27.01.2025 • Topstory

Drohnenortung für kritische Infrastrukturen

Mathias Böswetter ist Fachgebietsleiter KRITIS-, Cyber- und Sicherheitspolitik beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der Spitzenverband der Energie- und Wasserwirtschaft vertritt mehr als 2.000 Unternehmen, darunter die großen Energieversorger und Übertragungsnetzbetreiber. Daneben vertritt der Verband aber auch viele kommunale und regionale Unternehmen, darunter viele Stadtwerke. In seinem Beitrag für GIT SICHERHEIT befasst sich der Autor mit dem Schutz kritischer Infrastrukturen vor möglichen Angriffen durch Drohnen oder Drohnenschwärmen. Dabei erkennt er in der Drohnentechnologie auch einen mächtigen Katalysator für neue Anwendungen, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und neuer Sensorik, wodurch Innovationszyklen beschleunigt werden.

Mathias Böswetter, Fachgebietsleiter KRITIS-, Cyber- und Sicherheits­politik...
Mathias Böswetter, Fachgebietsleiter KRITIS-, Cyber- und Sicherheits­politik beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)
© Frederic Schweizer / Foto-Sicht

Nach mehr als zwei Jahren Krieg in der Ukraine, der von ununterbrochenen Cyberangriffen und kinetischen Angriffen durch Drohnen sowie Marschflugkörper­ auf das ukrainische Energiesystem geprägt ist, lassen sich für den Schutz der Energie­infrastrukturen in Deutschland drei Lehren ziehen: 

  • 1. Die vollständige Abhängigkeit der Ukraine von Großkraftwerken macht ihre Energieversorgung besonders verletzlich für Cyberangriffe und kinetische Angriffe. Die Energiewende dezentralisiert und diversifiziert das Energiesystem zunehmend und macht das Energiesystem so immer resilienter. Sie führt dazu, dass Risiken verteilt und Redundanzen geschaffen werden. Die Energiewende wird damit zur Resilienzwende. 
  • 2. In Zukunft ist allerdings deshalb auch zu erwarten, dass kommerzielle Drohnen und Drohnenschwärme bei Angriffen auf Energieinfrastrukturen eingesetzt werden. Gerade aufgrund der Energiewende wird das Szenario von Angriffen mit Drohnenschwärmen immer wahrscheinlicher, da dezentrale Wind- und Solarparks zunehmend konventionelle Großkraftwerke ersetzen. 
  • 3. Künftig werden Betreiber von Energie­infrastrukturen auf Systeme zur Angriffserkennung angewiesen sein, die sowohl einzelne Drohnen als auch ganze Schwärme aus einer Entfernung von mindestens einem Kilometer schnell und zuverlässig erfassen können – unabhängig von Licht- und Witterungsverhältnissen.

Drohnenortung durch Passivradar

Photo
Drohne vom Typ DJI Matrice M210 im Vorder­grund und Passivradar-Lösung vor dem PKW. Im Hintergrund ein LTE450-Sendemast.
© Fraunhofer FKIE

Vor diesem Hintergrund wächst die Bedeutung des Schutzes kritischer Infrastrukturen als auch der Drohnentechnologie erheblich. Die Drohnentechnologie ist ein mächtiger Katalysator für neue Anwendungen, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und neuer Sensorik. Durch sie werden Innovationszyklen beschleunigt, die Kosten durch Skalierung kommerzieller Lösungen gesenkt und die Integration von Künstlicher Intelligenz sowie leistungsfähiger Sensorik befördert. 

Bei Sabotageakten und in Krisengebieten werden Energieinfrastrukturen angegriffen, um auch die Abhängigkeiten anderer Infrastrukturen von der Energieversorgung gezielt auszunutzen. 

Insbesondere kommerzielle Telekommunikationsnetze sind auf eine stabile Energieversorgung angewiesen. Im Gegensatz zu dedizierten Telekommunikationsnetzen, wie es das 450-MHz-Funknetz für die Energiewirtschaft und andere Betreiber kritischer Infrastrukturen ist, verfügen kommerzielle Telekommunikationsnetze oftmals über keine oder keine ausreichende Notstromversorgung. Ihr Ausfall kann deshalb weitreichende Folgen haben, was der Cyberangriff auf das KA-SAT-Satellitennetzwerk zu Beginn des Ukraine-Kriegs infolge eines Cyberangriffes deutlich gemacht hat. Als Kollateralschaden eines russischen Cyberangriffes, der eigentlich der Ukraine galt, wurde damals die Fernwartung von tausenden Windkraftanlagen unterbrochen. Der Wiederaufbau der Fernwartungsverbindung dauerte Monate und verlangte den Austausch der durch den Cyberangriff beschädigten Modems. 

KRITIS-Projekt nutzt 450-MHz-Funknetz

Die Verfügbarkeit von präzisen und aktuellen Geodaten kritischer Energieinfrastrukturen über diverse Onlineressourcen ermöglicht schon heute die Planung und Durchführung orchestrierter Angriffe mit vorab programmierten Drohnen oder Drohnenschwärmen. Dadurch erübrigt sich der Einsatz eines Drohnenpiloten insbesondere im Fall von Drohnenschwärmen, da hierbei keine hohe Präzision der einzelnen Drohnen im Zielanflug notwendig ist. Während die meisten Drohnen-Aufklärungstechniken darauf beruhen, den Kommunikationslink zwischen Drohne und Pilot zu entdecken, sind autonom fliegende Drohnen, die keine Signale aussenden, deutlich schwieriger aufzuklären. Gängige Techniken zur Detektion von passiven Drohnen beruhen auf Sensoren wie z. B. Radar, Lidar oder hochauflösenden Kameras.

Vor allem wenn das bereits für die kritischen Infrastrukturen bereitgestellte 450-MHz-Funknetz als Beleuchter genutzt wird, bietet sich als alternativer und deutlich kostengünstigerer Sensor ein passives Radar-System an. Das 450-MHz-Funknetz wird von der Firma 450connect betrieben, einem Joint Venture der Energie- und Wasserwirtschaft. Das Funknetz, bei dem LTE-Funktechnologie (4G / 5G) zum Einsatz kommt, unterstützt die Energiewirtschaft in Deutschland in unterschiedlichen Anwendungsbereichen – von der Netzüberwachung und -steuerung über die Anbindung von Erzeugungs- sowie Verbrauchsanlagen bis hin zur Auslesung der für die Digitalisierung der Energiewende so wichtigen intelligenten Messsysteme. Zu den energiewirtschaftlichen Anwendungsbereichen zählt außerdem die Sprachkommunikation mit Wartungs- und Reparaturteams, sowohl im Normalbetrieb als auch in Krisensituationen wie flächendeckenden Stromausfällen. Dabei ist das 450-MHz-Funknetz bis zu 72 Stunden schwarzfallfest. 

Einerseits entfallen durch eine Nutzung des 450-MHz-Funknetzes als Beleuchter Lizenzgebühren für Radar-Sendefrequenzen. Andererseits muss kein dedizierter Radar-Beleuchter bereitgestellt werden, der zudem Funk-Anwendungen im Umfeld von Siedlungsgebieten stören könnte. Passivradar kann als ausgereifte Technologie bezeichnet werden und ist auch kommerziell erhältlich. Dabei werden allerdings vornehmlich digitale Radio- oder Fernsehsignale genutzt, mit denen auch erfolgreich die Drohnendetektion nachgewiesen werden konnte. 

Funktionsprinzip Passivradar: Messung der Differenz der Ankunftszeit des...
Funktionsprinzip Passivradar: Messung der Differenz der Ankunftszeit des „direkten“ Signals von einem 450 MHz-Sender und des gleichen Signals, nachdem es auf dem Ziel gestreut wurde.
© BDEW

Experimenteller Nachweis

Vor diesem Hintergrund haben sich der BDEW, das Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE und die Firma 450connect dazu entschlossen, einen experimentellen Nachweis für die Eignung einer LTE450-Basisstation des 450-MHz-Funknetzes als Beleuchter zur Passivradar-Detektion einer Drohne zu liefern.

Das 450-MHz-Funknetz bietet als Beleuchter gegenüber anderen Gelegenheitsquellen den Vorteil, dass es auf die Bedarfe kritischer Infrastrukturen zugeschnitten ist, eine bundesweite und flächendeckende Beleuchtung ermöglicht und für Jahrzehnte verfügbar sein wird. Ein weiterer Vorteil dieses Funknetzes liegt in den günstigen Ausbreitungseigenschaften des 450-MHz-Frequenzbandes und den damit verbundenen hohen Reichweiten bei gleichzeitig guten Reflexionseigenschaften an der Drohne. 

In den Experimenten konnte daher auch nachgewiesen werden, dass die eingesetzte Drohne vom Typ DJI Matrice M210 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in einer bistatischen Entfernung (Sender und Empfänger sind an getrennten Orten aufgebaut) von über einem Kilometer detektiert werden kann.

Sicherheitspolitische Lage verlangt neue Partnerschaften

Die Energie- und Wasserwirtschaft hat in Bezug auf Krisen eine steile Lernkurve hinter sich. Während der Pandemie, als es unter anderem aufgrund von Unterbrechungen globaler Lieferketten zu Lieferengpässen bei Fällmitteln für die Wasseraufbereitung und Abwasserentsorgung kam, und während der Energiekrise zu Beginn des Ukraine-Kriegs hat sie gelernt, schnell zu handeln und gemeinsam mit der Politik pragmatische und unbürokratische Lösungen zu finden, um sowohl die Energie- und Wasserversorgung zu sichern als auch die Bevölkerung finanziell zu entlasten.

Diese Lernkurve ist umso bemerkenswerter, da die Energiewirtschaft als Produkt der europäischen Integration, Liberalisierung und vor allem der sogenannten Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Kriegs gilt. Über Jahrzehnte hinweg spielten Sicherheits- und Geopolitik in diesem Bereich keine zentrale Rolle: Wie in vielen Sektoren war der Fokus auf globale Kooperation und die zunehmende Vernetzung der Lieferketten gerichtet.  

Angesichts der aktuellen sicherheitspolitischen Lage ist die Energie- und Wasserwirtschaft daher jedoch auf neue Partnerschaften angewiesen, um auf die veränderten geopolitischen Herausforderungen vorbereitet zu sein. Aus Sicht der Energiewirtschaft ist die Stärkung der zivil-militärischen Kooperation dabei ein wichtiger Baustein, insbesondere um im Fall eines Bündnisfalls ein gemeinsames Verständnis über Fähigkeiten, Bedarfe und rechtlichen Rahmenbedingungen zu entwickeln. Denn hunderttausende Soldatinnen und Soldaten würden dann vorübergehend oder dauerhaft zusätzlich auf dem Bundesgebiet stationiert sein. Einerseits muss ihre Versorgung mit Energie und Wasser im Sinne der Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses und aufgrund der Bündnisverpflichtungen der Bundesrepublik gegenüber den Bündnispartnern sichergestellt werden. Andererseits muss die Energie- und Wasserwirtschaft weiterhin in der Lage sein, ihrem Versorgungsauftrag gegenüber der Bevölkerung uneingeschränkt zu erfüllen.  

Die Diskussionen auf dem Drone Day 2024, organisiert vom BDEW und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), machten zudem deutlich, dass die Zusammenarbeit zwischen der Energie- und Wasserwirtschaft und der heimischen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie eine wichtige Grundlage für neue Partnerschaften bilden kann. Diese Zusammenarbeit trägt dazu bei, die technologische Souveränität zu stärken und die Abhängigkeit von Drittstaaten bei der Bereitstellung kritischer Technologie zum Schutz unserer Infrastrukturen zu reduzieren.  

Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des...
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung und Mitglied des Präsidiums des BDEW im Gespräch mit Generalleutnant André Bodemann, Befehlshaber Territoriales Führungskommando der Bundeswehr am Rande des Drone Day 2024.
© Marius Schwarz

Business Partner

BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft

Reinhardtstr. 32
10117 Berlin
Deutschland

Kontakt zum Business Partner







Meist gelesen