Videor erfindet sich neu – und geht mit neuen Angeboten ins Jahr 2022
Von der Erweiterung des umfassenden Videotechnikportfolios bis zum Ausbau der Eigenmarke Eneo und des Dienstleistungsangebots: Videor startet mit einer neuen Unternehmensstrategie durch. GIT SICHERHEIT sprach mit Dominik Mizdrak, Gesellschafter-Geschäftsführer von Videor.
GIT SICHERHEIT: Herr Mizdrak, Sie arbeiten ja als Distributor praktisch mit allen Unternehmen zusammen, die im Videosicherheitsmarkt unterwegs sind. Skizzieren Sie uns einmal ein kurzes Lage- und Stimmungsbild so wie es sich Ihnen darstellt?
Dominik Mizdrak: Die Branche hat sich sehr positiv entwickelt. Sehr ordentliche Zuwachsraten in der Videosicherheitstechnik aber auch bei neuen Gewerken wie der digitalen Zutrittskontrolle und Audiotechnik. Der Auftragseingang zeigt weiterhin nach oben, aber wir sehen auch, dass sich das Wachstum aufgrund der anhaltenden Lieferengpässe etwas entschleunigt. Aktuell haben wir einen enormen Abstimmungsbedarf mit Kunden und Herstellern um die sich ständig verändernden Liefertermine zu managen. Die Warenverfügbarkeit ist aktuell der Garant für wirtschaftliches Wachstum und auch für uns entscheidend, Marktanteile sichern und ausbauen zu können.
Insbesondere für die deutsche Wirtschaft rechnet man – jedenfalls nach Einschätzung der bisherigen Bundesregierung im Herbst 2021 – mit geringerem Wachstum als zunächst angenommen. Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und Corona wirken sich hier aus, Sie haben es teils schon erwähnt. Wie wird das aus Ihrer Sicht mittelfristig weitergehen?
Dominik Mizdrak: Vor der zweiten Jahreshälfte 2022 wird es aus unserer Sicht zu keiner Entspannung der weltweiten Lieferengpässe kommen. Dazu ist die Situation zu angespannt und die Kapazitäten der Hersteller sind zu stark ausgelastet. Doch wir sehen auch, dass die Hersteller unter Hochdruck daran arbeiten, ihr Portfolio zu optimieren und Fertigungsstätten zukunftssicher zu machen, um lieferfähig zu bleiben. Wir gehen daher nicht davon aus, dass es zu einer einschneidenden Reduktion des Marktwachstums kommen wird, sondern erwarten eher temporär geringere Wachstumsraten, die sich im Verlauf der zweiten Jahreshälfte aufgrund des Nachholeffekts kompensieren lassen. Ein limitierender Faktor ist derzeit die hohe Auslastung der Facherrichter, die großteils auf vollgefüllte Auftragsbücher blicken.
Sie haben auch 2021 Ihr Angebot erweitert – zuletzt haben Sie zum Beispiel den deutschen Vertrieb der englischen Firma AMG Systems übernommen, seit August sind Sie Distributor von Avigilon mit seinen KI-fähigen Videosicherheitslösungen. Wie wichtig sind diese Ergänzungen für Videor?
Dominik Mizdrak: Wir sind immer bestrebt, unser Markenportfolio gezielt in den Bereichen zu erweitern, wo wir Wachstumspotenziale sehen, und zudem in Marktsegmente vorzustoßen, die uns bis dato nicht vollumfänglich zugänglich waren. Wir sind stolz mit der Firma Avigilon, die ein Teil der Motorola Solutions Gruppe ist, zusammenarbeiten zu dürfen. Der exzellente End-to-end-Ansatz und die KI-fähige Videoanalyse bilden die Basis für das außergewöhnliche und zukunftsträchtige Produkt-Line-up von Avigilon, das im DACH-Markt auf sehr großes Interesse stößt. Mit uns als Distributor bekommen sie Zugang zu einer breiten Käuferschaft und wir können darüber hinaus mit unserer vielfältigen Zusatzdienstleistungen einen wichtigen Beitrag dafür leisten, dass die Lösungen in der Region bestmöglich ergänzt werden. AMG Systems steht für erstklassige Übertragungstechnologie. Für uns ist diese Partnerschaft sehr wichtig, denn sie erlaubt uns, unser Netzwerk- und Medientechnikportfolio mit hochinnovativen Produkten zu ergänzen, die an die Anforderungen unserer Branche angepasst wurden und insbesondere in rauen industriellen Anwendungsfeldern glänzen.
Sie haben im letzten Jahr an Ihrer Strategie gearbeitet. Geben Sie uns einen Einblick?
Dominik Mizdrak: Wir haben im laufenden Geschäftsjahr unsere neue Strategie verabschiedet und sind nun dabei, diese in die Realität umzusetzen. Dabei erfinden wir uns neu, wollen aber gleichzeitig unseren Wurzeln treu zu bleiben. Konkret heißt das, dass wir unseren Kunden in der Distribution ein noch besseres Erlebnis bieten wollen – sei es bei der Kontaktaufnahme, bei der Bereitstellung von Informationen oder bei der Beratung und Unterstützung in der Umsetzung von Projekten. Dies wird sich primär an den Kundenmehrwerten und dem Kundenerlebnis orientieren.
Es geht also durchaus nicht nur um den formalen Auftritt, sondern auch um einen Wandel des Leistungsangebots von Videor?
Dominik Mizdrak: Neben der klassischen Sicherheitstechnik nimmt jetzt auch die Entwicklung innovativer Lösungen, die konkret auf spezifische Kundenanforderungen ausgerichtet sind, einen sehr wichtigen Stellenwert in unserer Unternehmensstrategie ein. Neue Technologien dienen hier als Wegbereiter und wir werden diesen Kurs konsequent verfolgen. Das alles vollzieht sich natürlich nicht im luftleeren Raum, sondern findet inmitten einer gewaltigen gesellschaftlichen Transformation statt, die nicht zuletzt die Arbeitswelt und mit ihr auch die Arbeit selbst grundlegend verändert. Gerade wenn wir noch stärker kundenzentriert und innovativ sein wollen, ist es unumgänglich, die bestehenden Arbeitsweisen zu verändern. Dabei ist es enorm wichtig, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern neue Freiheitsgrade einzuräumen, den Mitgestaltungsspielraum zu erweitern und ein größeres Maß an Eigenverantwortung zu ermöglichen. Die Basis hierfür ist Vertrauen und eine Kultur des Miteinander. Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir diesbezüglich über ein sehr solides Fundament verfügen. Darum sind wir fest davon überzeugt, gemeinsam mit unserer Belegschaft den Wandel erfolgreich angehen und Videor in eine erfolgreiche Zukunft führen zu können.
Kommen wir noch einmal zu Ihrem Markenportfolio zurück – hier nimmt ja die Videor Eigenmarke Eneo eine prominente Stellung ein. Zuletzt kamen beispielsweise neue Hybridrekorder auf den Markt, mit denen Betreiber analoge Videosicherheitssysteme modernisieren können. Worauf dürfen wir 2022 gespannt sein?
Dominik Mizdrak: Die Hybridrekorder der MHR-Serie sind tatsächlich eine wichtige Ergänzung der Eneo Produktpalette. Überall dort, wo es um klassische Videoüberwachung geht, ist und bleibt die Modernisierung von Bestandstechnik ein Thema. Das spiegelt sich in der Nachfrage unserer Kunden nach Hybridkomponenten wider und ist der Grund dafür, dass wir diese Angebotssparte aktuell halten. Wir rechnen weiterhin damit, dass Produkte für den Brückenschlag zwischen Koax- und IP-basierter Technologie auf lange Sicht gefragt bleiben. In der IP-Sparte haben wir zur Jahreswende die neue AN-Serie eingeführt, mit der wir das Eneo Kernportfolio für Standardanwendungen erweitern. Hier werden in den kommenden Monaten weitere, zum Teil sehr leistungsstarke Modelle hinzukommen. Und auch im Eneo OEM-Bereich haben unsere Entwickler einige spannende Neuerungen zur Reife getrieben, die wir sehr bald schon unseren Kunden vorstellen werden. Wie Sie richtig gesagt haben, ist und bleibt Eneo wichtig für Videor und wird sich wie das Unternehmen insgesamt kontinuierlich weiterentwickeln.
Eine interessante Neuerung ist die seit Sommer 2021 angebotene Dienstleistungs-Flat für Facherrichter, Eneo Service Plus. Wie ist das bei den Errichtern bislang angekommen?
Dominik Mizdrak: Sehr gut im Kreis der Kunden, die wir für Eneo Service Plus gewinnen konnten. Allerdings haben wir unterschätzt, wie dick die kommunikativen Bretter sind, die bei diesem Thema zu bohren sind. Was auch daran liegen mag, dass in unserer Branche nach wie vor die Hardware im Mittelpunkt steht: eine Kamera, ein Monitor, eine IP-Zutrittseinheit, das sind alles „handfeste“ Dinge – „What you see is what you get“. Eine Service-Flatrate ist dagegen erst einmal abstrakt, daher von vornherein sehr viel erklärungsbedürftiger, während wir es aufseiten unserer Adressaten mit drastisch verkürzten Aufmerksamkeitsspannen zu tun haben. Spürt der potenzielle Kunde dann auch noch keinen akuten Schmerz in den Bereichen, wo das Eneo Dienstleistungspaket Unterstützung bietet, dann werden die Vorteile kaum noch wahrgenommen, die vertragliche Mindestlaufzeit dafür umso stärker. Diesen Wahrnehmungsfilter zu durchdringen, das ist eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe. Immerhin bestätigen die Kundenbefragungen unseres Vertriebsteams die ursprüngliche Marktanalyse: Ja, es besteht ein Bedarf an Dienstleistungen und der nimmt eher noch zu. Für uns kommt es jetzt darauf an, das Eneo Service-Paket noch besser an diesen Bedarf anzupassen und die Angebotskommunikation noch eingängiger und zielgruppengerechter zu gestalten.
Herr Mizdrak, viele Hersteller betonen die Umweltfreundlichkeit ihrer Komponenten und Lösungen. Maßnahmen gegen den Klimawandel gehören zu den ganz wichtigen Metathemen in allen Wirtschaftszweigen. Welchen Beitrag leistet hier die Videosicherheitstechnik und welche Ansätze sind aus Ihrer Sicht wichtig?
Dominik Mizdrak: Das ist ein Thema, wo es noch einiges zu tun gibt. Die Branche muss umdenken und sich ändern. Was heute als Wegwerfprodukt konzipiert wird, muss in Zukunft länger genutzt werden können. Circular Economy, wie es im Englischen heißt, ist ein nachhaltiger Ansatz, den auch die Hersteller im Bereich der Videosicherheitssysteme in den Fokus nehmen sollten. Das bedeutet konkret, dass Produkte länger eingesetzt werden können, repariert, recycelt oder mit Hilfe von Softwareupdates zukunftssicher gemacht werden können. Spannend sind auch die Ansätze zur Reduktion des Energiebedarfs. 4G- oder 5G-Überwachungskameras mit einem integrierten Solarpanel ermöglichen zum Beispiel den CO²-neutralen Betrieb der Peripheriegeräte. Zu guter Letzt gibt es aber auch viel Nachhaltigkeitspotenzial, das auf relativ einfache Weise im Bereich der Warenlogistik realisiert werden kann. Denn schon heute können wir Verpackungsmaterialien reduzieren oder auf Verpackungsmaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen umsteigen. Bei Videor sind wir uns der Wichtigkeit des Themas sehr bewusst. Eine Vielzahl an Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit haben wir bereits umgesetzt und in unserem CSR-Arbeitskreis werden weitere Schritte diskutiert. So ist die Umstellung unseres Fuhrparks auf E-Mobilität derzeit in vollem Gange. Im Augenblick besteht am Standort in Rödermark die Möglichkeit, Fahrzeuge an zwei Stationen mit Strom aus erneuerbarer Energie zu laden und zukünftig werden wir sechs öffentlich zugängliche Ladepunkte bereitstellen.
Was wird 2022 wichtig für Videor?
Dominik Mizdrak: Wie schon eingangs erwähnt, wird uns die angespannte Liefersituation noch eine ganze Weile beschäftigen. Diese Zeit gilt es mit unseren Kunden und Partnern gut zu überstehen, damit wir mit Vollgas in die zweite Jahreshälfte starten können. Darüber hinaus dürfen sich unsere Kunden und Partner auf einige Neuerungen freuen. Sei es in der optimierten Kundenbetreuung und dem Informationsgrad unseres Webshops, sei es in der Erweiterung unseres Eigenmarken- und Value-Add-Dienstleistungsportfolios. Ein besonderes Highlight werden aber mit Sicherheit die ersten integrierten Lösungen sein, die wir im Laufe des kommenden Jahres auf den Markt bringen werden und auf die ich mich besonders freue. Darüber hinaus wird sich auch unser Standort in Rödermark verändern, denn neue Denk- und Arbeitsweisen erfordern andere Räume. Wir wollen unserem Team optimale Voraussetzungen für kreatives Arbeiten bieten, von der Möglichkeit, sich mühelos über mehrere Standorte hinweg zu vernetzen, über Ruhezonen für konzentriertes Arbeiten bis hin zu Räumen für den persönlichen Austausch. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit der Belegschaft an der Umgestaltung unserer Räumlichkeiten, um all das im kommenden Jahr möglich zu machen. Das neue Raumkonzept wird Kontinuität und Wandel von Videor erlebbar machen. Insofern wird es also nicht nur den rein praktischen Anforderungen entsprechen, die sich aus neuen, flexiblen Arbeitsformen ergeben, sondern es wird auch eine wichtige Funktion bei der Vermittlung unserer starken Unternehmenskultur an künftige Generationen erfüllen.
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