5G-Campusnetze für Unternehmen und Kritische Infrastrukturen
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns vor Augen geführt, wie wichtig die Resilienz von Unternehmen und kritischen Infrastrukturen (KRITIS) ist. In Zeiten von Sabotage und Cyberangriffen gilt es, sich mehr denn je Gedanken über digitale Sicherheit zu machen. Deutschland benötigt eine sichere, hochverfügbare Mobilfunkkommunikation als Garant einer zuverlässigen und flexiblen Digitalisierung. Ein Beitrag von Bernhard Klinger, Vorsitzender des PMeV-Netzwerk sichere Kommunikation und Chief Strategy Officer von HMF Smart Solutions, einem Mitgliedsunternehmen des PMeV.
Mit 5G steht eine Technologie zur Verfügung, die für die Digitalisierung deutscher Unternehmen entscheidend ist – insbesondere auch für solchen, die den KRITIS zugerechnet werden könne. 5G ist Grundvoraussetzung für viele neue digitale Technologien und Anwendungen.
Eine besondere Bedeutung kommt dabei den 5G-Campusnetzen zu. Das sind geografisch begrenzte, lokale, für besondere Anforderungen wie z. B. industrielle Kommunikation angepasste Mobilfunknetze. Das 5G-Campusnetz darf sowohl die Gebäude als auch die zugehörigen Außenflächen eines Unternehmensstandorts mit Funk versorgen, nicht aber Nachbargrundstücke. Es wird ausschließlich für innerbetriebliche Anwendungen eingesetzt. Für die Unternehmen sind Innovationen in den Bereichen Organisation, Prozesse und insbesondere Technologie unabdingbar.
Das heißt im Einzelnen: eine verstärkte Automatisierung der Prozesse und der Anlagen sowie eine höhere Datentransparenz und digitale Einblicke – Stichwort: „Digital Twin“. Weiterhin bedarf es einer Echtzeit-Analyse und Fehlererkennung z. B. basierend auf künstlicher Intelligenz und einer digitalen Informationserweiterung sowie Fernunterstützung der Mitarbeiter z. B. durch externe Experten. Und schließlich sind eine zuverlässige Konnektivität, eine Interoperabilität unterschiedlichster Bereiche und der sichere Datenaustausch untereinander die Basis, um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können.
Flexibilisierung von Prozessen
5G-Campusnetze können einen konkreten Beitrag leisten, um die notwendigen Innovationen voranzutreiben: Ein paar Beispiele generischer 5G-Anwendungen für Campusnetze: 5G ermöglicht eine kabellose Datenübertragung von Maschinen und damit eine schnelle und flexible Anpassung der Produktionsprozesse. Sichere fahrerlose Transportsysteme und – damit verbunden – äußerst flexible Transportabläufe können realisiert werden. Der Einsatz von Datenbrillen ermöglicht eine digitale Informationserweiterung der Mitarbeiter. Dies führt zu einer Erleichterung und Beschleunigung von Arbeitsprozessen. Wichtig zu nennen ist auch das Thema der vorausschauenden Wartung, auch als „Predictive Maintenance“ bekannt, zur Minimierung und Eliminierung von Betriebsunterbrechungen. Letztendlich gewährleisten diese bespielhaften Anwendungen hohe Flexibilität und deutliche Kosteneinsparungen, indem sie die Effizienz im Unternehmen signifikant steigern.
„Das“ Einsatzszenario gibt es für 5G-Campusnetze nicht. Vielmehr hängen die konkreten Anwendungen individuell von den Anforderungen der Unternehmen z. B. an Flexibilität, Effizienz, Zuverlässigkeit, Sicherheit und auch der Latenz, also den Reaktionszeiten, ab. Diese anwendungsgerechte Flexibilität ist eines der wesentlichen Leistungsmerkmerkmale von 5G. Deshalb eignen sich 5G-Systeme für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche. Die drei Leistungsmerkmale bilden den 5G-Lösungsraum, in dem sich die Anwendungsbereiche bewegen können: Viele Teilnehmer – hoher Datendurchsatz – und geringe Latenz. Das sind zum Beispiel Anwendungen, bei denen eine extreme Dichte von Endgeräten erforderlich ist. Hierzu zählen Smart-City-Lösungen. Es können aber auch Anwendungen sein, bei denen es auf einen hohen Datensatz ankommt. Das gilt beispielsweise für Augmented-Reality-Anwendungen. Oder auch autonome Fahrzeuge – wie z. B. Drohnen oder fahrerlose Transportsysteme –, bei deren Steuerung extrem geringe Latenzen erforderlich sind. Hierbei wird also eine zuverlässige Echtzeitfähigkeit benötigt.
Stärkere Vernetzung reduziert Sicherheitsrisiko
Gelegentlich sind Bedenken zu vernehmen, wonach eine stärkere Vernetzung auch ein höheres Sicherheitsrisiko für Unternehmen darstellen kann. Ist dem aber so? Die stetig zunehmende Vernetzung ist ein Phänomen der Digitalisierung. Sie lässt sich als solche nicht verhindern. Der Sabotageakt auf das GSM-R-Kommunikationssystem der Deutschen Bahn hat jedoch gezeigt, dass „ein“ Netz für viele Anwender besonders einfach zu sabotieren ist – und das mit großem Schaden. Der Einsatz von dedizierten, in sich geschlossenen lokal begrenzten Campusnetzen verringert hingegen das Risiko eines großflächigen Schadens erheblich. Und auch Datensicherheit und Datenhoheit werden erheblich gestärkt.
Mit einem eigenständigen Campusnetz ist es möglich, dass die Unternehmensdaten komplett auf dem eigenen Campus verbleiben – und der Besitzer oder Nutzer eines Campusnetzes kann selbst bestimmen, welche Daten er nach außen gibt und welche Daten er von außen in sein Netz reinlässt. Das gilt auch für den Schutz des Campusnetzes gegenüber Cyberangriffen.
Auch KRITIS setzen auf Campusnetze
Bei 5G haben wir es mit einem breiten Anwenderspektrum zu tun. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat die Anwendungsbereiche in seiner 5G-Strategie für Deutschland unter den Oberbegriffen Industrie 4.0, intelligente Mobilität, Medien der Zukunft, E-Health, intelligente Versorgungsnetze und Smart Farming zusammengefasst. Das erklärt auch das große Interesse sehr unterschiedlicher Branchen an 5G-Campusnetzen: Aus der Industrie sind es vor allem die großen Konzerne der Automobilindustrie, darüber hinaus Unternehmen aus verschiedenen Branchen wie z. B. BASF, Osram oder Lufthansa, die aktiv 5G-Campusnetze aufbauen und Anwendungen testen.
Zu den ersten 5G-Nutzern zählen auch Flughäfen, Seehäfen, Stadtwerke/kommunale Unternehmen, Kliniken, Forschungsinstitute, Hochschulen und Universitäten. Bislang hat die Bundesnetzagentur rund 293 Lizenzen (Stand Januar 2023) zugeteilt. Etwa die Hälfte aller zugeteilten Frequenzen sind an Unternehmen gegangen, die einer Veröffentlichung ihrer Lizenz nicht zugestimmt haben. Hier handelt es sich um sogenannte „Early Adapters“, welche sich frühzeitig mit den Potentialen von 5G auseinandersetzen. Denn der Erfahrungsvorsprung von heute ist der Wettbewerbsvorteil von morgen.
Eigenes Netz oder Mitnutzung?
Hat sich ein Unternehmen oder eine Institution für ein 5G-Campusnetz entschieden, so stellt sich die Frage, ob es ein eigenes Netz betreiben oder ein 5G-Netz eines kommerziellen öffentlichen Mobilfunkanbieters mitnutzen soll. Betreibt ein öffentlicher Mobilfunknetzbetreiber ein 5G-Campusnetz, so fungiert er auch als Dienstleister. Er stellt die Campusservices schlüsselfertig bereit. Bei dieser Variante ist das Anwenderunternehmen in hohem Maße von den Netzeigenschaften des Netzbetreibers am Ort des Unternehmens abhängig. Dies kann zu Einbußen in Bezug auf die Flexibilität, die Performance und womöglich auch die Sicherheit des Netzes führen.
Für viele Unternehmen ist aber die Unabhängigkeit von Mobilfunknetzbetreibern und vom öffentlichen Mobilfunknetz von entscheidender Bedeutung. Die Abrechnung erfolgt beim öffentlichen 5G-Campusnetz in der Regel periodisch – z. B. nach Anzahl der SIM-Karten, also nach Anzahl der drahtlosen Geräte, die auf dem Campus genutzt werden. Zu beachten ist hierbei, dass die Herstellung einer individuellen Funkversorgung, zum Beispiel in Gebäuden, einmalig nach Aufwand abgerechnet wird, also nicht Bestandteil der monatlichen SIM-Kartenabrechnung ist.
Vorteile dedizierter 5G-Campusnetze
Eine Entscheidung für ein „dediziertes“ – also eigenes – Campusnetz bedeutet Unabhängigkeit von den Eigenschaften des Netzes eines öffentlichen Netzbetreibers am Unternehmensstandort. Der Campuseigentümer ist im Prinzip sein eigener Netzbetreiber. Planung, Bereitstellung und Betrieb erfolgen praktisch in Eigenregie. Bei diesem Modell sind die Betriebskosten unabhängig von der Anzahl der drahtlosen mobilen Geräte. Allerdings müssen beim Aufbau eines eigenen Campusnetzes höhere Anschaffungskosten einkalkuliert werden.
Das Know-how zum Aufbau und Betrieb eines eigenen 5G-Campusnetzes muss dabei jedoch nicht zwangsläufig im Unternehmen verankert sein. Planung, Bereitstellung und der Betrieb des Netzes können von qualifizierten Partnern und Servicedienstleistern durchgeführt werden. So erhält das Unternehmen ein maßgeschneidertes individuelles Netz, das entsprechend den individuellen Anforderungen optimiert ist. Sollten neue individuelle Anforderungen des Unternehmens eine Erweiterung der Leistungsmerkmale des Netzes erfordern, so ist auch das möglich.
Ein eigenes 5G-Campusnetz ist zukunftssicher. Das Unternehmen hat es selbst in der Hand, wenn erforderlich das Campusnetz entsprechend anzupassen. Lösungen zur Netzoptimierung leisten einen wichtigen Beitrag zur Stärkung eines Unternehmens. Als weitere Vorteile eines dedizierten 5G-Campusnetzes seien genannt: Ein lizensiertes Frequenzband bietet alleinigen Zugriff auf die volle Netzkapazität. Ein individuelles Netzdesign ist exakt abstimmbar auf die eigenen Anforderungen. Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Datensouveränität liegen in der eigenen Hand. Angesichts steigender Sicherheitsanforderungen an die Kommunikationsinfrastruktur ist der Aufbau eines privaten 5G-Netzes auch eine große Chance, die Datensicherheit und Datenhoheit zu erhöhen. Mit einem eigenständigen Campusnetz ist es möglich, dass die Unternehmensdaten komplett auf dem eigenen Campus verbleiben.
Standardisierung als fortlaufender Prozess
Bei der Standardisierung von 5G handelt es sich um einen fortlaufenden Prozess. Sie erfolgt in sogenannten Releases, welche jeweils einen bestimmten Leistungsumfang beinhalten. Ein neues Release kommt etwa alle zwei Jahre auf den Markt. Ein Unternehmen muss also schauen, ob die Leistungsmerkmale des jeweils aktuellen Releases seine individuellen Anwendungen unterstützen. Die derzeit verfügbare 5G-Technik beinhaltet überwiegend das Release 15. Der Leistungsumfang ist bereits für eine Vielzahl von Anwendungen – insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – geeignet.
Unabhängig von den Releases ist es besonders auch für KMU empfehlenswert, sich mit 5G frühzeitig auseinanderzusetzen: Sie können mit einem kleinen System beginnen, welches sich dann sukzessive erweitern lässt.
Hemmnis für Unternehmen
Das entscheidende Hemmnis, das Unternehmen und KRITIS gegenwärtig noch davon abhalten könnte ein 5G-Campusnetz aufzubauen, liegt in der Herausforderung, den Mehrwert von 5G zu quantifizieren und damit die Wirtschaftlichkeit in eine 5G-Investition zu bewerten. Daher werden die Kosten für 5G-Konnektivität von den meisten der Unternehmen als größtes Problem angesehen. Insbesondere schätzen viele Unternehmen diese Kosten im Vergleich mit dem erwarteten Mehrwert noch als zu hoch ein.
Für KMU treten die genannten Probleme noch verstärkt auf, da sie in der Regel nicht über die finanziellen und personellen Kapazitäten für Pilotprojekte verfügen. Aufgrund der Unsicherheit in dieser frühen Phase ergreifen die KMU häufig nur die Initiative, wenn eine staatliche Förderung möglich ist. Die Forderung nach einer staatlichen Förderung beim Aufbau von Campusnetzen hat der PMeV-Netzwerk sichere Kommunikation bereits anlässlich der Bundestagswahl 2021 an die zukünftige Regierung gestellt.
PMeV bietet Branchendialog an
Das PMeV-Netzwerk sichere Kommunikation hat bereits Anfang 2021 einen Arbeitskreis zu Breitbandlösungen für Kritische Infrastrukturen und Unternehmen gegründet. Ziel des neuen Arbeitskreises ist es, die Zukunft der Digitalisierung der deutschen Wirtschaft mitzugestalten. In diesem Rahmen bietet der PMeV interessierten Branchenverbänden Informationen und einen Dialog zu 5G-Campusnetzen an. Dabei bringen wir als Verband die Kompetenz und Expertise der im PMeV-Netzwerk vertretenen Planungsunternehmen, Anwendungsentwickler, Infrastrukturanbieter sowie Servicedienstleiter von einsatz- und geschäftskritischen Breitbandlösungen in den Dialog mit den Anwendern der Unternehmen ein und wollen gemeinsam Entwicklungen vorantreiben.
Komponenten eines 5G-Campusnetzes
Bei einem 5G-Campusnetz handelt es sich um ein Mobilfunknetz. Es besteht grundsätzlich aus den gleichen Systemkomponenten wie ein Schmalbandfunknetz: dem stationären Funkteil, also den Basisstationen beziehungsweise dem Radio Access Network, den drahtlosen Funkkomponenten (Wireless Devices) und dem Verwaltungs- beziehungsweise Steuerungsteil, bei 5G-Systemen „Core“ genannt. Das Radio Access Network kann sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Basisstationstypen zusammensetzen, um den individuellen Anforderungen der jeweiligen Anwendung gerecht zu werden. Es gibt Basisstationen für die Außenversorgung bis hin zu Kleinstbasisstationen (Femtozellen) für die Innenraumfunkversorgung. Eine Vielzahl drahtloser Funkkomponenten steht als geeignetes Equipment für das jeweilige Einsatzszenario (Use Case) zur Verfügung. Die Core-Software läuft in der Regel auf handelsüblicher Hardware und fungiert auch als Schnittstelle zur lokalen/externen Applikationsebene. Ein 5G-Campusnetz besteht also aus einer überschaubaren Anzahl von Komponenten, mit denen sich sowohl Kleinstsysteme als auch größere und große Systeme realisieren lassen.
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