welche gewinnen wesentliche Marktanteile hinzu?
Magnus Ekerot: Unser aktueller „Star" im Lösungssortiment ist die hemisphärische Q24 - eine elegante, kompakte und wetterfeste Hi-Res IP-Dome-Kamera. Ein weiterer Wachstumstreiber ist der Klassiker, die M12-Kamera. Diese Dualkamera mit zwei separaten Hi-Res-Bildsensoren wurde weltweit bereits mehr als 100.000 Mal verkauft. Und natürlich nicht zu vergessen: die M24-Familie. Sie ist unsere kostengünstige, extrem leistungsfähige Allround-Kamera und bestens für den Einstieg in die Videosicherheit geeignet.
Welche wichtige Referenz-Projekte können Sie uns ganz aktuell nennen?
Magnus Ekerot: Die größten Projekte dürfen wir leider nicht nennen, aber ich kann Ihnen sagen, dass wir weltweit Referenzprojekte mit den unterschiedlichsten und interessantesten Anwendungen haben. Einer der neueren Kunden ist beispielsweise der Vatikan. Dort überwachen unsere Kameras die Vatikanisch-Apostolische Bibliothek. Eine weitere außergewöhnliche Anwendung ist die Donbass-Arena, das erste osteuropäische Fußballstadion, welches die von der UEFA vorgesehenen Kriterien für ein Elite-Stadium erfüllt. Die Arena ist ein wichtiger Austragungsort für die Fußball-EM im nächsten Jahr. 528 hochauflösende Netzwerkkameras haben alles im Blick. Die Video-Anlage soll zum einen die Identifizierung aller Personen während des Eintritts, ihrem Aufenthalt und beim Verlassen des Stadions ermöglichen. Zum anderen dient sie der Beobachtung und Steuerung der Besucherströme an den Ein- und Ausgängen und den Zugängen zur Tribüne.
Was ist Ihrer Meinung nach die große Herausforderung für Mobotix, aber auch für die Sicherheitsbranche insgesamt in den nächsten Jahren?
Magnus Ekerot: Für Mobotix besteht die Herausforderung darin, weiter kontrolliert zu wachsen - und das sowohl in der Internationalisierung als auch in der Erschließung neuer Märkte, wie zuletzt bei unserer Türstation geschehen - allerdings ohne unser Kerngeschäft und unseren hohen Qualitätsanspruch zu vernachlässigen. Aufgrund der großen Nachfrage nach unseren Systemen aus dem Ausland, gilt es dort, unsere Partnernetzwerke weiter auszubauen, zu schulen und zu unterstützen. Gewundert hat mich, dass der Umbruch von analoger zur digitaler Technik in den letzten zwei Jahren noch nicht weiter vorangeschritten ist. Eine der wichtigsten Herausforderungen für die gesamte Sicherheitsbranche ist meiner Meinung nach daher, endlich den mehr als 50 Jahre alten Videostandard über Bord zu werfen. Denn warum setzen die traditionellen Kamerahersteller nicht einfach ebenfalls hochauflösende Sensoren in ihren Videokameras ein? Die Antwort ist einfach, aber unbefriedigend für den Endanwender: weil der zugrunde liegende Videostandard 50 Jahre alt ist und hochauflösende Bilder über das Videokabel technisch nicht möglich sind. Letztlich ist hier eine ganze Branche technisch überrollt worden. Denn eine Überwachung, die keine scharfen Fotos liefert, ist sinnlos. Bei der Diskussion über die Zukunft der Videosicherung sollte es zukünftig also nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität gehen. Denn allein eine höhere Kameradichte an Bahnhöfen und Flughäfen wird nicht den gewünschten Effekt bringen. Vielmehr sollte ein Ausbau auch und vor allem eine qualitativ verbesserte Videosicherung bedeuten. Damit geht zwingend einher, dass die Bildqualität der eingesetzten Systeme weiter erhöht wird. So können nicht nur kosteneffektive Lösungen geschaffen werden, sondern es entstehen auch beweiskräftigere Bilder, die tatsächlich ohne Einschränkungen zur Täterüberführung genutzt werden können.
Wann wird Magnus Ekerot alleiniger Mobotix-CEO?
Magnus Ekerot: Ich bitte Sie, geben Sie mir Zeit. Ich bin doch erst sechs Monate an Bord. Vorstandsvorsitzender bleibt Dr. Ralf Hinkel. Er möchte sich jedoch sukzessive stärker auf die strategische Produktentwicklung konzentrieren und dadurch neue Marktfelder für Mobotix erschließen. Es ist geplant, dass er mittelfristig die Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden an mich abgeben wird.
Herr Dr. Ekerot, wir danken Ihnen für das Gespräch.