Gebäudesicherheit im Wandel der Digitalisierung
Die Megathemen Gebäudeautomation und Brandschutz hat Siemens seit mehr als 20 Jahren in seiner Division Siemens Building Technologies vereint. Für das Sicherheitsgeschäft in Deutsc...
Die Megathemen Gebäudeautomation und Brandschutz hat Siemens seit mehr als 20 Jahren in seiner Division „Siemens Building Technologies“ vereint. Für das Sicherheitsgeschäft in Deutschland trägt dort seit 2015 Alexander Yeomans die Verantwortung. Auch sein Bereich ist geprägt von weitreichenden Prozessen technologischen Wandels – hier geht es vor allem um Digitalisierung, Vernetzung und das Nutzbarmachen riesiger Datenmengen durch intelligente Algorithmen. Mit der Gebäudemanagement-Plattform Desigo CC, dem Gefahrenleitsystem „Siveillance Viewpoint“ und dem Einbruchmeldesystem „Transliner“ bietet das Unternehmen ganzheitliche Lösungen für komplexe Projekte jeder Größe sowie für Kritische Infrastrukturen. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT befragte Alexander Yeomans zu den wichtigsten Markttrends, der Siemens-Strategie und den neuesten Lösungen von Siemens Building Technologies.
GIT SICHERHEIT: Herr Yeomans, die Märkte in denen Sie sich als Siemens Building Technologies bewegen, sind vielfältig – und diese werden von vielen einzelnen, aber bereichsübergreifenden Entwicklungen geprägt. Die übergreifende Strategie des Siemens-Konzerns ist ausgerichtet an der Kurzformel EAD – das steht für Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung. Lassen Sie uns damit einmal anfangen...
Alexander Yeomans: Die konzernweiten Wachstumsfelder Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung treffen natürlich auch für die Gebäudetechnik zu. Unser Schwerpunkt liegt heute in der Automatisierung. Die größte Veränderung, aber auch das größte Wachstumspotential sehen wir jedoch auch für die Sicherheitstechnik in der Digitalisierung. Die reale und die digitale Welt wachsen in der Gebäudetechnik immer mehr zusammen. Das sorgt für radikale Umbrüche, völlig neue Geschäftsmodelle sowie ungeahnte Potenziale – technologisch und geschäftlich.
Sie fahren derzeit eine große Marketingkampagne namens „Creating perfect places“. Was hat es damit auf sich?
Alexander Yeomans: Wir verbringen ca. 90% unserer Lebenszeit in Gebäuden. Deshalb ist es uns so wichtig, über die einzelnen Gewerke und Disziplinen hinweg, diese Orte so komfortabel, so sicher und so effizient wie möglich zu machen.
Vor kurzem haben Sie ja wesentliche Markttrends definiert und für Siemens entscheidende Handlungsfelder daraus abgeleitet. Welche sind das im Einzelnen?
Alexander Yeomans: Die Digitalisierung beeinflusst die Gebäudewelt grundlegend in zwei Bereichen. Zum einen nimmt die Vernetzung der unterschiedlichen technischen Systeme immer mehr zu. Heute werden auf bidirektionalen Schnittstellen Metadaten und sonstige Informationen ausgetauscht. Zum anderen werden durch diese Vernetzung immer mehr Daten zentral verfügbar. Diese Daten können dann durch Korrelation und intelligente Algorithmen in konkreten Mehrwerte für unsere Kunden gewandelt werden. Und aus diesem Grund haben wir uns entschieden, unseren Fokus auf intelligente Softwarelösungen und digitale Services zu legen. Managementsysteme gewinnen somit als zentrale Datensammler in Gebäude und Einrichtungen der Kritischen Infrastruktur immer mehr an Bedeutung. Im Bereich der Kritischen Infrastruktur gilt dies für Managementsysteme sowie für den Perimeterschutz zur Absicherung der Liegenschaft. Dessen ungeachtet sehen wir aber auch ein Wachstum in den klassischen Security-Disziplinen.
Dann lassen Sie uns doch einmal die für den Sicherheitsbereich wichtigsten Aspekte beleuchten, mit denen Sie bei Siemens auf diese Markttrends antworten.
Alexander Yeomans: Die Schwerpunkte liegen hierbei ganz klar auf Lösungen für Gebäude im Allgemeinen und Kritische Infrastrukturen im Speziellen. Mit „Desigo CC“ führen wir alle relevanten Daten eines Gebäudes an einem Punkt zusammenführen und durch die Korrelation dieser Daten das Gebäude optimieren. Die speziellen Anforderungen von Kritischen Infrastrukturen können wir mit unserem neuen Gefahrenleitsystem „Siveillance Viewpoint“ abdecken. Aber auch für umfassende Perimeterschutzkonzepte oder globale Zutrittskontrollsysteme haben wir in unserem Security-Software-Paket „Siveillance Suite“ die entsprechenden Lösungen.
Werfen wir noch einen näheren Blick auf Ihre Software-Pakete. Da wäre zunächst „Desigo CC“?
Alexander Yeomans: „Desigo CC“ vereint Gebäudeautomation, Brandschutz und Security unter einer Oberfläche und bietet somit eine Plattform für alle Gewerke. So schaffen wir die Vernetzung aller technischer Gewerke im Gebäude unter einer Bedieneroberfläche. Durch die Korrelation der Informationen aus allen angebundenen Systemen können Gebäude effizienter und sicherer gemacht werden. Durch die Vernetzung kann die Betriebsführung optimiert oder die Energieeffizienz gesteigert werden. Da „Desigo CC“ modular, skalierbar und für Drittanbieter offen ist, kann es ideal in bestehende Systemlandschaften integriert werden.
... und mit der Siveillance Suite für Incident & Identity Management decken Sie sämtliche securityrelevanten Kundenanforderungen ab?
Alexander Yeomans: Die „Siveillance Suite“ bietet Lösungen für alle sicherheitsrelevanten Anforderungen. Sie beinhaltet sowohl einsatzbasierte Lösungen wie das Einsatzleitsystem „Siveillance Vantage“, das Gefahrenleitsystem „Siveillance Viewpoint“ und den Perimeterkonzentrator für optimalen Perimeterschutz, aber auch identitätsbasierende Lösungen wie unser Zutrittskontrollsystem „Siport“. Natürlich haben wir auch die klassischen Lösungen für Videoüberwachung oder Einbruchmeldetechnik weiterhin im Angebot. Gerade im April haben wir mit der „Transliner Pro“ unsere neueste Generation des Einbruchmeldesystems Transliner auf den Markt gebracht. Zusammen mit ausgewählten Partnern können wir so unseren Kunden ganzheitliche Lösungen für alle sicherheitsrelevanten Aspekte bieten.
Bei all dem konzentrieren Sie sich aber auf komplexe Großprojekte – die Produktschiene haben Sie ja vor einiger Zeit veräußert?
Alexander Yeomans: Wir beschränken uns nicht nur auf Großprojekte, der Fokus liegt vielmehr darauf, dass wir unseren Kunden durch eine ganzheitliche Lösung Mehrwerte bieten und Gebäude optimieren wollen. Die Feldgeräte wie Kameras und Leser spielen dabei aber nur eine untergeordnete Rolle. Von wesentlich größerer Bedeutung ist die Implementierung der technischen Lösung in vorhandene Prozesse des Kunden. Eine Differenzierung im Lösungsgeschäft auf Produktebene ist heute für uns nicht mehr möglich und deshalb haben wir uns bereits vor einiger Zeit dazu entschieden, uns auf die Entwicklung von intelligenten Softwarelösungen zu konzentrieren.
Videoüberwachung im öffentlichen Bereich zählt zu den heftig debattierten Themen derzeit. In der Videoanalyse sehen Sie nicht das Allheilmittel – wie sehen Ihre Konzepte hier aus?
Alexander Yeomans: Grundlegend können mit der Videoanalyse heute viele Anforderungen abgedeckt werden. Sich auffällig verhaltende Personen, liegengelassene Gegenstände, Gesichtserkennung oder Zaunüberstieg, all das kann heute bereits mit moderner Videoanalyse detektiert werden. Was aber, wenn aufgrund von Wetterbedingungen oder anderen negativen Einflüssen keine Videoanalyse mehr möglich ist? Aus diesem Grund gehen wir bei der Absicherung von Bereichen oder ganzen Liegenschaften nach unserem Sektorkonzept vor. Für die einzelnen Sektoren des Schutzkonzepts werden die optimalen, auf dem Markt verfügbaren Sensoren ausgewählt und dann mit unserem Perimeterkonzentrator intelligent vernetzt. Der Ausfall eines Sensors führt dann zu einer Erhöhung der Sensibilität der anderen Sensoren oder ganzer Sektoren.
Im Zusammenhang mit Zutrittskontrolle und Schließsystemen ist Global Access wichtig insbesondere für weltweit agierende Unternehmen – hier haben Sie langjährige DAX-Unternehmen als Kunden. Welche Wege geht Siemens hier?
Alexander Yeomans: Viele unserer Kunden wollen ihr oft weltweites, heterogenes Zutrittssystem harmonisieren. Dies erhöht zum einen den Bedienkomfort für die Nutzer und andererseits – aufgrund einheitlicher Richtlinien – auch die Sicherheit. Da jedoch viele Kunden weltweit keine homogene Systemlandschaft haben, bieten wir nun mit „Siveillance Identity“ die Möglichkeit, verschiedene Zutrittskontrollsysteme unter einer Bedienoberfläche zusammenzuführen. Auch dem Trend der elektronischen Türbeschläge tragen wir durch die Integration des offenen Standards OSS Rechnung. Durch zentral betriebene Server können wir unseren Kunden einen globalen Ansprechpartner, eine einheitliche Konfiguration und eine sehr hohe Verfügbarkeit des Systems bieten.
Mit dem großen Thema „Security as a Service“ sprechen Sie gerade Kunden an, die keine eigene entsprechende Infrastruktur einschließlich des Know-hows aufbauen können. Wie sieht Ihre Strategie hier aus?
Alexander Yeomans: Dank der Digitalisierung werden viele Lösungen heute erst ermöglicht. Dies führt jedoch auch zu einer schnell steigenden Komplexität. Diese Komplexität kann von Klein- und mittelständischen Unternehmen teilweise nicht mehr abgebildet werden. Denken Sie beispielsweise an die heutige Anforderung bzgl. IT-Security oder Patch-Management. Bei „Security as a Service“ kümmern wir uns um diese Themen. Wir bieten immer mehr Services zentral an und übernehmen zentral komplexe Aufgaben für unsere Kunden. Zukünftig werden wir auch komplette Lösungen für Zutrittskontrolle, Videoüberwachung oder Gebäudeautomation „as a Service“ anbieten. Ich gehe davon aus, dass in einigen Jahren die meisten sicherheitsrelevanten Systeme von unseren Kunden als Dienstleistung bezogen werden.
Building Information Modeling (BIM): Damit können wir ein weiteres Riesenthema anschneiden. Welche Bedeutung hat das für die Security-Gewerke und – Lösungen in der Praxis und für Sie als Siemens?
Alexander Yeomans: Viele verstehen unter BIM die Visualisierung von Gebäuden in 3D. BIM geht jedoch weit über eine einfache Visualisierung hinaus. Bereits heute erstellt die Automobilindustrie neue Fahrzeuge zuerst digital und führt bereits erste Tests durch, bevor ein realer Prototyp gebaut wird. Dies kann aber auch für Gebäude umgesetzt werden. Stellen Sie sich vor, wir bauen einen „digitalen Zwilling“ des zukünftigen Gebäudes, an welchem wir bereits die Energieeffizienz oder eine Evakuierung simulieren können. BIM ist somit die Digitalisierung des gesamten Planungsprozesses der Branche und wird aus meiner Sicht die Gebäudeindustrie grundlegend verändern.
Welche anderen Fokusthemen verfolgen Sie?
Alexander Yeomans: Wie bereits erwähnt gewinnt die Analyse von Daten immer mehr an Bedeutung. Um alle relevanten Daten unserer Kunden zusammenführen zu können, bietet Siemens mit „Mindsphere“ ein Betriebssystem für das Internet der Dinge. Es wird heute genutzt, um die Leistungsfähigkeit von Anlagen durch das Erfassen und die Analyse großer Mengen von Produktionsdaten zu verbessern. „Mindsphere“ kann somit auch die Grundlage für Anwendungen und datenbasierte Services für die Sicherheitstechnik sein, etwa in den Bereichen vorausschauende Wartung, Daten-Management oder Ressourcenoptimierung.
Zur Person
Alexander Yeomans wurde 1976 in München geboren und begann 1997 seine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker bei der Siemens Gewerblichen Bildung in München. Nach der Ausbildung war er als Bauleiter für die Videoüberwachungsanlage des Neubaus „Terminal 2“ am Flughafen München verantwortlich. Parallel zu seinem berufsbegleitenden Studium der Betriebswirtschaft war er ab 2003 für die Kalkulation und Projektierung von Videoanlagen in der Niederlassung München zuständig. 2006 übernahm er u.a. die vertriebliche Betreuung der Kunden BMW und Infineon im Bereich der Sicherheitstechnik. Ab 2010 verantwortete Yeomans im Schweizer Stammhaus der Siemens-Division Building Technologies (BT) die internationale Vertriebsunterstützung für das Lösungsgeschäft. 2012 wechselte er als Regional Manager für Nordostasien und Australien in das regionale Stammhaus der BT in Singapur. Seit Anfang 2015 ist Alexander Yeomans verantwortlich für das Sicherheitsgeschäft der Building Technologies in Deutschland