Funksysteme in der Industrie – was Sie dazu wissen müssen

Ob Handys, Garagenöffner oder Navigationssystem: Im Alltag werden Funk­lösungen ganz selbstverständlich genutzt, während in der Industrie bei der Steuerung von Maschinen noch vornehmlich auf kabelgebundene Lösungen gesetzt wird. Aber auch hier ist Funk auf dem Vormarsch, wie Schlegel-­Produktmanager Torsten Singer im Interview mit GIT SICHERHEIT erläutert. Denn Funk hat für bestimmte Einsatzbereiche klare Vorteile.

Torsten Singer, Produktmanager bei Georg Schlegel. © Georg Schlegel GmbH & Co....
Torsten Singer, Produktmanager bei Georg Schlegel. © Georg Schlegel GmbH & Co. KG

GIT SICHERHEIT: Herr Singer, was versteht man unter einer Funklösung und wie funktioniert Funk?

Torsten Singer: Eine Funklösung oder besser ein Funksystem ist ein Kommunikationssystem, das eine kabellose Datenübertragung ermöglicht. Einfach gesagt: Eine Anwendung sendet ein Funksignal über eine bestimmte Frequenz an einen Empfänger, der dieses Signal mit seiner Antenne erfasst und verarbeitet.

Die Reichweite von Funksignalen hängt hauptsächlich von der Frequenz, der Signalstärke und der Dämpfung durch Gegenstände ab. So dämpft Metall etwa deutlich stärker als Holz. Im Grundsatz (mit Ausnahmen) gilt: je höher die Frequenz, desto geringer die Reichweite und größer die Datenrate. Für die unterschiedlichen Anforderungen an Funklösungen gibt es viele Funktechnologien und -standards, ob dies nun WLAN, Bluetooth, ZigBee oder EnOcean ist, die in den lizenzfreien Frequenzbereichen unter 1 GHz (z. B. 868 oder 915 MHz) oder von 2,4 GHz bis 5 GHz arbeiten.


Wo sehen Sie die Vorteile einer Funk­lösung für den Einsatz in der Industrie?

Torsten Singer: Der größte Vorteil liegt in der Flexibilität. Der Einsatz von Funksystemen kann überall erfolgen, ohne dass der Bewegungsfreiraum durch ein Kabel einschränkt wird. Funk ist daher immer dann sinnvoll, wenn eine Verkabelung den Betrieb stören oder sogar gefährden würde, der Verkabelungsaufwand sehr hoch ist oder es einfach nicht möglich ist, Kabel zu legen. Man sollte aber auch den Aspekt des Komforts nicht vergessen, denn oftmals erleichtert Funk die Bedienung von Maschinen oder Anlagen erheblich. Funk ist oft auch die günstigere Lösung, wenn die Teilnehmerzahl sehr hoch ist, weil der hohe Verkabelungsaufwand wegfällt. Mit Funk lassen sich Teilnehmer viel einfacher und schneller in ein bestehendes Funknetz integrieren und das theoretisch fast grenzenlos.


Warum wird dann nicht viel häufiger auf Funklösungen gesetzt?

Torsten Singer: Die passende Lösung für ein bestimmtes Einsatzgebiet zu finden, ist bei Funk etwas komplexer als bei kabelgebundenen Systemen. Im Funkbereich sind viele Faktoren zu beachten, wie etwa andere Funksysteme, die im gleichen Frequenzbereich arbeiten, oder das Umfeld, in dem das System verbaut werden soll. Selbst Umwelteinflüsse wie das Wetter können das Funksignal beeinflussen.

Und natürlich bietet Funk nicht nur Vorteile. Entscheidende Nachteile von Funk sind das offene System und die Störanfälligkeit. Im Grunde kann jeder, der sich in der Reichweite eines Funksystems befindet, dessen Signale empfangen und lesen. Daher ist zur Sicherung des Signals ein entsprechender Aufwand zu betreiben, etwa durch das Verschlüsseln der Daten. Bei sehr sensiblen Daten müssen manchmal sogar Störsender angebracht werden, damit die Daten erst gar nicht von einer anderen Quelle empfangen werden können. Denn auch verschlüsselte Daten lassen sich mit entsprechendem Aufwand wieder entschlüsseln.


Gibt es technische Hilfen, um negative Einflüsse zu mindern?

Torsten Singer: Das Senden von Daten kann durch ein ungünstiges Umfeld wie z. B. Betonwände oder durch Störsignale von anderen Funksystemen negativ beeinflusst werden. Während man bei dämpfenden Gegenständen das Signal durch verstärkende Repeater verbessern kann, muss man bei störenden Signalen anderer Funksysteme tiefer in die Trickkiste greifen. So nutzen manche Systeme zum Beispiel Frequenzsprünge, um in ein weniger belastetes Frequenzband zu wechseln oder prüfen vorab, ob der Kanal frei ist und senden erst dann die Daten.

Wichtig ist: Funksysteme entwickeln sich immer weiter, werden zuverlässiger und sicherer. Ein gutes Beispiel dafür ist das neue 5G-Netz, das sogar autonomes Fahren ermöglichen soll. Auch in der Industrie zeigen Statistiken einen stetigen Zuwachs an eingesetzten Funksystemen in den letzten Jahren und prognostizieren eine noch höhere Verbreitung in den nächsten Jahren, sodass man davon ausgehen kann, dass sich Funk auch in der Industrie weiter etablieren wird.


Gibt es technische Restriktionen oder Mindestanforderungen beim Einsatz von Funklösungen?

Torsten Singer: Konkrete Mindestanforderungen gibt es grundsätzlich nicht, außer natürlich, dass das Funksystem die Daten den Anforderungen und dem Umfeld entsprechend sicher und zuverlässig liefern können muss. Jedoch sind zwei wichtige Punkte zu beachten: die Frequenz, auf der gesendet werden soll, und die gesetzlichen Richtlinien.

Es ist nicht erlaubt auf einer beliebigen Frequenz zu senden, viele Frequenzen sind lizenzpflichtig und zudem hat jedes Land seine eigenen Bestimmungen, welche Frequenz überhaupt genutzt werden darf. Und wer Funksysteme in Verkehr bringen will, muss sich außerdem mit der Richtlinie 2014/53/EU (Funkanlagen-Richtlinie bzw. Radio Equipment Directive, RED) befassen, um die Konformität für das System erklären zu können.


Was hat Schlegel beim Thema ­Funklösungen zu bieten?

Torsten Singer: Schlegel bietet aktuell zwei Systeme mit einer Funklösung an. Bei den batterielosen Funktastern von Schlegel wird die notwendige Energie für das Senden des Signals mit jedem Tastendruck von einem elektrodynamischen Stromaggregat generiert. Das System ist damit unabhängig von einer Energiequelle und nutzt das sogenannte Energy Harvesting. Das Prinzip ist auch als EnOcean bekannt. Dahinter steht eine Allianz aus Unternehmen, die Ökosysteme nach dem wartungsfreien Funkstandard (ISO/IEC 14543-3-10/11) fördern und ermöglichen. Unser Funktaster ist nach diesem EnOcean Standard zertifiziert.

Der Sender bei den batterielosen Funktastern befindet sich im Kontaktelement, das mit verschiedenen Betätigungselementen kombiniert werden kann. Dies kann eine Drucktaste, aber auch ein Wahl- oder Schlüsselschalter sein. Zusätzlich bietet Schlegel dazu passende Empfänger an, die verschiedene Anforderungen, wie zum Beispiel Spannung, Anzahl der Sender oder Relaisausgänge erfüllen, und auch weitere Module wie einen Bus-Aktor, einen Repeater oder ein Schaltnetzteil.

Das andere System ist unser Gehäuse proboxx mit S-Wave Funktechnologie von Steute. Die proboxx kann mit 1 bis 4 Befehlsstellen besetzt werden, eine interne Batterie versorgt das System mit Energie. Während der batterielose Funkschalter die erzeugte Energie nur einmalig zum Versenden nutzen kann, ist es bei der proboxx mit Hilfe der Batterie möglich, weitere Funktionen zu generieren, z. B. das Überprüfen des Ladezustands der Batterie. Ist dieser zu gering, weist eine kontinuierlich rot blinkende LED auf einen notwendigen Batteriewechsel hin. Der Energiebedarf der Funk-proboxx ist aber so gering, dass die Lebensdauer der Batterie bei einmaliger Betätigung pro Minute ca. 6 Jahre beträgt.


Wie sicher ist das System?

Torsten Singer: Um Datenverlust durch Kollisionen zu verhindern, wurde bei der Funk-proboxx das sogenannte LBT (Listen Before Talk) implementiert. Mit LBT wird vorab geprüft, ob der Funkkanal frei ist, sodass der Empfänger die Daten auch sicher empfangen kann. Passend zur Funk-proboxx gibt es zwei verschiedene Empfänger: einen mit 4 Funkkanälen und je einem potentialfreien Relaisausgang und einen mit TCP/UDP/IP Anbindung, RJ45-Schnittstelle für 10/100 Base-T-Ethernet und Webbrowser-Verwaltung. Beide Empfänger können bis zu 40 Sender verwalten.

Die batterielosen Funktaster wie auch die Funk-proboxx nutzen die lizenzfreie Übertragungsfrequenz von 868 MHz. Die niedrige Frequenz ermöglicht Reichweiten von 30 m bis 40 m, durchdringt leichter dämpfende Gegenstände, ist weniger störanfällig und benötigt wenig Energie.

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