Funktionale Sicherheit für Wasserstoffanwendungen

Die Nutzung von Wasserstoff als Energieträger gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere im Kontext der Energiewende und der Reduktion von CO2-Emissionen. Dabei spielt die funktionale Sicherheit eine zentrale Rolle, um den sicheren Betrieb von Wasserstoffanlagen zu gewährleisten. Lambertus Monnee, Produktmanager beim Sicherheitsexperten Pilz, gibt Einblicke in die Herausforderungen und Lösungen im Bereich der funktionalen Sicherheit für Wasserstoffanwendungen. Im Interview erläutert er, wie Pilz durch seine sicheren Automatisierungslösungen dazu beiträgt, die Risiken in der Wasserstoffproduktion und -nutzung zu minimieren und welche spezifischen Anforderungen dabei zu berücksichtigen sind.

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Lambertus Monnee, Produktmanager bei Pilz
© Pilz GmbH & Co. KG

GIT SICHERHEIT: Herr Monnee, welche spezifischen Sicherheitsanforderungen gelten für Wasserstoffanwendungen im Vergleich zu traditionellen Maschinen- und Anlagen und musste Pilz sein Portfolio dafür anpassen?

Lambertus Monnee: Viele Anwender und Hersteller verstehen die Sicherheit bei Wasserstoff primär als Thema der Robustheit und Dichtheit der eingesetzten Komponenten. Es gehört jedoch noch wesentlich mehr dazu: die Automatisierungsindustrie stellt bewährte Lösungen für die sichere, dynamische Überwachung von Prozessgrößen und von ganzen Prozessabläufen bereit. Gleichzeitig treten Anforderungen nach dem Bedienerschutz, der Zugangsberechtigung und von OT-Security-Maßnahmen mehr und mehr in die Wahrnehmung. Nicht zuletzt durch die Anforderungen an die Versorgungskette – Stichwort „kritische Infrastruktur“ –, den Vorgaben der NIS2, also der EU -Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit, und der kommenden Maschinenverordnung. Pilz kann die Wasserstoffindustrie unterstützen, indem wir unser Wissen aus der Maschinensicherheit in den Bereich der Prozesssicherheit übertragen und den Markt mit bewährten industriellen (Maschinen-)Sicherheitslösungen mitgestalten.

In welchen Bereichen und in welcher Form kommen Lösungen von Pilz in der Wasserstoffwirtschaft bereits zum Einsatz und wo könnten sie zukünftig Anwendung finden?

Lambertus Monnee: Vom Herstellungsprozess von Wasserstoff bis hin zu seiner Verwendung – die ganzheitlichen sicheren Automatisierungslösungen von Pilz bieten für die gesamte Wertschöpfungskette von Wasserstoff einen Mehrwert. Unsere Steuerungssysteme erkennen Gaslecks zuverlässig durch die Auswertung von Gas-Detektoren. Sie kontrollieren sicher Temperatur, Druck, Füllstand, Spannung und Strom. Und im Ernstfall leiten die Systeme eine sichere Reaktion ein, wie beispielsweise den Not-Halt oder dass sich Ventile schließen. Sie können Fehler im Millisekundenbereich erkennen und schnell die vordefinierten Sicherheitsmaßnahmen veranlassen. Diese Sicherheitsfunktionen sind beispielsweise bei Elektrolyseuren oder an Wasserstofftankstellen essenziell.

Wie trägt Pilz zur funktionalen Sicherheit in der Wasserstoffproduktion, insbesondere bei Elektrolyseuren und Reformern, bei?

Lambertus Monnee: Die unterschiedlichen Elektrolyseverfahren erfordern gleichfalls unterschiedliche sicherheitstechnische Betrachtungen. Für manche der Verfahren werden hohe Drücke und Temperaturen benötigt, die überwacht und geregelt werden müssen, um Unfälle zu vermeiden. Funktionale Sicherheit im Elektrolyseverfahren wird beispielsweise unter Einsatz von sicheren Analogeingängen der sicheren, konfigurierbaren Kleinsteuerung PNOZmulti 2 oder des Automatisierungssystems PSS 4000 realisiert. Diese Produkte steuern und überwachen alle erforderlichen Sicherheitsfunktionen wie Druck, Temperatur oder Füllstand. Verfügbar sind auch Systeme für Zugangs- und Berechtigungsmanagement, um Manipulationen jeglicher Art zu verhindern.

Die Dampfreformierung ist ein weiteres Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff aus kohlenstoffhaltigen Energieträgern und Wasser. Dabei reagiert ein Brennstoff, wie beispielsweise Erdgas oder auch Methanol bzw. wie Biogas oder Biomasse, unter hohen Temperaturen und Drücken mit Wasserdampf. Es entstehen Wasserstoff und Kohlendioxid. Dieses Verfahren erfordert hohe Temperaturen, die durch den Einsatz von Brennern erreicht werden. Die Kleinsteuerung PNOZmulti 2 Burner und das Automatisierungssystem PSS 4000 können nicht nur Temperaturen und Drücke sicher überwachen, sondern auch die sichere Steuerung und Überwachung der Brenner übernehmen.

Industrieerprobte Lösungen von Pilz erlauben die sichere Überwachung und...
Industrieerprobte Lösungen von Pilz erlauben die sichere Überwachung und Steuerung von ­Prozessen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – Beispielsweise bei der Herstellung von ­Wasserstoff mit dem Elektrolyseverfahren.
© Pilz GmbH & Co KG
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Die Sicherheitslösungen von Pilz übernehmen die Wasserstoffleck-, Flammen- und Raucherkennung sowie die Temperatur- und Drucküberwachung an Wasserstofftankstellen.
© Pilz GmbH & Co. KG

Ein weiterer Aspekt betrifft die Feuerungstechnik. Hier stellt der Einsatz von Wasserstoff die funktionale Sicherheit vor besondere Herausforderungen. Welche Methoden zur Flammüberwachung sind bei Wasserstoffanwendungen besonders effektiv und warum?

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ambertus Monnee: Bei allen kohlenwasserstoffhaltigen Brennstoffen wird häufig das Ionisationsprinzip zur Flammenüberwachung eingesetzt. Dieses Überwachungsprinzip funktioniert allerdings nur, wenn der Brennstoff ein ionisationsfähiges Plasma erzeugt. Bei 100 Prozent Wasserstoff ist dies jedoch nicht gegeben!

Von Pilz neu entwickelt wurde nun ein Prinzip der sicheren Erfassung der Flammentemperatur auf Basis von Thermoelementen und deren Gradientenverlauf. Dabei findet die Temperaturmessung nicht im heißesten Teil der Flamme statt, sondern nahe zum Flammenkern im Plasma. Die sichere, digitale Auswertung ermöglicht Aussagen zum Vorhandensein der Flamme allein auf Basis dynamischer Zustandsänderungen und Temperaturverläufe. Vorteil dabei ist, dass diese Flammenerkennung bei 100 Prozent Wasserstoffanteil funktioniert und zudem bei allen anderen Brennstoffen (Brennstoffunabhängig ist). Dies ist mit einer konventionellen Flammenüberwachung nicht oder nur sehr aufwendig möglich.

Wie adressiert Pilz das Thema Industrial Security im Zusammenhang mit Wasserstoffanwendungen?

Lambertus Monnee: Industrial Security befasst sich mit der Sicherheit von Steuerungsnetzen in Produktions- und Industrieanlagen der Fabrikautomation und Prozesssteuerung. Angreifer nutzen häufig vorhandene Schwachstellen, um in Steuerungsnetze einzudringen oder Prozesse zu stören. Um den Zugriff von Angreifern auf das Steuerungsnetz zu verhindern, müssen potenzielle Schwachstellen rechtzeitig erkannt und behoben werden. Gelingt es Angreifern, eine Schwachstelle auszunutzen, kann dies verheerende Folgen für das Unternehmen haben.

Ein Beispiel ist eine Fernverbindung zu einem Container für die Wasserstoffproduktion, die den Status des Systems überprüft. Diese Verbindung muss geschützt sein, wenn diese Fernverbindung dazu führt, dass der sicherheitsrelevante Teil des Systems unerlaubt kontrolliert oder verändert werden kann. Die Produkte von Pilz entsprechen stets der aktuellen Gesetzgebung und dem Stand der Technik bezüglich Industrial Security. Mit dem Zugangsberechtigungssystem PITreader und den dazugehörigen RFID-Transponderschlüsseln können die Anlagen vor unberechtigtem Zugriff geschützt sowie Zutrittsberechtigungen zuverlässig und individuell gesteuert werden. Denn alle Bedienerhandlungen sind erst nach Berechtigungsprüfung und Freigabe möglich.

Welche Chancen sehen Sie für Pilz im wachsenden Wasserstoffmarkt?

Lambertus Monnee: Pilz kann die Wasserstoffindustrie durch seine langjährige Erfahrung in der Automatisierungsindustrie weltweit unterstützen. Unsere Sicherheitslösungen können Wasserstoffanwendungen Safe und Secure machen.

Wie unterstützt Pilz seine Kunden bei der Implementierung von funktionaler Sicherheit in Wasserstoffprojekten und welche Beratungsleistungen bieten Sie an?

Lambertus Monnee: Damit eine dauerhafte und verlässliche Sicherheit erreicht wird, ist der Einsatz erprobter Verfahren und Werkzeuge bei der Risikoanalyse, der Risikobewertung und bei der Entwicklung von Maschinen und Anlagen unerlässlich. Im Austausch mit Herstellern, Anwendern, Organisationen und Verbänden bekommen wir das Feedback, dass Unsicherheiten im Umgang mit den sicherheitstechnischen Anforderungen vorherrschen. Aus diesem Grund kann Pilz beispielsweise die Risikoanalyse für Anwender übernehmen. 

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