19.12.2024 • Topstory

Einsatzkritische Kommunikation: Frequentis digitalisiert Schienennetz der Schweizer Bundesbahn

Ein im September 2024 von der Schweizer Bundesbahn (SBB) erteilter Auftrag an das Unternehmen Frequentis ist ein wichtiger Meilenstein im Geschäft mit digitalisierten Kommunikationssystemen für Eisenbahnen. Das Wiener Unternehmen Frequentis implementiert und wartet dabei eine neue Systemplattform mit dem Namen IMS Service BTA.

Die Systemplattform ist so konzipiert, dass sie bis weit ins nächste Jahrzehnt im Übergang zur einsatzkritischen Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung (MCX) auf 5G-Mobilfunkstandard eingesetzt werden kann. Implementiert wird IMS Service BTA als rein softwarebasiertes System. Die dabei angewandte Technologie ersetzt die bisherigen Dispatcher-Systeme in den Leitzentralen, indem sie die Kommunikation zwischen den Leitstellen, den Zügen, dem Bahnpersonal und den Notfallteams miteinander vernetzt. 

MissionX – Schlüsseltechnologie von Frequentis

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Ende-zu-Ende-Systemlösung für einsatzkritische Breitbandkommunikation: alle Funk-Netzwerke unabhängig von ihren technologischen Standards verknüpft
© Frequentis AG

Im Rahmen von „MissionX“, seiner Ende-zu-Ende-Systemlösung für einsatzkritische Breitbandkommunikation, hat Frequentis ein Konzept entwickelt, mit dem alle Funk-Netzwerke unabhängig von ihren technologischen Standards verknüpft werden können. Der Ansatz der „Bearer Independent Communication“ wird konsequent weitergeführt. Die Anwendungen für Endbenutzer sind dabei von den Übertragungssystemen entkoppelt. Für die Bedienung benötigt das Personal keine zusätzlichen Spezialendgeräte. Die Daten sind auf den Bildschirmen der Kontrollzentren genauso abrufbar wie auch auf Tablets und Smartphones.

Mit seiner neuen Produktgeneration auf Basis der digitalen Plattform FTS 3020 adressiert Frequentis einen Markt, der in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich wachsen wird, ebenso wie der Bedarf an Bandbreite. So erfordern die Technologien des automatisierten Fahrens (Automatic Train Operation) und das Europäische Zugsicherungssystem ETCS schnell getaktete Steuerinformationen. Zugleich müssen die von Sensoren und Kameras gesammelten Daten zeitnah verarbeitet werden. Darüber hinaus dienen die Systeme zur Vorbeugung und zum Management von Störungen mit geringen Latenzzeiten. Neben dem exponentiellen Wachstum der Datenmengen im Bahnverkehr werden auch personelle Engpässe bei den Eisenbahnen die Digitalisierung der Kommunikation beschleunigen.

Das Future Railway Mobile Communication System, kurz FRMCS, bildet hier die System-Architektur für das künftige 5G-basierte Kommunikationssystem der europäischen Bahnen. Entwickelt wird es durch den internationalen Eisenbahnverband UIC und die Unternehmen der Eisenbahnindustrie, mitfinanziert durch die Europäische Union. Frequentis, erläutert Thomas Karl, im Unternehmen Vice President Public Transport, habe hier bei MCX in den letzten Jahren den Sprung in die Produktphase geschafft: „Wir haben den Beweis erbracht, Kommunikationssysteme auf Basis von MissionX, unsere Systemlösung für die sicherheitskritische Kommunikation über 4G- und 5G-Mobilfunknetze, zu kommerzialisieren.“ Die ersten Aufträge auch im Bahnbereich konnte Frequentis bereits an Land ziehen, einen von der ÖBB und zuletzt im September einen weiteren vom Privatbahnbetreiber NöVOG im österreichischen Bundesland Niederösterreich.

Standardisierung der 5G-Kommunikationssysteme im Schienenverkehr

Mit ersten öffentlichen Ausschreibungen rechnet Frequentis-Experte Karl in den nächsten Jahren. „2027 oder 2028 wird das Marktfenster für die großen Investitionen aufgehen.“ Bis dahin soll die Standardisierung der 5G-Kommunikationssysteme im Schienenverkehr abgeschlossen sein. Zielkunden sind staatsnahe Eisenbahnen in Europa, wo in den nächsten Jahrzehnten eine Hochleistungs-Infrastruktur entstehen soll. Um die bestehenden Kommunikationssysteme umzurüsten, ist der Investitionshorizont der Eisenbahnen in Richtung FRMCS auf zehn bis 15 Jahre angelegt, erläutert Karl. „Alle unsere Kunden befinden sich in einer Migrationsphase, in der sie Bestandstechnologie erhalten müssen und zugleich Lösungen benötigen, mit denen sie die neue Technologie ausrollen können.“ 

Für Frequentis bedeutet das auch, das Produktportfolio ständig mit neuen Lösungen für den nahtlosen Übergang zwischen den Systemen zu ergänzen. Beispielsweise mit Modulen, die es ermöglichen, dass herkömmliche GSM-R- und 5G-Mobilfunknetze gemeinsam einen Notruf absetzen können. Und weil die Eisenbahngesellschaften ihre Budgets effektiv einsetzen müssen, entwickelt Frequentis investitionsschonende Anwendungen für die betriebliche Kommunikation auf Basis öffentlicher Mobilfunknetze. Im Rahmen der Bearer-Independence-Technologie für die Kommunikation über offene mobile Netzwerke hat Frequentis 2023 eine Lösung bei SNCF in Frankreich platziert. 

Potenzial KI-basierte Drohnen

Einsatzkritische Kommunikation

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Der künftige Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist ein weiterer potenzieller Zukunftsmarkt in der Digitalisierung der Eisenbahn. Einer der Einsatzbereiche ist die Instandhaltung von Schienenstrecken mit Hilfe von Drohnen. Branchenexperten beziffern die jährlichen Instandhaltungskosten auf bis zu 10 000 Euro pro Kilometer Bahnschiene. Niederschwellige Lösungen mit Hilfe von Drohnen-Überwachungsflügen könnten enorme Kosteneinsparungen bewirken.

Im Teststatus sind die autonom fliegenden Drohnen, die Frequentis in Kooperation mit der ÖBB von Hangars aus startet, um bestimmte Streckenabschnitte und Bahn-Infrastrukturen zu überwachen. Als nächste technologische Schritte hat Frequentis die vollautomatische Auswertung der von den Drohnen aufgezeichneten Videobilder sowie die KI-basierte Vollüberwachung einzelner Strecken einschließlich der Weiterleitung der Bilder an eine Zentrale im Blick.

Nach drei Forschungsprojekten im Rahmen des 2020 gestarteten „Harmony“-Programms - inhaltlich aufgeteilt in Datensammlung, Entwicklung der Plattform und dem Anlernen der Datenanalyse per KI – hat Frequentis den Status der Vorproduktreife für eine fahrzeuggestützte Lösung erreicht. In der Praxis bedeutet das: Hardware und Softwareplattform sind für den Betrieb in Fahrzeugen zugelassen. Als nächsten Schritt plant Frequentis hier, eine Eisenbahngesellschaft für das erste Projekt zu gewinnen. 

Das Bahngeschäft ist dem Geschäftsbereich Public Safety & Transport zugeordnet, der zuletzt rund 30 Prozent am Gesamtumsatz stellte. Weil die Abnehmer überwiegend Behörden und staatliche Betriebe sind, macht Frequentis in der Regel keine Angaben zu den Auftragsvolumina. Die über einen mehrjährigen Zeitraum gestaffelten Erlöse sorgen für langfristig kalkulierbare Einnahmen. Langfristig eröffnet sich mit der Digitalisierung der Eisenbahnen für Frequentis ein Geschäftsfeld, das in der Sparte Public Safety & Transport Umsatz und Margen weiter in die Höhe schieben kann.

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