Schutzmaßnahmen für Handel und öffentliche Bereiche gegen Raubüberfälle

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) werden in Deutschland jährlich etwa 54.000 Raubüberfälle begangen. Diese brutale Kriminalitätsform, die geprägt ist von Gewaltandrohung u...

Dipl.-Verw. Heiner Jerofsky, Kriminalrat a. D.
Dipl.-Verw. Heiner Jerofsky, Kriminalrat a. D.

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) werden in Deutschland jährlich etwa 54.000 Raubüberfälle begangen. Diese brutale Kriminalitätsform, die geprägt ist von Gewaltandrohung und Anwendung von körperlicher Gewalt, hinterlässt bei den Opfern oft schwere physische, psychische und hohe materielle Schäden. GIT SICHERHEIT beschreibt Ausmaß und Gefahren dieser Kriminalitätsform und sucht nach praktikablen Lösungen, die das Raubrisiko für unterschiedliche Opfergruppen und Bereiche mindern helfen.

Tatorte und Opfer

Täter und Kriminalisten fragen sich das Gleiche: Wo sind potentielle Täter und Opfer zu finden und welche Orte und Umstände eignen sich am besten für einen Überfall? Schauplätze solcher Verbrechen können entlegene, ruhige Orte sein wie bspw. Parkanlagen, einsame Wege, wenig bevölkerte Stadtränder oder das Umfeld von Gaststätten, genauso gut aber auch belebte Straßen und Plätze.

Grundsätzlich sind die Tatorte vielfältig und die Opfertypen individuell. Außerdem können Täterpersönlichkeit und hohe Beuteerwartung Taten auslösen. Wir wissen, dass laut PKS von den ca. 54.000 Überfällen etwa die Hälfte auf öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen stattfinden. Der Rest verteilt sich auf unterschiedlichen Örtlichkeiten, wie Zahlstellen (ca. 4.000), Wohnungen (ca. 2.800), Tankstellen (ca. 850), Spielhallen (ca. 500), Geld- und Kreditinstitute (ca. 500), Postfilialen und -agenturen (ca. 120), Kraftfahrer (ca. 420), Taxifahrer (ca. 200), Geldboten (ca. 140) und Werttransporte (4).

Typisch ist auch der sog. Zechanschlussraub (ca. 250) und Überfälle auf Videotheken, Einzelhändler, Supermärkte, Gaststätten aber auch Fußgänger und Radfahrer. Besonders in Großstädten haben die Raubüberfälle zugenommen.

Nach Feststellungen der Polizei greifen Einzeltäter oftmals ein einzelnes, körperlich unterlegenes Opfer an, z. B. betrunkene oder ältere Menschen. Bereits im vergangenen Jahr gab es allein in Leipzig knapp 600 solche Überfälle. Das waren rund 100 mehr als noch im Jahr davor.

Tatausführung, Beute und Täter

Die Tatbegehungsweise bei Raubüberfällen, juristisch Raub oder räuberische Erpressung (§§ 249, 255 StGB), beinhaltet immer Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben als Mittel zur Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Es handelt sich um Verbrechenstatbestände, die mit Freiheitsstrafen nicht unter einem Jahr geahndet werden.

Der Räuber ist somit gefährlicher und brutaler als der Dieb und er sucht sich Opfer aus, denen er körperlich überlegen ist und die seine Beuteerwartungen erfüllen. So werden jährlich ca. 4.500 Handtaschen geraubt oder z. B. an unübersichtlichen Orten unter Vorhalt von Waffen oder gefährlichen Gegenständen die Herausgabe von Bargeld, Schmuck oder Handys erpresst.

Objekte der Begierde von jungen Straßenräubern sind in der Regel Marken-Kleidung, Uhren, Schmuck, mitgeführtes Bargeld und sogar geringwertige Dinge. Gerade beim Straßenraub ist die Gewaltbereitschaft der Täter das besondere Problem. Um einen erwarteten oder tatsächlichen Widerstand der Opfer zu brechen, schrecken sie selbst vor Waffeneinsatz nicht zurück.

Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass die Täter statistisch immer jünger werden. Sie handeln blitzschnell und entfernen sich wieder ebenso schnell. Ein durchgängiges Verhaltensmuster ist beim Straßenraub nicht ersichtlich. Für jugendliche Täter ist das Handeln innerhalb einer Gruppe typisch, wobei zumeist gleichaltrige Opfer angegriffen und ausgeraubt werden. Vor allem bei jugendlichen Straßenräubern steht oftmals nicht nur die Bereicherungsabsicht im Vordergrund; maßgebliche Motive sind vielmehr Dominanzverhalten, Langeweile oder Nachahmung.

Bei Raubüberfällen auf Wohnungen, Einzelhandelgeschäfte, Tankstellen, Postagenturen und Banken ist das anders. Hier sind die Täter aus allen Altersgruppen und bereiten sich auf ihre Taten vor, d. h. sie kennen die Tatorte, die Opfergepflogenheiten und haben auch Informationen über die mögliche Beute. Sie bereiten Fluchtmittel vor und sind in vielen Fällen maskiert.

Deswegen sind immer gleiche Rituale, Gepflogenheiten, Personen, Fahrzeuge, Transportbehälter und Wege nicht von Vorteil. Zusätzlich muss strickte Verschwiegenheit über Transportarten, -wege und -zeitpunkte gewahrt werden.

Sicherungstechnik

Im Privatbereich und im öffentlichen Raum ist der Einsatz von Videotechnik sehr gut geeignet, das Raubrisiko zu mindern. Neben Bahnhöfen, Flugund Seehäfen sind beispielhaft örtliche und regionale Verkehrsbetriebe, Kreditinstitute, Tankstellen, Parkhäuser, Einkaufszentren, Hotels, Banken, große Sportstätten und sonstige Veranstaltungsbereiche zu nennen. Einsatzgebiete sind dabei u. a.:

  • Überwachen von Eingängen und Zufahrten, 
  • Beobachten von Geländeabschnitten, 
  • Überwachung von Innenräumen und

Identifizieren von Personen bei der Zutrittskontrolle oder nach einer Tat.

Die Vorteile von Videoüberwachungen sind offensichtlich: Gefährliche Orte, Geschäfte, Sportstätten, Tiefgaragen und Kassen können relativ kostengünstig und mit geringem Personaleinsatz kontrolliert bzw. überwacht werden. Alle Beteiligten sind sich einig: Der schlimmste aller Fälle ist der Raubüberfall und die damit verbundene Bedrohung von Passanten, Kunden und Mitarbeitern. Dieses Risiko kann durch vorbeugende Maßnahmen minimiert werden, z. B. durch unübersehbare Sicherheitseinrichtungen wie die optische Überwachung mit Videotechnik aber auch durch Zutrittskontrollsysteme, Beleuchtung oder Notrufsäulen.

Auch der Einbau von Überfall- und Einbruchmeldeanlagen ist zu raten. Im Ernstfall kann die hilfeleistende Stelle unverzüglich informiert werden und kann sich ggf. mittels Videofernübertragung zusätzlich ein Bild vom Tatort machen.

Durch diese sichtbare visuelle Beobachtung besteht für potentielle Störer und Rechtsbrecher das Risiko des Erkannt- und Erfasstwerdens. Dies hat erfahrungsgemäß die Wirkung, dass Rechtsverstöße unterlassen werden (Prävention). Im Fall einer konkreten Gefahr besteht außerdem die Möglichkeit schneller Erkennung und Intervention. Durch die Auswertung des aufgezeichneten Bildmaterials kann zusätzlich die Überführung von Tätern erleichtert werden (Repression).

Im Privatbereich bei Wohnhäusern und Wohnungen helfen oft schon Sprechanlagen mit Videotechnik und gut beleuchtete Zugänge.

Bei Juweliergeschäften sind jedoch neben hochwertigem mechanischem und elektronischem Schutz ggf. zusätzliche Personenschleusen und Personaleinsatz nötig. Bei Banken werden die Risiken zunehmend geringer seit immer mehr Geschäftsstellen über automatisch betriebene Kassen verfügen. Bei Tankstellen ist auf freie Sicht zu achten (Fenster nicht durch Regale, Waren oder andere Gegenstände verstellen). Größere Bargeldbestände sollten in einem geeigneten Safe mit Einwurfschlitz aufbewahrt werden, der im Nebenraum steht und vom Kassenraum aus zu bedienen ist. Nach Möglichkeit ist ein gesicherter Nachtschalter einzurichten. Die Installierung einer Überfall- und Einbruchmeldeanlage in Verbindung mit Videoüberwachung ist auch hier sinnvoll.

Schutz durch Profis

Der Schutz durch ständige Präsenz von Polizei oder privaten Sicherheitsdiensten als kommunalen Sicherheitsservice oder in Privatauftrag in Gebieten mit erhöhter Straßenkriminalität sowie an und in speziellen Objekten schreckt potentielle Täter ab und erhöht das subjektive Sicherheitsgefühl der Anwohner, Kunden, Mitarbeitern oder Besucher.

In den gut besuchten Fußgängerzonen der Großstädte, in Einkaufszentren, an Bahn- und Flughäfen, im öffentlichen Personennahverkehr, bei Großveranstaltungen, als Interventionskräfte und zum Schutz besonders wichtiger Personen, wertvoller Gegenstände oder hohen Bargeldbeträgen ist es, trotz moderner Sicherungs- und Überwachungstechnik zusätzlich nötig, qualifiziertes Fachpersonal einzusetzen.

Es steht außer Frage, dass für den Transport größere Geldmengen nur professionelle Geldtransportunternehmen geeignet sind. Die vergleichsweise wenigen Überfälle auf Geldtransportfahrzeuge (in den letzten Jahren zwischen zwei und sechs Fälle) sind meist schnell aufgeklärt. Die Aufklärungsquote liegt fast bei 100 %. Zehntausende solcher Transporte mit Spezialfahrzeugen und ausgebildetem Personal gelangen täglich sicher an ihr Ziel.

Dagegen werden jährlich bis zu 140 private Kassenboten überfallen, beraubt und teilweise erheblich verletzt. Diese Delikte werden nur zu 31 % geklärt.

Verhaltensprävention

Welche Ursachen haben diese Taten und wo sind Ansätze für Prävention? Bei der Ursachenforschung spielen Jugenddelinquenz, die allgemeine Verrohung, bestimmte kriminelle Karrieren, Aussicht auf das „schnelle Geld“ und Drogensucht eine große Rolle. Auch scheinbar „günstige Tatmöglichkeiten“ und leichtsinniges Verhalten der Opfer können Auslöser von solchen Rohheitsdelikten sein.

Sorgloses Verhalten beim Umgang mit Geld und Wertgegenständen reizt Kriminelle zur Tat! So werden viele ahnungslose Senioren Opfer von Handtaschenüberfällen, weil die Täter sie beim Geldabheben oder bei einem Zahlungsvorgang beobachtet haben. Je nach körperlicher Fitness sollte das Geldabheben verdeckt oder mit Begleitung stattfinden und das Mitführen größerer Beträge vermieden werden. Auch der einsame und dunkle Nachhauseweg von der Stammkneipe kann gefährlich werden. Manchmal ist ein Taxi günstiger und sicherer.

Auch Überfalle auf Geldinstitute haben nicht nur materielle Schäden zur Folge. Oft sind die dadurch entstandenen Vertrauensverluste, Imageschäden und psychischen Schäden beim Personal weitaus gravierender. Deshalb erfordert die Planung und Umsetzung von Schutzmaßnahmen besondere Sorgfalt und Erfahrung.

Die Sicherungsrichtlinien für Banken, Sparkassen und sonstige Zahlstellen“, VdS 2472 sowie die Unfallverhütungsvorschriften (UVV Kassen) enthalten Regeln und Empfehlungen für die Sicherung von Geldinstituten gegen Einbruchdiebstahl und Raub auf der Grundlage eines Gesamtkonzeptes. Diese Hinweise beziehen sich sowohl auf personell besetzte als auch auf ausschließlich über Automaten betriebene Geschäftsstellen von Banken und Sparkassen sowie auf ähnliche Einrichtungen in institutsfremden Betriebsstätten, wie z. B. in Kaufhäusern, Bahnhöfen oder Flughäfen. Für das Personal von Banken und anderen Kassen gilt grundsätzlich:

  • Bleiben Sie ruhig und spielen Sie nicht den Helden.
  • keine Gegenwehr und keine schnellen Bewegungen, 
  • das Geld, das der Täter sehen kann, ist auszuhändigen, 
  • prägen Sie sich Größe, Statur, Kleidung, Aussehen, Fluchtmittel und andere Einzelheiten ein und notieren Sie diese sofort nach dem Überfall,
  • lösen Sie nach Möglichkeit stillen Alarm aus, 
  • verständigen Sie unverzüglich über Notruf 110 die Polizei und
  • verwischen Sie keine Spuren. 

Viel Geld – viel Gefahr

Überall dort wo (viel) Bargeld vermutet wird, wie an Kassen, in Einzelhandelsgeschäften und besonders in Tankstellen, Spielhallen, Videotheken und Schnellgaststätten ist besondere Aufmerksamkeit und Vorsicht geboten. In Abend- und Nachtstunden, bei Einzelbetrieb und in betriebsarmen Zeiten erhöht sich die Gefahr zusätzlich.

Die Aufbewahrungsdauer größerer Geldbeträge sollte auch hier möglichst kurz gehalten werden. Das Gleiche gilt für die Transportwege. Die Polizei gibt dazu u. a. folgende Tipps: „Parken Sie Ihr Fahrzeug – insbesondere vor dem Transport von hohen Bargeldsummen oder Geldbomben – keinesfalls hinter dem Gebäude. Beobachten Sie die Personen im Verkaufsraum und auf dem Gelände. Bei Übergabe der Kasse:

  • Vermeiden Sie das offene Zählen des Kassenbestandes vor den Kunden, 
  • beim Transport des Geldes (nach Möglichkeit mit zwei Personen) sollte aufmerksam die Umgebung beobachtet werden, 
  • Wechseln Sie Fahrzeuge und Strecken. 
  • Wenn Sie verdächtige Beobachtungen machen, verständigen Sie sofort die Polizei. 

Auch Juweliere und Schmuckgeschäfte sind immer wieder von brutalen Überfällen betroffen. Bei wertvollem Schmuck gelten ähnliche Regeln, wie bei der Sicherung und beim Umgang mit Bargeld. Professionelle internationale Banden überfallen seit Jahren Juweliere in Deutschland und machen auch von der Schusswaffe Gebrauch.

Deswegen sollten solche Geschäfte zusätzliche Sicherungsmaßnahmen treffen, die dem Wert der Beute entsprechend sind und die das Raubrisiko wesentlich vermindern. Bei solchen maßgeschneiderten Konzepten helfen die örtlichen Kriminalpolizeilichen Beratungsstellen.

Die Mischung macht’s

Jeder Bürger, Geschäftsinhaber und unsere Landes- und Kommunalverwaltungen können viel dazu beitragen, dass die Risiken für Raubstraftaten abnehmen. Moderne Sicherheitstechnik und der angemessene Einsatz von Polizei und Sicherheitsdiensten machen Städte lebenswert und attraktiver.

Auch jeder Einzelne kann etwas tun. Das fängt mit richtigen Verhaltensweisen und der Vermeidung bestimmter Orte zu bestimmten Zeiten an und setzt sich über geeignete organisatorische und technische Maßnahmen fort.

Ausgewogene individuelle Sicherheitskonzepte schützen im privaten- und öffentlichen Bereich vor solchen gemeingefährlichen Straftaten.

Handlungssicherheit und Abbau von Ängsten bedeutet eine Steigerung von Lebensqualität.

Auf die richtige Mischung von Organisation, Technik, Verhalten der Betroffenen und zielgerichteten Einsatz von Polizei und privaten Sicherheitsdiensten kommt es an.

Überwachungssystem erkennt verdächtiges Verhalten

Die Stadt Portsmouth testet derzeit ein von Smart CCTV entwickeltes CCTV-System mit dem Namen Perceptrak. Das Video-Überwachungsungssystem soll dabei helfen, Verbrechen vor der Tat zu verhindern.

Die Kameras sind in der Lage, mithilfe komplexer Algorithmusberechnungen bestimmte verdächtige Verhaltensweisen zu erkennen.

Das System setzt ein Software-basiertes Analyseverfahren ein, das Bildmaterial anhand von 18 verschiedenen vordefinierten Kriterien auf verdächtige Verhaltensweisen hin untersucht.

Dazu zählen zu schnell fahrende Autos oder Personen, die sich länger als üblich in einem Parkhaus aufhalten. Wird solch ein Verhalten erkannt, schickt das Kamerasystem einen Alarm an die Zentrale.

 

Dipl.-Verw. Heiner Jerofsky
Kriminalrat a. D.

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