Prozesstechnische Sicherheit: Ausfallsichere Signalwege und Überspannungskonzepte
In der Prozesstechnik ist die Anlagensicherheit ein wichtiges Thema: Chemische Reaktionen mit unbeabsichtigten Auswirkungen aufgrund technischer Störungen gilt es unbedingt zu verm...
In der Prozesstechnik ist die Anlagensicherheit ein wichtiges Thema: Chemische Reaktionen mit unbeabsichtigten Auswirkungen aufgrund technischer Störungen gilt es unbedingt zu vermeiden. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Signalwege inklusive der an den Endstellen installierten elektronischen Geräte ständig zur Verfügung stehen. Hierzu ist ein Konzept erforderlich, mit dem die Signalwege ausfallsicher gestaltet werden können. Dabei spielen Überspannungskonzepte eine wichtige Rolle. Ein Beitrag von Dipl.-Ing. Ralf Hausmann, Produktmarketing, Überspannungsschutz Trabtech, Phoenix Contact.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) beschäftigt sich intensiv mit dem IT-Sicherheitsgesetz – daraus entstehen Anforderungen an die kritische Infrastruktur. Eine übergeordnete Rolle spielt die erforderliche hohe Anlagenverfügbarkeit. Diesem Zweck dient der Einsatz von Überspannungsschutzgeräten (surge protective devices, SPDs).
Neben dem BSI schreiben auch diverse Normen vor, SPDs zu installieren, um Systeme auch bei widrigen Umgebungsbedingungen ausfallsicher arbeiten zu lassen. So muss gemäß DIN VDE 0100-443 Überspannungsschutz installiert werden, wenn Überspannungen Auswirkungen haben können auf
- Menschenleben
- Öffentliche Einrichtungen und Kulturbesitz
- Gewerbe- oder Industrieaktivitäten
- Ansammlungen von Personen
- Einzelpersonen – zum Beispiel in Wohngebäuden und kleinen Büros, wenn in diesen Gebäuden Betriebsmittel der Überspannungskategorie I oder II errichtet wurden
Daraus geht klar hervor, dass der Einsatz von SPDs in der industriellen Infrastruktur verpflichtend ist.
Wieviel Platz wird hierfür benötigt?
Beim ultra-schmalen Überspannungsschutz Termitrab complete, den Phoenix Contact auf der Hannover Messe 2017 vorgestellt hat, reicht eine Breite von nur 3,5 mm für bis zu drei Signaladern – also kaum mehr als 1 mm pro Ader. Daraus resultiert eine hohe Platzersparnis gegenüber herkömmlichen Baubreiten von bis zu 17,5mm. Da in Großanlagen, wie man sie häufig in der Prozesstechnik findet, oftmals mehrere tausend Signale und entsprechend viele Feldkabel in so genannten High-Density-Marshaling-Cabinets ankommen, spielt der zusätzliche Platzbedarf für einen Überspannungsschutz eine wichtige Rolle.
Diese – am Markt neuen – äußerst kompakten Schutzgeräte ermöglichen mit ihrem geringen Platzbedarf den Aufbau kostenoptimierter Schaltschränke. Beim Anschluss einer hohen Zahl an Signalleitungen kommt es zudem auf die Zeit an – dank der inzwischen marktgängigen Push-in-Anschlusstechnik werden die Adern mit einer Zeitersparnis von bis zu 50 Prozent angeschlossen.
Einsatz in explosionsgeschützten Bereichen
Da für explosionsgefährdete bauliche Anlagen ein erhöhtes Risiko mit oftmals weit reichenden Folgen für Personen und Umwelt besteht, spielen Überspannungsschutz-Konzepte auch hier eine dominante Rolle. Die anzuwendende Normenreihe ist hier die DIN EN 62305. Im Teil 2 wird das so genannte Risiko-Management der baulichen Anlage beschrieben, in dem die Auswirkungen von Blitzeinschlägen betrachtet werden. Sie bezieht sich auf alle baulichen Anlagen – auch auf Anlagen mit Explosionsrisiko nach DIN EN 60079-0. In diesem Umfeld hat sich die Zündschutzart „Eigensicherheit Ex-i“ als sekundäre Schutzmaßnahme als sinnvoll erwiesen. Bei dieser Zündschutzart werden Spannungen und Ströme soweit begrenzt, dass Zündenergie und Zündtemperatur eines explosionsfähigen Gemisches nicht erreicht werden. Speziell für diese eigensicheren Stromkreise ist die DIN EN 60079-11 maßgebend. Auch hier wird auf die Notwendigkeit des Blitz- und Überspannungsschutzes explizit hingewiesen.
Bei Anlagen, die eine hohe Verfügbarkeit erfordern, ist selbst ein Ausfall für kurze Zeit nicht akzeptabel. Bei solchen Anlagen sind auch die Anforderungen an den Überspannungsschutz höher. Für derartige Anlagen sind die Produkte Termitrab complete TTC…-Ex die richtige Wahl. Die Ex-i Zulassung von TTC…-Ex erlaubt einen Einsatz in Feldverteilern der Ex-Zone 1 oder 2. Ergänzende Approbationen attestieren die Eignung nach Fisco (fieldbus intrinsically safe concept), die für den Einsatz an eigensicheren seriellen Datenleitungen erforderlich ist.
Einfache Überwachung
Blitzschutznormen empfehlen auch eine regelmäßige Überprüfung der Schutzgeräte. Dies lässt sich am besten über eine Sichtprüfung durchführen. Die hier vorgestellte Produktfamilie besitzt eine Statusanzeige, die eine Überlast des Überspannungsschutzes direkt auf dem Gerät anzeigt. In vielen Fällen ist es sinnvoll, diese Information nicht nur vor Ort, sondern auch in einer Leitwarte anzeigen zu lassen. Eine regelmäßige Kontrolle vor Ort kann mit dieser „Fernmelde-Funktion“ deutlich reduziert werden.
Optional verfügbare „Fernmeldemodule“, die links und rechts neben den SPDs platziert werden, bieten die Möglichkeit, den Status der installierten SPDs abzufragen. Über einen potentialfreien Kontakt am Fernmeldemodul kann der Status zum Beispiel an eine SPS übertragen werden. Mit dieser Funktion kann somit in ausgedehnten Anlagen der Zustand aller Schutzgeräte überwacht werden. Sollte dabei festgestellt werden, dass ein Schutzelement überlastet worden ist, kann der Austausch – insbesondere bei den steckbaren Ableitern – ohne Werkzeug durchgeführt werden.
Erforderliche Leistung
Die für SPDs relevante Anwendungsnorm (EN 61643-22) beschreibt ein mehrstufiges Überspannungsschutzkonzept. Die erste Schutzstufe sollte der Anforderungskategorie „D1“ entsprechen. Dieser Schutz muss mindestens eine Leistungsfähigkeit von 500 A (Impulsform 10/350 µs) besitzen. Die zweite Stufe des Zonenkonzeptes muss die Anforderungskategorie „C2“ mit einem Ableitvermögen von mindestens 1000 A (Impulsform 8/20 µs) erfüllen. Die dritte und letzte Schutzstufe mit der Anforderungskategorie „C1“ muss ein Ableitvermögen von mindestens 250 A (Impulsform 8/20 µs) aufweisen. Mit diesen drei Kategorien „D1“ + „C2“ + „C1“ kann die Störenergie auf einen für das zu schützende Gerät akzeptablen Wert reduziert werden. Die hier gezeigte Familie „Termitrab complete“ besitzt mehrstufige Varianten, die alle drei Anforderungskategorien erfüllen und somit einen optimalen Schutz bieten.
Zusammenfassung
In der Prozesstechnik besteht für ausgedehnte Anlagen ein erhöhtes Ausfallrisiko durch Überspannungen mit oftmals weit reichenden Folgen für Personen und Umwelt. Der Einsatz von Überspannungsschutzgeräten ist nicht nur empfehlenswert, sondern gemäß DIN VDE 0100-443 auch vorgeschrieben. Mit Termitrab complete hat Phoenix Contact ein maßgeschneidertes Produktprogramm am Markt, das weit mehr als nur das „Grundbedürfnis“ nach Überspannungsschutz abdeckt. Die platzsparende, wartungsunterstützende und robuste Ausführung erlaubt einen vielfältigen Einsatz. Die Ex-i Zulassung dieser Familie ermöglicht ebenso einen Einsatz in Feldverteilern der Ex-Zone 1 oder 2. Ergänzende Approbationen attestieren auch die Eignung nach Fisco.
Wirkungsvolles Schutzzonenkonzept
Die Anwendungsnorm (EN 61643-22, VDE V 0845-3-2) beschreibt ein mehrstufiges Überspannungsschutzkonzept. Jedem Blitzschutzzonenübergang ist hierbei eine Schutzgeräte-Kategorie zugeordnet. „D1“ am Gebäudeeintritt, „C2“ zwischen Zone 1 und 2 sowie als dritte Stufe „C1“ vor dem zu schützenden Gerät. Dieses Schutzkonzept ist mit dem der EN 61643-11 vergleichbar. Die EN 61643-22 zeigt die Beziehung zwischen beiden Normen:
Da es die IEC 61643-22 zulässt, dass alle drei Kategorien „D1“, „C2“ und „C1“ in einem Schutzgerät vereint werden dürfen, kann die Anzahl der SPDs und somit der Platzbedarf gering gehalten werden.
In der hier beschriebenen Produktfamilie Termitrab complete wurden alle drei Schutzstufen auf 3,5 mm Baubreite integriert. Damit gibt es jetzt einen Schutz mit einer extremen Kompaktheit, wie ihn der Weltmarkt sonst nicht bietet.
Business Partner
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32825 Blomberg
Deutschland
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