Frank Richard über seine Aufgaben und das neugebaute OSC der Messe Frankfurt
Mit rund 550 Millionen Euro Umsatz und mehr als 2.200 Mitarbeitern ist die Messe Frankfurt eines der weltweit führenden Messeunternehmen. Im August letzten Jahres wurde das neue Op...
Mit rund 550 Millionen Euro Umsatz und mehr als 2.200 Mitarbeitern ist die Messe Frankfurt eines der weltweit führenden Messeunternehmen. Im August letzten Jahres wurde das neue Operation & Security Center (OSC) in Betrieb genommen. Das nach einer zweijährigen Bauphase fertiggestellte OSC führt alle beteiligten Dienste unter einem Dach zusammen. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit dem Leiter des OSC Frank Richard am Heimatstandort Frankfurt.
Die Messe Frankfurt ist in mehr als 160 Ländern für ihre Kunden präsent. Die Unternehmensgruppe besitzt ein globales Netz aus 28 Tochtergesellschaften und rund 50 internationalen Vertriebspartnern. Die 578.000 Quadratmeter Grundfläche der Messe Frankfurt umfassen zehn Hallen. Weiterhin werden zwei Kongresszentren betrieben. Das Unternehmen befindet sich in öffentlicher Hand, Anteilseigner sind die Stadt Frankfurt und das Land Hessen.
GIT SICHERHEIT: Herr Richard, das neue OSC ist seit ca. acht Monaten in Betrieb. Welche Erfahrungen haben Sie bisher gemacht? Gab es bereits Bewährungsproben bei Großveranstaltungen?
Frank Richard: Neben dem „Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit" war die Automechanika, Weltleitmesse der Automobilwirtschaft, im September vergangenen Jahres die erste Großveranstaltung, die wir von unserem neuen Standort aus betreut haben. Es hat alles reibungslos funktioniert, das gesamte Team war mit dem Ablauf sehr zufrieden. Das geplante Konzept der kurzen Wege und das Arbeiten „Schulter an Schulter" von Behörden, Sicherheitsorganisationen und den Mitarbeitern der Messe Frankfurt hat sich vom ersten Tag an bestens bewährt.
Können Sie unseren Lesern die Aufgaben und Funktionen des OSC näher beschreiben, und welche unterschiedlichen Bereiche sind dort integriert?
Frank Richard: Das Operation and Security Center vereint unter einem Dach die Zentrale Leitstelle, die Unternehmens- und Veranstaltungssicherheit, den Brandschutz und die Gebäudeleittechnik der Messe Frankfurt. Gleichzeitig beherbergt das OSC die Behördenvertreter der Polizei und Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz sowie den Sicherheits- und Ordnungsdienst.
Wie muss man sich die Arbeit und die Besetzung der Sicherheitsleitstelle vorstellen und ist sie vergleichbar mit einer üblichen Notruf- und Service-Leitstelle (NSL)? Ist der Betrieb auch bei Stromausfall sichergestellt?
Frank Richard: Die Leitstelle ist an 365 Tagen rund um die Uhr besetzt. Bei Veranstaltungen werden zusätzlich zu dem Stammpersonal der Leitstelle Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes sowie der Polizei und Feuerwehr als Kontaktpersonen und Disponenten eingesetzt. In der Leitstelle des
Operation and Security Center werden neben allen sicherheitsrelevanten Themen auch sämtliche Meldungen der Gebäudeleittechnik bearbeitet. Es werden unter anderem aktive Betriebssteuerungsprozesse im Vorfeld programmiert und entsprechend der Veranstaltung geschaltet. Da in einer NSL in der Regel auf Alarmmeldungen in Form von klassischer Alarmverfolgung reagiert wird, ist die Leitstelle des OSC mit dieser nicht zu vergleichen. Aufgrund einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) und einem Notstromaggregat ist der Betrieb des gesamten Operation and Security Centers jederzeit sichergestellt.
Wann ist die integrierte Polizeistation im Messegelände besetzt und für welche öffentlichen und nicht öffentlichen Bereiche ist sie bei Veranstaltungen zuständig? Erstellen Sie für jede Veranstaltung gemeinsam eine Risikoanalyse?
Frank Richard: Als einziger Messestandort in Deutschland haben wir in Frankfurt eine permanent besetzte Polizeiwache, die auch außerhalb von Großveranstaltungen werktags besetzt ist. Während Großveranstaltungen ist die Messewache zum Teil rund um die Uhr besetzt. Da sich die Polizeiwache auf dem Messegelände befindet, unterscheiden wir nicht zwischen öffentlichen und nicht öffentlichen Bereichen. Die Polizei wird in den Prozess der Risikobewertung jeder Veranstaltung eng eingebunden. Als Betreiber stellen wir so die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den anderen Sicherheits- und Hilfsorganisationen sicher.
Welche Aufgaben übernimmt der dort untergebrachte Sicherheitsdienst und durch welche Kräfte wird er bei Großveranstaltungen unterstützt? Gibt es so was wie eine Task Force?
Frank Richard: Der Sicherheits- und Ordnungsdienst betreut unsere Besucher und Aussteller in Sicherheitsfragen. Bei gemeldeten Straftaten werden die Betroffenen zur Polizeiwache begleitet. Sicherheitsstreifen kontrollieren das Gelände und die Hallen. Sie achten darauf, dass alle sicherheitsrelevanten Vorschriften eingehalten werden, um so einen sicheren Veranstaltungsbetrieb zu gewährleisten. Durch fachspezifisches Know-how und Schulungen (Benimmregeln, Ansprache, VIP-Begleitungen, Dokumentation und Protokollierungen bis hin zu Erste-Hilfe-Trainings) können die einzelnen Sicherheitsgruppen schneller und kompetenter auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Darüber hinaus wird der klassische Objektschutz im Tag- und Nachtdienst wahrgenommen.
Welche besondere technische Ausstattung hat das OSC und welchen Umfang und welche Bedeutung haben Gefahrenmeldeanlagen, Videoüberwachung und Zutrittskontrolle für die Sicherheit des Messegeländes?
Frank Richard: Die Leitstelle steuert über 200 Überwachungskameras und die gesamte Gebäudetechnik. Darunter fällt die Aufnahme sämtlicher Stör-, Alarm- und Notrufmeldungen, beispielsweise die Information über einen Verkehrsunfall auf dem Gelände, der Defekt eines stecken gebliebenen Aufzuges oder auch die Meldung eines Kollegen, der seinen Mitarbeiterausweis verloren hat. Direkte Verbindungen zum Deutschen Wetterdienst helfen den Mitarbeitern in der Leitstelle frühzeitig, auf Wettergefahren reagieren zu können. Das ist nicht nur zu Auf- und Abbauzeiten wichtig, sondern auch während einer Veranstaltung, wenn das Freigelände z. B. mit Leichtbauhallen bestückt ist. Durch die Integration einer der maßgeblichen technischen Sicherheitseinrichtungen, der Elektronischen Lautsprecheranlage, ist im Ereignisfall das Abspielen von Sicherheitstexten von einem Standort aus möglich.
Wie muss man sich die Arbeit und die Besetzung der Sanitätsstation während einer großen Messe vorstellen? Haben Sie bei großen Messen auch einen Arzt auf dem Gelände und gibt es einen Hubschrauberlandeplatz?
Frank Richard: Unsere Medical Station ähnelt der Notaufnahme eines Krankenhauses. Wir verfügen über mehrere Behandlungsräume, Ruheräume und einen komplett ausgestatten Schockraum. Zu diesem gehören unter anderem ein Ultraschallgerät, EKG und weitere medizintechnische Geräte für die Notfallversorgung. Die Besetzung (Mindestens Rettungssanitäter/Rettungsassistent, Notarzt, RTW, NEF etc.) ist abhängig von der Größe und Art der Veranstaltung, insbesondere der durchschnittlichen täglichen Besucherzahlen auf dem Messegelände während der Veranstaltung, einer individuellen Risikobewertung, z. B. Publikumsprofil, Wetter usw., zu erwartender Anzahl von Hilfeleistungen im Sinne statistischer Erkenntnisse je Tag auf dem Messegelände. Für den Bereich des Sanitäts- und Rettungsdienstes der Messe Frankfurt werden alle Hilfeleistungen im Rückmeldezahlensystem für den Sanitäts- und Rettungsdienst der Messe Frankfurt erfasst. Dieses Rückmeldezahlensystem basiert auf dem im hessischen Rettungsdienst seit 2001 etablierten System der Rückmeldeindikation und des Rückmeldecodes. Für den Bereich der Messe Frankfurt wurde dieses Raster speziell modifiziert, um die besonderen Versorgungsschwerpunkte besser abzubilden. Hierdurch ist es möglich, eine genaue Aussage über Art und Umfang der durchgeführten Hilfeleistungen zu treffen. Selbstverständlich ist die Landung eines Rettungshubschraubers jederzeit auf dem Gelände der Messe Frankfurt möglich.
Der vorbeugende und abwehrende Brandschutz ist ein zentrales Sicherheitsthema bei Großveranstaltungen. Welche Aufgaben hat die integrierte Feuerwache und ist die Brandmeldezentrale auch in den Räumen des OSC? Wie ist die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Frankfurt bei Großveranstaltungen und Messen organisiert?
Frank Richard: Das Thema Brandschutz gewinnt seit vielen Jahren eine immer größer werdende Bedeutung. Im OSC ist die Brandmeldezentrale für das gesamte Messegelände untergebracht, sodass auch externe Einsatzkräfte im Ereignisfall, z. B. bei einem Brandmeldealarm, diese Stelle als Erstanlaufpunkt auf dem Messegelände anfahren können. Dort erhalten sie weitere Information, aus welchem Gebäude der Liegenschaft der Alarm gemeldet wurde. Im Veranstaltungsbetrieb bei Großveranstaltungen wird eine eigene „Abschnittsführungsstelle Messe" in der Leitstelle eingerichtet. Die Gruppe besteht aus einem Führungsassistenten, Messemitarbeitern, dem Koordinator Rettungsdienst, dem Mitarbeiter des Ordnungs- und Sicherheitsdienstes und ggf. weiteren Personen. Die „Feuerwache Messe" ist besetzt, und ein Löschfahrzeug ist ebenfalls vor Ort. Kurze Wege und direkter Informationsaustausch runden das Konzept unseres OSC ab. Gemäß einem eigens erstellten „Einsatzkonzept Brandsicherheitsdienst" wird für jede Veranstaltung eine Risikobewertung Brandschutz erstellt. Entsprechend diesem Ergebnis wird ein Brandsicherheitsdienst in der passenden Personalstärke festgelegt. Die Messe Frankfurt arbeitet seit Jahren eng mit der Branddirektion Frankfurt zusammen. Durch unsere Brandschutzbeauftragte besteht ein intensiver Kontakt zwischen der Messe Frankfurt und der Feuerwehr. Die verschiedensten Themen, die uns in der Veranstaltungsbranche begegnen, werden bei Bedarf zusammen abgestimmt. Qualifizierte und engagierte Mitarbeiter der Branddirektion ermöglichen uns stets eine zügige Bearbeitung aufkommender Fragestellungen.
Wie und durch welche technischen und baulichen Mittel können Sie eine gute Kommunikation zwischen den einzelnen Diensten innerhalb des OSC erreichen? Kann man von der Sicherheitsleitstelle aus Lautsprecherdurchsagen in die Hallen und ins Freigelände durchführen?
Frank Richard: Schon bei der Planung des neuen OSC haben sich alle sicherheitsrelevanten Dienste eng miteinander abgestimmt. Der Aspekt Kommunikation stand im Vordergrund. Durch den Einsatz von Glaswänden und großzügigen Sichtachsen haben wir Transparenz und Nähe geschaffen. Gemeinsame Aufenthalts- und Sozialräume fördern den persönlichen Kontakt. Neben den baulichen Maßnahmen sind selbstverständlich die neuesten technischen Kommunikationsmittel unabdingbar. Hierzu gehört beispielsweise eine eigene digitale Funkzelle. Von der Leitstelle aus können mithilfe der elektronischen Lautsprecheranlage (ELA) Durchsagen in allen Hallen und im Freigelände erfolgen. Alle Durchsagen können entweder digital hinterlegt werden oder live eingesprochen werden.
Wie muss man sich die gemeinsame Lage- und Gefährdungsbeurteilung durch die einzelnen Dienste vor einer Messe vorstellen? Wie ist die Zusammenarbeit unter dem Dach der OSC?
Frank Richard: Wesentlich für die Sicherheitsorganisation der Messe Frankfurt ist, bereits im Vorfeld einer Veranstaltung möglichst exakt zu bestimmen, welche Sicherheitsanforderungen für das Event besteht. Abhängig von der Art der Veranstaltung, der Anzahl der zu erwartenden Besucher, der Veranstaltungsinhalte und der spezifischen Umgebungsbedingungen gilt es, die Risiken für alle Beteiligten zu bewerten und angemessene Schutzmaßnahmen zu treffen. Die Bewertung erfolgt anhand dokumentierter Risikobewertungen durch die Polizei, den Brandsicherheitsdienst (Feuerwehr), den Sanitäts- und Rettungsdienst sowie den Ordnungs- und Sicherheitsdienst. Auf Grundlage der Risikobewertungen erfolgt die Festlegung der Einsatzstärke der externen Dienste und die Benennung der Einsatzleiter in einem „Sicherheitswachenplan". Um jederzeit die Koordination der Sicherheitsorgane zu ermöglichen, wird der „Sicherheitswachenplan" mit Namen und Kommunikationsdaten an die Einsatzleiter der verschiedenen Organisationen verteilt.
Sie und Ihr Team sind auch an der Sicherheitsplanung anderer großer Messen beteiligt.
Frank Richard: Richtig, alle Veranstaltungen, die auf dem Gelände und in den Gebäuden der Messe Frankfurt stattfinden, unterliegen unserem standarisierten Prozess zur Erstellung einer Sicherheitskonzeption. Das Notfallmanagement ist unabhängig der Konzeption immer gültig.
Wie und durch was unterscheiden sich die Sicherheitsmaßnahmen der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt und der Intersec in Dubai oder Buenos Aires?
Frank Richard: Jede Veranstaltung der Messe Frankfurt wird im Vorfeld auf mögliche Risiken hin bewertet. Die Anforderungen und die Festlegung der notwendigen Maßnahmen sind immer auf die Bedarfe der einzelnen Veranstaltungen abgestimmt und werden vor Ort umgesetzt. Im Ausland geschieht dies in enger Abstimmung mit dem Betreiber des jeweiligen Messegeländes.
Welche neuen Projekte planen Sie mit dem OSC-Team und wo liegen dort die Herausforderungen?
Frank Richard: Wir tragen dafür Sorge, dass alle Menschen, die auf unser Gelände kommen, egal ob Mitarbeiter, Dienstleister, Aussteller oder Besucher, dieses auch wieder sicher und wohlbehalten verlassen. Aus diesem Grund entwickeln wir uns ständig weiter und werden uns in den nächsten Jahren mit allen sicherheitsrelevanten Funktionen des Unternehmens noch enger verknüpfen.
Vielen Dank für das offene und freundliche Gespräch.
Business Partner
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