BDSW: Umsatzwachstum in herausfordernden Zeiten
GIT SICHERHEIT im Interview mit Florian Graf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft, BDSW.
Die rund tausend Mitglieder des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW) haben zusammen einen Marktanteil von etwa 70 Prozent der Sicherheitsdienstleistungswirtschaft in Deutschland. Werk- und Objektschutz, Werkfeuerwehren, den Schutz von Veranstaltungen sowie die Überwachung militärischer und kerntechnischer Anlagen gehören unter anderem zum Angebot der Branche. Letztere vermeldet ein Umsatzwachstum von 7 Prozent. GIT SICHERHEIT sprach darüber mit Florian Graf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft, BDSW.
GIT SICHERHEIT: Herr Graf, vor kurzem haben Sie ja Ihre jährliche BDSW-Mitgliederversammlung veranstaltet. Sie fand – bei allen Turbulenzen die die Zeitläufte mit sich bringen – unter wirtschaftlich erfreulichen Vorzeichen statt. Die von Ihnen vertretene Branche der Sicherheitsdienstleister kann insgesamt ein Umsatzwachstum von 7 Prozent vermelden. Hat sich das auf der Versammlung in Form von guter Laune widergespiegelt?
Florian Graf: Die diesjährige Mitgliederversammlung war tatsächlich von guter Stimmung geprägt, denn es war seit langer Zeit zum ersten Mal wieder möglich, die Veranstaltung in Präsenz und unter „normalen“ Bedingungen abzuhalten. Aber ja, die Branche hat ein Plus von ca. 7 Prozent verzeichnen können – was unter anderen an tariflichen Erhöhungen aber natürlich auch an der massiven Nachfrage in der Pandemie liegt. In unserer Branche herrscht deshalb aber keine „Boom-Stimmung“, sondern die Gesamtstimmung ist maßgeblich auch von den Herausforderungen bestimmt, die eben diese beiden Faktoren mit sich bringen.
Es zeigt sich, dass die Branche Stabilität in der Krise bewiesen hat – also vor allem in der Pandemie. So gab es teils zwar durchaus Einbrüche – die aber an anderer Stelle wieder kompensiert wurden. Wie sieht das im Detail aus?
Florian Graf: Der Bereich der Veranstaltungssicherheit zeigt dies leider am deutlichsten. Hier wurde durch die zeitige und vollständige Absage aller Veranstaltungen ein kompletter Branchenzweig von heute auf morgen stillgelegt. Die Unternehmen und Beschäftigten mussten schauen, ob sie anderweitig in der Sicherheit tätig werden konnten. Bei Unternehmen, die in unterschiedlichen Branchensegmenten tätig sind, war dies relativ einfach, denn die Nachfrage beispielsweise für Supermärkte oder anderweite Kontrollen der Corona-Auflagen war ja sehr hoch. Bei Unternehmen, die sich auf die Veranstaltungssicherheit spezialisiert hatten, sah das aber ganz anders aus. Es liegt in der Natur der Tätigkeit, dass in diesem Bereich viele geringfügig Beschäftigte und Teilzeitkräfte im Einsatz sind, da die Veranstaltungen zeitlich sehr begrenzt stattfinden. Diese Kräfte sind in der Folge der Auswirkungen leider zu großen Teilen in andere Wirtschaftszweige abgewandert.
Die Branche könnte durchaus noch mehr leisten – der Personalmangel ist wie in anderen Wirtschaftszweigen auch – eins der Kernprobleme. Sie gehen von rund 11.000 freien Stellen aus...?
Florian Graf: Diese Zahl ist die offizielle Zahl der gemeldeten freien Stellen der Branche bei der Bundesagentur für Arbeit – deshalb gehen wir davon aus, dass die tatsächliche Zahl noch höher ist. Die konkreten Auswirkungen des Personalmangels in der Branche äußern sich meist dadurch, dass viele Unternehmen angefragte Aufträge aufgrund des fehlenden Personals nicht im forderten Umfang, zeitlichen Rahmen oder oft auch in Gänze nicht annehmen können. Auch die hohen Krankenstände durch Coronainfektionen und Quarantänen führen derzeit, wie in allen anderen Branchen, zu zusätzlichen personellen Engpässen.
Corona ist zwar noch längst nicht vorbei – das folgt insbesondere aus den kühlen Analysen der Virologen. Aber wenn es soweit ist, fallen dann nicht Sondereffekte weg und der Personalmangel wird wieder etwas abgemildert?
Florian Graf: Die Zahl der erwähnten freien Stellen ist leider seit Jahren sehr hoch. Hinzu kommt, dass sich die Branche stetig verändert und immer neue Aufgabenbereiche hinzukommen – was im Grunde natürlich erfreulich ist, die personelle Situation aber nicht entspannt. Hinzu kommt der demographische Wandel. Wir rechnen auch nach dem wünschenswerten Ende der Corona-Pandemie weiterhin mit einem Personalmangel in der Branche und haben diese Herausforderung für die nächsten Jahre ganz oben auf unserer To-do-Liste.
Welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich, die Fachkräftefrage effektiv anzugehen – und welche Rolle können Sie als BDSW hier spielen?
Florian Graf: Nach meiner Auffassung ist es essenziell, das Bild der Branche in der Öffentlichkeit zurechtzurücken und damit für potenziell neuen Beschäftigte attraktiv zu sein. Das wird dann auch dazu beitragen, dass sich mehr Menschen für diese Tätigkeiten interessieren und ihre Zukunft langfristig in unserer Branche sehen können. Die Branche bietet mittlerweile so viele spannende und mitunter sehr anspruchsvolle Aufgaben, dass es wichtig ist, insgesamt vom vorherrschenden schlechten „Security-Image“ wegzukommen. Denn leider ist das Image der privaten Sicherheit zuweilen immer noch davon geprägt, was an schlechten Beispielen in der Presse aufgegriffen wird. Dass es sich dabei um Einzelfälle handelt, wird schnell vergessen. Wenn dann noch neue Regelungen durch das zukünftige Sicherheitsgewerbegesetz hinzukommen, die Qualität der Dienstleistung grundlegend steigern, sind wir auf einem guten Weg.
Eins der wichtigen Themen, die die Sicherheitswirtschaft und den BDSW schon seit Jahren beschäftigt, ist die Forderung nach einem Sicherheitsgesetz für private Sicherheit. Es geht Ihnen hier ja vor allem um Qualitätssicherung? Könnten Sie noch einmal zusammenfassen, was Ihnen da im Einzelnen wichtig ist?
Florian Graf: Dieses Gesetz ist uns so wichtig, weil es die gesamte Branche auf eine neue Basis stellen wird. Wenn die Qualitätsanforderungen an Unternehmen und Beschäftigte nicht mehr nur auf den völlig veralteten Regeln des Gewerberechts fußen, gibt uns dies die Chance unsere Branche völlig neu aufzustellen. Wie bereits erwähnt, wollen wir das Image der Branche verbessern. Dabei geht es darum, beispielsweise verbindliche Anforderungen an Qualifikation, Schulung und Weiterbildung aller Sicherheitsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen sowie Führungskräfte für besondere Einsatzbereiche oder die verbindliche Implementierung von Qualitätskriterien in die öffentliche Auftragsvergabe, für die gesamte Branche gesetzlich festzuschreiben. Dadurch wird sich zwangsläufig auch die Qualität der Dienstleistung verbessern.
Wenn es um die Auftragsvergabe geht, soll das wirtschaftlichste Angebot gewählt werden – diese Formulierung meint ja nicht das billigste...?
Florian Graf: Genau, das ist der entscheidende Punkt. Das wirtschaftlichste Angebot bedeutet, dass aus einer Abwägung zwischen Preis und Leistung das „beste“ Angebot ausgewählt wird, anstatt sich ausschließlich auf den Preis zu fokussieren und alle anderen Anforderungen hintenanzustellen oder ganz außer Acht zu lassen. Die von uns geforderten Korrekturen und Veränderung im Vergaberecht würden zu einer eindeutig besseren Praxis führen und das Prinzip der Billigstvergabe endlich beenden. Denn: Billigstvergaben schaden der öffentlichen Sicherheit und dem Ansehen leistungsfähiger und qualifizierter Sicherheitsunternehmen in Öffentlichkeit und Politik.
Könnten Sie das einmal anhand des einen oder anderen praktischen Beispiels untermauern?
Florian Graf: Da gibt es allein aus der Zeit der Flüchtlingskrise ab 2015 leider unzählige Beispiele. „Sicherheitsunternehmen“, die wie Pilze aus dem Boden sprossen, ohne jegliche Erfahrung und mit Mitarbeitern, die völlig neu in der Branche waren, wurden - weil sie das billigste Angebot angegeben hatten - für sensible Tätigkeiten in Erstaufnahme- oder anderen Geflüchteten-Einrichtungen beauftragt. Die Qualität war entsprechend und die Preiskalkulation hat in vielen Fällen dazu geführt, dass die Aufträge am Ende gar nicht ausgeführt werden konnten.
Das Sicherheitsgesetz hat es zur Zeit der letzten Legislaturperiode nicht mehr in den Bundestag geschafft, ist aber nun von der Ampel-Regierung zugesagt. Wie ist jetzt eigentlich der Stand? Gibt es einen Entwurf? Von welchem zeitlichen Ablauf gehen Sie aus?
Florian Graf: Im Rahmen unsere Jahresmitgliederversammlung hat die Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, Rita Schwarzelühr-Sutter, MdB, mitgeteilt, dass die Arbeiten daran laufen und so hoffentlich mit einem baldigen ersten Entwurf zu rechnen ist. Wir erwarten einen Referentenentwurf zum Jahresende.
Ein politisch und gesellschaftlich stark debattiertes Thema ist der Mindestlohn. Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie nicht grundsätzlich dagegen, hätten seine Durchsetzung aber lieber den Tarifpartnern überlassen?
Florian Graf: Es ist verfassungsmäßig verbriefte Recht und damit originäre Aufgabe der Sozialpartner in Tarifverhandlungen Löhne zu vereinbaren. Eine Entscheidung über die Köpfe der Tarifvertragsparteien hinweg bricht mit diesem Grundsatz und beschädigt am Ende auch das Vertrauen in die Tarifautonomie. Auch deshalb steht unserer Branche eine Tarifrunde mit großen Herausforderungen bevor.
Als problematisch sehen Sie nun an, dass der Mindestlohn ja auch für höhere Gehaltsstufen Folgen haben muss...
Florian Graf: Richtig. Wird zukünftig in Deutschland für die einfachsten Tätigkeitsbereiche mit entsprechend niedrigen Qualifikationen ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde gezahlt, stellt sich natürlich die Frage der Lohnabstände zwischen Angelernten und Fachkräften. In unserer Branche beispielsweise ist zudem der steigende Kostenfaktor oft ein maßgeblicher Grund für Stundenreduktionen beim Personal, Insourcing-Prozessen oder auch dem Einsatz von Sicherheitstechnik. Nochmals: Mit der Entscheidung zu dieser Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns hat die Politik die Tarifvertragspartner vor eine große Herausforderung gestellt, deren Bewältigung sich bei den nun anstehenden Tarifverhandlungen zeigen wird.