Jörg Ziercke zur Kriminalitätsstatistik - Uli Hoeneß als Gastredner
Anlässlich der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes am 20.10.2010 erläuterte BKA-Präsident die neuesten Erkenntnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik. Als Gastredner äußerte sic...



Anlässlich der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes am 20.10.2010 erläuterte BKA-Präsident die neuesten Erkenntnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik. Als Gastredner äußerte sich auch Uli Hoeneß zum Thema Gewalt in Fußballstadien. Hier sieht der Präsident des FC Bayern München in erster Linie die Polizei in der Pflicht. Wenn angebliche Fans den Fußball nur dazu benutzten, "um ihr Mütchen zu kühlen", müsse der Staat entschieden eingreifen, forderte Hoeneß bei der BKA-Herbsttagung in Wiesbaden.
Die in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) registrierte Gewaltkriminalität (u. a. Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, Gefährliche und schwere Körperverletzung, Erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme) liegt seit Jahren bei etwa 3 % des gesamten Kriminalitätsaufkommens.
Gewaltkriminalität ist in den letzten zehn Jahren um 11% auf etwa 208.500 Fälle im Jahr 2009 gestiegen. Tötungsdelikte sind in den vergangenen zehn Jahren um 18 % zurückgegangen (2009: 2.277, +0,5 %). Raubdelikte sind in den letzten zehn Jahren um 17 % zurückgegangen (2009: 49.317, -1,2 %). Gefährliche und schwere Körperverletzungen sind in den letzten zehn Jahren um etwa 30 % gestiegen (2009: 149.301, -1,3%). Die Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung sind in den letzten 10 Jahren weitgehend konstant geblieben (2009: 7.314, +0,3%).
Internationaler Terrorismus
In Deutschland gehen die Sicherheitsbehörden von mehr als 1.000 gewaltbereiten Islamisten aus. Die Zahl der Gefährder ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
Derzeit sind 131 Personen als Gefährder, weitere 274 als so genannte „relevante Personen“ eingestuft. In Deutschland werden derzeit 352 Ermittlungsverfahren mit Bezügen zum islamistischen Terrorismus geführt; ihre Zahl ist seit 2001 stetig gestiegen. Allein in Deutschland liegen den Sicherheitsbehörden Informationen zu mehr als 220 Personen vor, die seit Beginn der 90er Jahre eine paramilitärische Ausbildung erhalten haben.
Politisch motivierte Gewalt rechts/links
Das rechtsextremistische Gewaltpotenzial in Deutschland hat sich über die 90er Jahre hinweg fast verdoppelt und belief sich im vergangenen Jahr auf etwa 9.000 Personen. Dabei hat sich die gewaltbereite rechte Szene in ihrer Struktur immer weiter ausdifferenziert. Neben traditionellen NS-affinen Organisationen und der Skinheadszene steht seit etwa fünf Jahren ein Geflecht „Autonomer Nationalisten“ und lockerer Aktionsbündnisse so genannter „Freier Nationalisten“ im Vordergrund.
Das gewaltbereite linksextremistische Spektrum umfasste 2009 insgesamt etwa 6.600 Personen; darunter etwa 6.100 Autonome (92 %).
Im Jahr 2009 wurden rund 19.500 Fälle rechtsextremistischer Kriminalität registriert, darunter rund 960 Gewaltdelikte, in erster Linie Körperverletzungen (85 %). Im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität links“ hat sich die seit dem Jahr 2004 festzustellende Tendenz steigender Fallzahlen im Jahr 2009 noch einmal deutlich verstärkt – mit Zuwachsraten von fast 40 % auf insgesamt rund 9.400 Delikte.
Besonders stark war dabei der Zuwachs an Gewaltdelikten um mehr als 50 % auf über 1.800 Delikte, darunter etwa zur Hälfte Körperverletzungen (850, 47 %). Seit 1990 (bis 2009) wurden polizeilich insgesamt 47 vollendete und 146 versuchte rechtsextremistisch motivierte Tötungsdelikte registriert.
Für die polizeiliche Erfassung reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, dass der Täter grundsätzlich einem rechtsextremen Milieu angehört. Vielmehr muss der Nachweis gelingen, dass der Täter auch im Zeitpunkt der Tat aus einer rechtsextremistischen Gesinnung heraus gehandelt hat. Im selben Zeitraum wurden insgesamt 4 vollendete und 19 versuchte linksextremistisch motivierte Tötungsdelikte registriert, 7 davon im vergangenen Jahr.
Konfrontationsgewalt
2009 wurden über 1.300 Straftaten der rechtsextremistischen Szene gegen Angehörige des linksextremistischen Spektrums registriert. Die Zahl der politisch motivierten Übergriffe „links“ gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Szene stieg 2009 um etwa 20% auf rund 3.600 Fälle – und bildete damit den Schwerpunkt im Bereich „Politisch motivierte Kriminalität links“ (Anteil von 38 %).
Auch der Anteil der politisch motivierten Gewaltdelikte „links gegen rechts“ nahm 2009 zu (+15 %).
Gewalt gegen Polizeibeamte
Politisch motivierte Straftaten, die sich gegen Polizeibeamte oder polizeiliche Einrichtungen richteten, erreichten 2009 mit insgesamt fast 2.200 Vorfällen einen Höchststand seit 2001 (2001: 1.360 Fälle, +60 %). 2009 wurden über 100 politisch motivierte Gewaltstraftaten „rechts“ (+ 23 %) und über 900 politisch motivierte Gewaltstraftaten „links“ (+ 126 %) gegen die Polizei registriert.
Sechs von sieben linksextremistisch motivierten versuchten Tötungsdelikten im vergangenen Jahr richteten sich gegen Polizeibeamte.
Rockerkriminalität
Derzeit gehen die Sicherheitsbehörden in Deutschland von 90 kriminellen Rockergruppierungen mit fast 6.000 Mitgliedern aus, die in über 460 so genannten Chaptern organisiert sind. Auf die vier größten Rockergruppierungen entfallen dabei über mehr als 3.500 Mitglieder (208 Chapter). Der geografische Schwerpunkt (hinsichtlich der Mitgliederzahlen) liegt im Süden und Westen Deutschlands.
Im Jahr 2009 wurden in Deutschland fast 360 Ermittlungsverfahren mit rund 880 der Rockerszene zuzuordnenden Tatverdächtigen geführt. Der Schwerpunkt der Ermittlungsverfahren lag dabei mit 56 % bei Delikten wie Körperverletzungen, Erpressungen und Bedrohungen. 2009 wurden drei Tötungsdelikte, begangen durch Angehörige von Rockergruppierungen, registriert.
Im Jahr 2009 richteten sich insgesamt 40 Verfahren der Organisierten Kriminalität (OK) (von 579) gegen Rockergruppierungen bzw. OK-Gruppen mit Verbindungen zu Rockergruppierungen; allein neun betrafen den Bereich Gewaltkriminalität.
Sexueller Missbrauch von Kindern / Kinderpornografie
2009 wurden in Deutschland 11.319 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern registriert. (-6,1 %). Der Anteil der unter sechsjährigen Missbrauchsopfern lag 2009 bei fast 13 %. Bei der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet stiegen die Fallzahlen um 14% auf mehr als 3.150 Fälle. Innerhalb der letzten zehn Jahre sind die Fallzahlen damit um über 300 % gestiegen.
Gewalt in Fußballstadien
Gastredner Uli Hoeneß sieht hier in erster Linie die Polizei in der Pflicht. Wenn angebliche Fans den Fußball nur dazu benutzten, "um ihr Mütchen zu kühlen", müsse der Staat entschieden eingreifen, forderte Hoeneß.
Auch ein Fußballverein sei Teil der Gesellschaft und zahle Steuern. Beim FC Bayern seien es 100 Millionen Euro pro Jahr. Deshalb könnten Fußballvereine auch die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen, wenn es Probleme mit gewalttätigen Fans gebe, sagte Hoeneß. Hoeneß bezog sich dabei auf Randale sogenannter "Ultras", also radikaler Fans. Diese dürften "nicht mit Samthandschuhen" angefasst werden.
Die Handlungsmöglichkeiten vor allem kleinerer Vereine seien begrenzt. Etwas anderes sei dies höchstens bei großen, finanzstarken Vereinen wie dem FC Bayern, der seit Jahren viel für die Kommunikation mit seinen Fans getan habe und versuche, "Probleme im Ansatz zu lösen".
Hoeneß räumte ein, dass auch der FC Bayern eine kleine "Ultra"-Szene habe. Zum Verbot von Pyrotechnik im Stadion äußerte Hoeneß jedoch mehr im Scherz, dass er zwar im Freundeskreis zu Silvester "als Pyromane bekannt" sei. Er habe dennoch "keine Entzugserscheinungen", wenn in Fußballstadien keine Feuerwerke eingesetzt werden dürfen.
Weitere Informationen:
Den Kurzbericht der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2009 finden Sie hier.
Den Kurzbericht der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2008 finden Sie hier.
Den Kurzbericht der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2007 finden Sie hier.
Der Wissenschaftliche Schriftleiter und Kriminalrat a.D. Heiner Jerofsky wird in den nächsten Printausgaben des Fachmagazins GIT SICHERHEIT + MANAGEMENT auf weitere Aspekte der aktuellen Kriminalstatistik und damit verbundene Entwicklungen eingehen.
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