Explosionsschutz in der Holzverarbeitung: Mehrstufiges Sicherheitssystem
Ein umfassendes und zukunftsorientiertes Sicherheitskonzept benötigt auf die Belange des jeweiligen Betriebes abgestimmten Explosionsschutz. Wie das in der Praxis aussehen kann und warum es sich lohnt, immer wieder nachzujustieren, zeigt das Beispiel der Egger Gruppe, die zu den international führenden Holzwerkstoffherstellern gehört. Das Egger-Werk Unterradlberg in Niederösterreich nutzt ein mehrstufiges Explosionsschutzkonzept von IEP Technologies, einem Unternehmen der Hoerbiger Gruppe.

Bei der Spänetrocknung, wo Holzspäne mit einem Restfeuchtegehalt unter drei Prozent verarbeitet werden, besteht ein erhebliches Explosionsrisiko. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) sowie die österreichische Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) warnen, dass feiner, trockener Holzstaub in Verbindung mit Luft ein hochentzündliches Gemisch bildet – insbesondere bei sehr geringer Feuchte. Um diesem Risiko effektiv zu begegnen und Gefahren durch Explosionen abzuwenden, suchte Egger für sein Werk in Unterradlberg ein strategisch passendes Schutzkonzept und wurde bei IEP Technologies fündig. Martin Wurzl, Werksleitung Technik und Produktion bei Egger, kommentiert: „2023 hat unser Standort in Unterradlberg die Auszeichnung, Smart Factory‘ als innovativster Produktionsstandort Österreichs erhalten. Dies ist uns Bestätigung und Ansporn zugleich. Egger zeichnet sich durch einen gesamtheitlichen Ansatz eines automatisierten und vernetzten Produktionsbetriebes aus. Systeme zur Prozessoptimierung sind das A und O. Und dies schließt Sicherheit und Explosionsschutz mit ein.“
In geschlossenen Prozessanlagen, wie sie bei Egger in der Spänetrocknung und in den Trockenspäne-Silos zu finden sind, kann bereits ein kleiner Funke eine verheerende Explosion auslösen. Da sich viele Anlagenteile in Fertigungshallen befinden, ist eine konventionelle Druckentlastung nach außen nicht möglich. Daher sind flammenlose Druckentlastungssysteme erforderlich, die den Explosionsdruck sicher abführen, ohne Flammen in die Umgebung zu leiten.
Lösung: Integriertes Explosionsschutzsystem

Egger nutzt die Explosionsunterdrückungssysteme von IEP Technologies bereits seit 2001. „Als wir den Schutz ergänzen wollten, stellte sich heraus, dass IEP die beste Option bietet, weil wir auf bestehende Systeme und eine gewachsene Zusammenarbeit aufbauen konnten“, erläutert Thomas Pöll, Instandhaltungsleiter bei Egger.
Ein wesentlicher Auslöser für die Erweiterung des Explosionsschutzes waren die Anforderungen der ATEX-Richtlinien, die eine umfassende Risikobewertung und wirksame Schutzmaßnahmen vorschreiben. Im Rahmen des Explosionsschutzdokumentes wurden von Egger alle Gefahrenquellen systematisch analysiert und bewertet. Neben organisatorischen und präventiven Maßnahmen zur Zündquellenvermeidung wurden flammenlose Druckentlastungsventile, Entkopplungs- und Unterdrückungssysteme gezielt als Bausteine eines ATEX-konformen Schutzkonzepts integriert. Pöll ergänzt: „Sicherheit und Arbeitsschutz haben bei Egger von jeher einen hohen Stellenwert. Deshalb haben wir uns entschlossen, vermehrt in präventiven Brand- und Explosionsschutz zu investieren.“
Heute setzt Egger auf ein umfassendes Schutzkonzept aus sich ergänzenden passiven und aktiven Schutzsystemen. Die Explosionsunterdrückungslösung von IEP Technologies erkennt Explosionen bereits im Frühstadium und unterdrückt sie durch die schnelle Freisetzung von Löschmitteln, bevor gefährliche Druck- und Flammenausbreitungen entstehen können.
Das System besteht in der Regel aus drei Komponenten: Detektor, Steuergerät und Unterdrückungsbehälter. Bei einer Zündung breitet sich der Feuerball ausgehend von der Zündortlage , wobei die aufgrund des Temperaturanstiegs entstehende Druckwelle der Flammenfront vorausläuft. Explosionsdruckdetektoren sind darauf ausgelegt, binnen Millisekunden auf diesen charakteristischen Druckanstieg zu reagieren. Die Explosion wird mittels Drucksensoren oder optischer Detektoren erkannt. Die Löschmittelbehälter werden unmittelbar durch ein Signal der Steuerung aktiviert. Löschmittel wird mit hohem Druck und hoher Geschwindigkeit im geschützten Behälter eingedüst.
Speziell gestaltete Düsen dienen der optimalen Verteilung des Löschmittels, das den anwachsenden Feuerball umschließt und abkühlt. Dies verhindert eine weitere Verbrennung und reduziert den Explosionsdruck. Ein chemisches oder mechanisches System zur Explosionsentkopplung ist in der Auslegung von Explosionsunterdrückungssystemen fest integriert, um das Risiko einer Ausbreitung von Flammen bzw. einer Explosion auf andere angeschlossene Anlagenbereiche zu reduzieren.


Druckentlastung in Gebäuden und im Freien
Explosionsdruckentlastungen zielen darauf ab, den bei einer Explosion entstehenden Überdruck kontrolliert abzubauen und so den Prozessbehälter vor Schäden zu bewahren. Es werden verbrannte und nicht verbrannte Stäube und Dämpfe durch die Entlastungsöffnung abgeführt. Der ausgestoßene Feuerball, der im Allgemeinen das achtfache Volumen des Behälters oder mehr erreicht, muss in einen sicheren Bereich abgeleitet werden. Da nach einer Explosionsdruckentlastung Folgebrände nicht auszuschließen sind, werden deshalb Brandschutzmaßnahmen in das Sicherheitskonzept integriert.
EVN-Ventile hingegen gewährleisten eine flammenlose, sichere Druckentlastung bei Explosionen sowohl innerhalb von Gebäuden als auch im Freien, wenn nicht ausreichend Platz für eine herkömmliche Explosionsdruckentlastung vorhanden ist. Sie bestehen aus einer Druckentlastungsvorrichtung mit integrierter Flammensperre, die die austretenden Gase während des Durchflusses abkühlt und so verhindert, dass Flammen in die Umgebung gelangen. Eine der ersten Anwendungen des EVN-Ventils bei einer Schwingsiebanlage wurde bei Egger realisiert. Aufgrund ihrer geringen Bauhöhe und dem niedrigen Schwerpunkt eignen sich die Ventile besonders für die Montage auf oszillierenden Maschinen. Sie sind die ideale Lösung, um sowohl den oberen als auch den unteren Bereich einer Siebanlage flammenlos zu entlasten.
Zudem ist es wahrscheinlich, dass sich Explosionen über angeschlossene Rohrleitungssysteme oder Zuluftöffnungen ausbreiten, so dass eine Explosionsentkopplung erforderlich ist. Hier schaffen die IsoDisc-Systeme von IEP Technologies Abhilfe, denn sie verhindern die Ausbreitung von Explosionen durch Zuluftöffnungen in den Arbeitsraum, indem sie als Rückschlagsicherung für Druck- und Flammenausbreitung wirken. Das gilt vor allem bei Mühlen, Mischern und Anlagenteilen, die Prozessluft benötigen. Zur Entkopplung explosionsgeschützter Prozessbehälter über angeschlossene Rohrleitungen kommt häufig ein Ventil als passives Schutzsystem zum Einsatz. Dies schließt sich mechanisch als Reaktion auf die ankommende Explosionsdruckwelle – ganz ohne zusätzliche Steuergeräte oder Sensoren. In den meisten Anlagenabschnitten werden zur explosionstechnischen Entkopplung jedoch Löschmittelsperren verwendet. Vor allem bei größeren Leitungsdurchmessern gelten sie als kostengünstigste Lösung.
Effiziente Wartung, verlässliche Zusammenarbeit
Die Kooperation zwischen Egger und IEP Technologies begann vor rund 25 Jahren mit der Installation der ersten Explosionsunterdrückungssysteme. 2021 folgte die Integration der EVN-Ventile, und seit 2023 sind die IsoDisc-Systeme im Einsatz. „Die enge Abstimmung zwischen Egger, IEP Technologies und dem Maschinenhersteller der Siebanlagen ermöglichte eine präzise Planung und Umsetzung der Schutzmaßnahmen“, erklärt Pöll. Die Wartung der Systeme erfolgt jährlich durch IEP Technologies während geplanter Werkstillstände. Zusätzlich führt Egger alle zwei Monate interne Überprüfungen durch, um die Funktionalität der Systeme sicherzustellen.
Die Projektverantwortlichen beurteilen die eingesetzten Explosionsschutzsysteme durchweg positiv: „Sie arbeiten zuverlässig, und die persönliche Betreuung, vor allem bei Prozessstörungen und Instandsetzungen, ist äußerst hilfreich.“ Auslösungen ohne tatsächliche Explosion sind äußerst selten. Dank umfassender Präventionsmaßnahmen treten auch echte Explosionsereignisse nur selten auf, können jedoch im Abstand von mehreren Jahren vorkommen. „Mit IEP sind wir für alle Fälle abgesichert. Die Wartung ist einfach, effizient und zuverlässig – da passt alles.“ Ein standortübergreifendes Sicherheitsreporting über alle 22 Werke hinweg ermöglicht außerdem einen kontinuierlichen Wissensaustausch und eine stete Weiterentwicklung der Sicherheitsstandards. Dank der engen Zusammenarbeit wurde zudem sichergestellt, dass die Explosionsschutzsysteme stets an sich verändernde Produktionsprozesse angepasst wurden.
„Die Implementierung des mehrstufigen Explosionsschutzkonzepts im Egger-Werk Unterradlberg zeigt eindrücklich, wie durchdachte Sicherheitslösungen effektiv Risiken minimieren und den Schutz von Mitarbeitern und Anlagen gewährleisten können“, erläutert Markus Häseli, Geschäftsführer bei IEP Technologies Europe. „Die Kombination aus flammenloser Druckentlastung, passiver Entkopplung und aktiver Unterdrückung und Entkopplung bietet ein State-of-the-Art-Schutzsystem, das speziell auf die Anforderungen der Holzindustrie zugeschnitten ist.“
Relevante Normen und Regeln im Umgang mit Holzstaub
Im Umgang mit Holzstaub, etwa in Industrie, Handwerk sowie bei der Lagerung oder Verarbeitung von Holz, gelten in der EU diverse Normen, technische Regeln und gesetzliche Vorgaben, um Gesundheitsschutz, Arbeitssicherheit und Explosionsschutz sicherzustellen. Hierzu gehören:
- Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 553 – Holzstaub: Zentrale Vorschrift für Tätigkeiten mit Holzstaub.
- Technische Regeln zur Betriebssicherheit (TRBS) 3151 und TRGS 751: Vermeidung von Zündgefahren durch elektrostatische Aufladungen.
- ATEX-Richtlinien (EU-Richtlinie 2014/34/EU und 1999/92/EG)
- DIN EN 1127-1: Explosionsschutz: Grundlagen
- DIN EN ISO 13849 / IEC 62061: Sicherheit funktionaler Systeme (z. B. bei Absaugtechnik)
- DIN EN 12779: Absaug- und Filteranlagen für Holzstaub
- BImSchG / TA Luft: Emissionsbegrenzung nach außen
- Gefährdungsbeurteilung nach §6 GefStoffV
- DGUV-Vorschriften (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung): DGUV Regel 109-002 – Arbeiten an Holzstaub erzeugenden Maschinen

Business Partner
IEP Technologies GmbHKaiserswerther Str. 85c
40878 Ratingen
Deutschland
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