23.04.2012 • TopstoryKonzernsicherheitFlorian HaackeMetro

Konzernsicherheit: Interview mit Florian Haacke, Leiter Konzernsicherheit Metro

Die Metro Group zählt zu den ­bedeutendsten internationalen ­Handelsunternehmen. An rund 2.200 Standorten in 33 Ländern Europas, Afrikas und Asiens arbeiten insgesamt über 280.000 ...

Florian Haacke, Leiter Konzernsicherheit Metro AG
Florian Haacke, Leiter Konzernsicherheit Metro AG

Die Metro Group zählt zu den ­bedeutendsten internationalen ­Handelsunternehmen. An rund 2.200 Standorten in 33 Ländern Europas, Afrikas und Asiens arbeiten insgesamt über 280.000 Mitarbeiter aus rund 180 Nationen. An der Spitze steht die Metro AG als strategische Management-Holding. Das operative Geschäft teilt sich in die Geschäftsfelder Großhandel, Lebensmittel­einzelhandel, Nonfood-Fachmärkte und Warenhäuser. Zur Metro Group gehören Vertriebsmarken wie Metro Cash & Carry, Real, Media Markt, ­Saturn, Galeria Kaufhof und Metro Properties. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit dem Leiter für Konzernsicherheit der Metro AG, Florian Haacke, über sein Tätigkeitsfeld sowie seine ­Aufgaben und Ziele in diesem ­bedeutenden Handelsunternehmen.

Ihr Unternehmen betreibt viele Groß- und Einzelhandelswarenhäuser und Lebensmittelmärkte weltweit an sehr ­unterschiedlichen Standorten. Wie muss sich der Laie die Organisationsstruktur und die Steuerung der Konzernsicherheit vorstellen?

Florian Haacke: Der Fachbereich Konzernsicherheit der Metro Group ist in einer Matrixstruktur nach Regionen und Fachthemen organisiert. Zunächst gibt es Corporate Security-Koordinatoren für die Regionen West, Central Europe, East und Asia, mit Büros in Düsseldorf, Moskau und Singapur. Sie sind die unmittelbaren Ansprechpartner für die Sicherheitsverantwortlichen der Landesgesellschaften, steuern unsere internationalen Sicherheitstätigkeiten auf regionaler Ebene und koordinieren die fachliche Zusammenarbeit. Zusätzlich verfügt die Konzernsicherheit über Senior Experten für bestimmte Themenstellungen, z. B. Sicherheitstechnik. Diese bündeln das für diese Themen notwendige Spezialwissen für das Unternehmen, führen konzernweite Sicherheitsprojekte durch, bereiten Informationen für die dezentralen Landesgesellschaften auf und machen diese Informationen zielgerichtet verfügbar. Bei der Themenzuordnung gilt für uns die Prämisse „so zentral wie nötig, so dezentral wie möglich". Das Aufgabenspektrum des Fachbereiches Konzernsicherheit befindet sich in kontinuierlicher Abstimmung mit allen Vorständen der Metro AG. Diese Vorgehensweise schafft die notwendige Transparenz und bildet die Grundlage für unsere Akzeptanz im Unternehmen.

Nach welchen Strategien und Prinzipien gehen Sie bei Ihrer Aufgabe vor und was sind die ­Arbeitsschwerpunkte der Konzernsicherheit?

Florian Haacke: Der strategische Schwerpunkt unserer Arbeit liegt eindeutig in der Prävention. Die Sicherheitsfunktion wandelt sich spürbar von Schutz und Ermittlung hin zu einem aktiven Wertschöpfungsbeitrag. Insofern steht unser Ansatz für eine moderne Neuausrichtung. Die Konzernsicherheit fungiert als Berater der Vorstände und Geschäftsleitungen bei der Entwicklung strategischer Konzepte zur Vermeidung gravierender Personen-, Sach- und Reputationsschäden. Dazu stellen wir konzernweit Strategien, Konzepte, Richtlinien und Methoden zur Verfügung, um den Schutz von Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern sowie Vermögenswerten und Informationen kontinuierlich zu verbessern. Zusätzlich übernimmt die Konzernsicherheit eine Schlüsselfunktion beim Transfer von Sicherheits-Know-How innerhalb der Metro Group. Im Rahmen eines konzerninternen Security Best Practice-Forums bringen wir Sicherheitsexperten aus unterschiedlichen Ländern für die Entwicklung von Lösungsvorschlägen zu konkreten Themenstellungen zusammen. Durch interne und externe Benchmarks werden für diese Themen herausragende Konzepte und Methoden identifiziert und anschließend allen Landesgesellschaften zugänglich gemacht. Dadurch reduzieren wir Doppelarbeit, erzielen Synergieeffekte, erzeugen nachhaltige Verbesserungen und erlangen Wettbewerbsvorteile.
Risikominimierung und Effizienzsteigerung sind vorrangige Compliance-Ziele. Das be­deutet aber auch rechtzeitige Identifizierung von Risiken, ein internes Informations- und Kontrollsystem und externe Kommunikation. Wie gewährleisten Sie die Einhaltung bestimmter Regeln und damit die

Vermeidung von Regelverstößen in Ihrem Unternehmen?

Florian Haacke: Nahezu alle Maßnahmen der Konzernsicherheit konzentrieren sich auf die frühzeitige Identifizierung und Bewertung von Sicherheitsrisiken und -schwachstellen sowie auf die Ableitung, Entwicklung und Implementierung angemessener Maßnahmen. Insofern sind wir fester Bestandteil des Risikomanagements des Konzerns. Da auch die Sicherheitsrichtlinien im Einklang mit den gültigen Gesetzen weiterentwickelt und umgesetzt werden müssen, bietet ein systematischer Compliance-Ansatz für uns nur Vorteile. Zum einen werden Richtlinien dadurch auf ein Mindestmaß reduziert, dafür aber sehr konkret formuliert und nachweislich implementiert. Zum anderen wird durch zielgruppenorientierte Schulungs- und Awareness-Maßnahmen die notwendige Sensibilität bei Mitarbeitern und Führungskräften erzeugt. Von großer Bedeutung ist für mich auch die Etablierung eines vertrauenswürdigen Security-Netzwerkes innerhalb des Konzerns mit kurzen und präzisen Informationswegen, um sicherheitsrelevante Regelverstöße festzustellen und zeitnah in einen größeren Kontext einordnen zu können. Um dieses Netzwerk zu stärken unterstützt die Konzernsicherheit die Geschäftsführer der Landesgesellschaften sehr konkret bei der Auswahl, Einstellung und fachlichen Fortbildung der Landessicherheitsverantwortlichen. Einer der wichtigsten Punkte für ein erfolgreiches Sicherheitsrisikomanagement ist die Einbeziehung aller relevanten Fachbereiche im Rahmen eines konvergenten Sicherheitsansatzes. Ich bin davon überzeugt, dass sich die Sicherheitsherausforderungen der Zukunft nur effektiv und effizient im Unternehmen lösen lassen, wenn alle Fachbereiche Ihr Spezialwissen miteinander teilen und gezielt für andere verfügbar machen. Vor diesem Hintergrund verfügt der Fachbereich Konzernsicherheit über sehr viele Schnittstellen zu anderen Bereichen im Unternehmen und arbeitet eng mit diesen zusammen. Dazu gehören neben Compliance, dem Rechtsbereich und Datenschutz insbesondere auch Revision, Risk Management, Versicherung, Kommunikation, Qualitätsmanagement, HR und Strategie.

Wie umfangreich ist das Thema Sicherheit in einem internationalen Handelsunternehmen?

Florian Haacke: Sicherheit durchzieht im Handel nahezu alle strategischen und operativen Prozesse. Bei der Metro Group beginnt Sicherheit schon in der Phase von Machbarkeitsstudien für den Markteintritt in neue Länder. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt analysieren wir die Länderrisiken und geben Empfehlungen für die Teams vor Ort zum Thema Reisesicherheit. Gleichzeitig führen wir detaillierte Sicherheitsanalysen für diese Länder durch, sogenannte Country Security Risk Assessments. Ziel ist es, den Vorstand in die Lage zu versetzen, den Faktor Sicherheit bereits in seine grundlegenden Investitionsentscheidungen einbeziehen zu können. Anschließend liegt unser Augenmerk auf der Planung und Gestaltung neuer Märkte. Letztendlich werden Kernprozesse wie Einkauf, Logistik und Verkauf bis hin zum Cash-Management durch vielfältige Sicherheitsmaßnahmen nachhaltig unterstützt.

Warenverluste, Sachbeschädigungen, Diebstähle, Unterschlagungen und Betrügereien sind bei der Masse an Waren ein hohes ­Gefahrenpotenzial. Wie hoch schätzen Sie den „Schwund" im Handel ein?

Florian Haacke: Ihre Frage ist ein gutes Beispiel für unsere tägliche Herausforderung, Transparenz zu schaffen. Dies ist ein zentrales Ziel der Konzernsicherheit, nicht nur im Handel. Vorstände und Geschäftsleitungen fordern Zahlen, Daten und Fakten - und die Sicherheitsbereiche sind aufgefordert, Transparenz für ihre Themenstellung zu erzeugen und kontinuierlich zu verbessern. Aus diesem Grund vermeide ich die Nutzung von Wörtern wie Schwund (engl. Shrinkage), da sie die Thematik grundlegend verwässern und eine konkrete Ursachenforschung erheblich erschweren. Vor diesem Hintergrund können auch die jährlichen Befragungen im Handel - national wie international - lediglich als Meinungsbilder, nicht aber als tatsächliche Indikatoren betrachtet werden, da hier keine absoluten oder belegten Zahlen verglichen werden. Vielmehr werden unterschiedlichste Betrachtungsweisen und Variablen miteinander vermengt, denn jedes Unternehmen legt für sich das angemessene Maß an Transparenz selbst fest. Gleichermaßen liegen die Unterschiede zwischen dem jährlichen Meinungsbild des Handels und der polizeilichen Kriminalstatistik unter anderem im durchaus sehr unterschiedlichen Anzeigeverhalten der Handelsunternehmen begründet.

Wie erreichen Sie bei Ihrem Personal mit ­welchen Maßnahmen des Identitätsmanagements das nötige Verständnis und die Unterstützung aller Security-Maßnahmen?

Florian Haacke: Geschultes und aufmerksames Personal ist der größte Multiplikator, den wir für Sicherheit im Unternehmen finden können. Das „Abholen" von Führungskräften und Mitarbeitern für das Thema Sicherheit zählt daher zu unseren grundlegenden Tätigkeiten und ist für meinen Fachbereich allgegenwärtig. Jedes Meeting, jedes Gespräch, jede Präsentation usw. sehen wir als Möglichkeiten für einen aktiven Dialog im Unternehmen, aber auch mit Kunden und Lieferanten. In der Metro Group erlebe ich bei meinen Gesprächen ein grundlegendes Vertrauen in unsere Kompetenzen und unser Leistungsspektrum. Diese Offenheit - auch für Sicherheitsargumente - kommt uns natürlich zu Gute und ermöglicht vielfältige Win-Win-Situationen anstelle von mühsamen Diskussionsrunden. Darüber hinaus gibt es in der Metro Group einen konzeptionellen, zielgruppenspezifischen Präventivansatz für die Sicherheitssensibilisierung von Mitarbeitern und Führungskräften einerseits sowie Sicherheitstrainings und -fortbildungen von Sicherheitsverantwortlichen andererseits. Die unterschiedlichen Module und Themen unseres SAFE-Programms (Security Awareness For Employees) entwickeln wir kontinuierlich weiter und ergänzen sie mit neuen Sicherheitsthemen.

Professionelles Security Management verlangt immer mehr nach integrierten Systemen. Ist durch IP-Vernetzung die Unterstützung von Sicherheitsprozessen besser beherrschbar?

Florian Haacke: Wir reden von integriertem Security Management, wenn einzelne Sicherheitssysteme so miteinander verknüpft sind, dass das Zusammenwirken einen erheblichen Mehrwert durch verbesserte Information und Analyse erzeugt. Konkret ist dabei das Ziel, einzelne Daten oder Ereignisse nicht mehr selektiv zu betrachten, sondern ganzheitliche Erkenntnisse zu gewinnen. Diese Integration treiben wir weltweit voran. Internet Protokoll (IP) ist hierbei lediglich eine nutzbare Schnittstelle, um zielgerichtet Informationen zwischen unterschiedlichen Sicherheitskomponenten austauschen zu können. Die Thematik ist mittlerweile so ausgereift und erprobt, dass wir uns entschieden haben sie bereits heute flächendeckend dort einzusetzen, wo unter Berücksichtigung von Kosten/Nutzen-Abwägungen ein tatsächlicher Mehrwert generiert wird. Beispielsweise wird bei Metro Cash & Carry im Rahmen der weltweiten Expansion in allen neuen Märkten IP-Videotechnik eingesetzt, die vor Ort in die vorhandene IT-Infrastruktur der Märkte integriert ist.

Welche verschiedenen Security-Aufgaben ­können Sicherheitsdienstleister für Sie erbringen und welche Erfahrungen haben Sie mit der Fremdvergabe solcher Tätigkeiten?

Florian Haacke: Das Spektrum an Service-Aufgaben, welches an externe Sicherheitsdienstleister vergeben wird, ist im Handel und auch bei der Metro Group erheblich. Neben den klassischen Sicherheitsdienstleistungen wie Bewachung, Alarmverfolgung oder Werttransporte gibt es auch handelsspezifische Sicherheitsdienstleistungen. In diesem Zusammenhang treiben wir in Deutschland beispielsweise gemeinsam mit dem EHI, dem BDSW und der DIHK das Projekt „Sicherheitsfachkraft im Handel" voran. Dieses Projekt hat das Ziel, handelsspezifische Kenntnisse für externe Sicherheitskräfte in den Lehrplänen der Fortbildungslandschaft nachhaltig zu verankern, um mittelfristig besser ausgebildetes und zertifiziertes Sicherheitspersonal zu erhalten. Für Sicherheitsausschreibungen etablieren wir weltweit standardisierte Prozesse, bei denen der Schwerpunkt zunächst auf den Qualitätsmerkmalen der Anbieter liegt, bevor wir über den Preis verhandeln - mit guten Ergebnissen.

Der deutsche Einzelhandel kämpft erfolgreich gegen Falschgeld. Das zeigen die aktuellen Zahlen für das Jahr 2011. Die Bundesbank hatte gemeldet, dass im vergangenen Jahr Falschgeld im Wert von 2,1 Millionen Euro aus dem Verkehr gezogen wurde. Welche Erfahrungen haben Sie mit Falschgeld und wie vermeiden Sie größere Verluste durch die Annahme von Falsifikaten?

Florian Haacke: Die rückläufige Entwicklung des Falschgeldes ist äußerst erfreulich, denn jeder Einzelfall ist ärgerlich und hat einen nicht unerheblichen administrativen Aufwand zur Folge. Zudem wird Falschgeld nicht ersetzt - es entsteht also ein konkreter Schaden. Daher wird das Kassenpersonal regelmäßig geschult, wie es die Sicherheitsmerkmale der Geldscheine erkennt, und es kommen technische Geldprüfgeräte zum Einsatz. Zudem wird die fortschreitende Einführung moderner Cash-Cycle-Systeme das in Umlauf bringen von Falschgeld zukünftig weiter erschweren.

Für den Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) gibt es keine allgemein anerkannte Definition. Wie würden Sie unseren Lesern die in Ihrem Unternehmen praktizierte CSR erklären?

Florian Haacke: Ziel des Metro Group Nachhaltigkeitsmanagements ist es, die Zukunft des Unternehmens wirtschaftlich verantwortungsvoll zu sichern. Man könnte sagen, dass der Erfolg des Unternehmens an Faktoren wie ein intaktes gesellschaftliches Umfeld geknüpft ist. Die Metro Group hat ihre CSR-Strategie fest ins Kerngeschäft integriert. Dazu werden kontinuierlich die relevanten Herausforderungen des Handels identifiziert. Mit Bezug zum für das Unternehmen wichtigen Thema Sicherheit unterstützt die Metro Group beispielsweise den Deutschen Präventionstag, der in diesem Jahr in München unter dem Motto „Sicher leben in Stadt und Land" stattfinden wird.
Vielen Dank für all diese informativen und offenen Antworten und weiterhin viel Erfolg.

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