Maschinen- und Anlagenbau: Neue Wege zu mehr Wettbewerbsfähigkeit
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Sandhöfner, wir haben gerade gemeinsam einen Rundgang auf Ihrem Messestand hier auf der SPS IPC Drives gemacht und es ist vor allem die Sicherheitstechnik, ...
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Sandhöfner, wir haben gerade gemeinsam einen Rundgang auf Ihrem Messestand hier auf der SPS IPC Drives gemacht und es ist vor allem die Sicherheitstechnik, auf die sich meine Aufmerksamkeit richtet. In einer Ihrer Vorankündigungen zur Messe war zu lesen, dass Sie dem Maschinen- und Anlagenbau neue Wege zu erhöhter Wettbewerbsfähigkeit eröffnen. Vor welchen Herausforderungen steht der Maschinenbauer insoweit aus Ihrer Sicht?
Markus Sandhöfner: Die größte Herausforderung auf Seiten der Maschinenbauer liegt seit Jahren in der Beherrschung des immer größer werdenden Softwareanteils an den Entwicklungsleistungen einer neuen Maschine. Während der Anteil der Mechanik und der Elektrotechnik beim Umsetzen eines neues Maschinenprodukts konstant zurückgeht, explodiert der Anteil der Software geradezu. Die Folge daraus ist permanenter Zeit- und Kostendruck. Den zentralen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderungen leistet das Automatisierungssystem. Hier sind intelligente Entwicklungsprozesse und Werkzeuge gefragt, die es ermöglichen, die Kosten für die Softwareerstellung zu reduzieren, die Gesamtentwicklungszeit für eine Maschine zu beschleunigen und gleichzeitig höchste Softwarequalität zu gewährleisten.
In welchem Spannungsfeld bewegt sich der Maschinenbauer speziell in der Branche Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinenbau? Was sind aus Ihrer Sicht dort die spezifischen Anforderungen auch aufgrund der Verbraucherwünsche?
Markus Sandhöfner: Auf der einen Seite gibt es durch Sicherheitsstandards innerhalb der EU strikte Anforderungen an die funktionale Sicherheit, die vom Maschinenbauer eingehalten werden müssen. Auf der anderen Seite ändert sich die Nachfrage der Konsumenten hin zu vielfältigeren Verpackungsgrößen, neuen Verpackungsformaten und nachhaltigen Produktverpackungen. Das geänderte Verhalten bewirkt eine zunehmende Variantenvielfalt und Komplexität der Verpackung bei gleichzeitig abnehmenden Losgrößen. Auf der Maschinenseite zieht dies eine zunehmende Funktionalität und Komplexität der Anlagen nach sich, die vom Maschinenbauer in immer höherer Qualität und kürzeren Lieferzeiten entwickelt und produziert werden müssen.
Gleichzeitig entwickelt sich in den asiatischen Ländern ein preisaggressiver Maschinen- und Anlagenbau, was weltweit zu Preis- und Margendruck führt. China hat sich seit mehreren Jahren als weltweit größter Hersteller von einfachen Maschinen und Anlagen etabliert. Im Gegenzug ist es deutschen Maschinenherstellern gelungen, sich durch Flexibilität, Funktionalität und Produktivität der Maschinen zu differenzieren und die führende Stellung auf dem Weltmarkt zu verteidigen.
Bei der Bewältigung der zunehmenden Komplexität ist die Modularisierung eine der zentralen Strategien. Die zu erstellenden Varianten werden als Optionen schon bei der Konzeption und Entwicklung des gesamten Maschinenkonzepts berücksichtigt. Die Sicherheitstechnik als integraler Bestandteil der Automatisierungstechnik spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie dem Maschinenbauer neue Differenzierungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der Maschine bietet. Sie hilft, die Produktivität zu steigern, indem die Bedienung durch einen einfachen Zugang zum Prozess erleichtert wird. Die Zeiten zum Einrichten der Maschine und zum Beheben von Fehlern während der Produktion verkürzen sich erheblich. Gleichzeitig verringert sich die Maschinenstellfläche durch kürzeste Reaktionszeiten der sicheren Antriebe, die einen minimalen Abstand der Schutzumhausung zum Prozess ermöglichen. Die B&R Smart Safe Reaction Sicherheitstechnologie hilft dem Maschinenbauer, Projektlaufzeiten zu verkürzen, Kosten einzusparen und Wettbewerbsvorteile zu realisieren.
Anlagen und Maschinen für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie müssen maximale Verfügbarkeit und Flexibilität gewährleisten. Wie unterstützt B&R diesen Kundenbedarf? Geben Sie uns bitte ein Beispiel aus der Praxis.
Markus Sandhöfner: Wir wissen von Endkunden, dass häufig auftretende, kleine Fehler während der Produktion am meisten dazu beitragen, dass die gewünschte Produktivität nicht erzielt werden kann. Zur Behebung des Fehlers muss oft manuell in den Prozess eingegriffen werden. Bevor die Schutzumhausung geöffnet werden kann, mussten in der Vergangenheit selbst bei kleinen Fehlern die Maschinen angehalten und nach der Beseitigung des Fehlers wieder zeitaufwendig angefahren werden. Die Verwendung von B&R Smart Safe Reaction Technologie sichert dem Kunden ein Höchstmaß an Verfügbarkeit und Produktivität. So können mit unserer Sicherheits- und Antriebstechnik die Maschinen in einer sicheren, reduzierten Geschwindigkeit weiterlaufen, während manuell in den Prozess eingegriffen wird. Im Anschluss an die Behebung des Fehlers beschleunigt die Maschine sofort wieder auf Produktionsgeschwindigkeit. Auf diese Weise können Fehler schnell behoben werden - ohne dazu die ganze Maschine komplett abschalten und wieder hochfahren zu müssen.
In puncto Flexibilität werden Hochleistungsmaschinen mit hohem Durchsatz pro Zeiteinheit gefordert, die eine robuste Maschinentechnik und konstante Qualität unter hygienischen Bedingungen bieten. Außerdem muss ein schnelles Umrüsten von Produkt und Verpackung selbst bei kleinsten Chargen möglich sein. In der Molkereiindustrie gibt es beispielsweise bei Joghurts viele unterschiedliche Verpackungen in verschiedenen Größen. Um das bewerkstelligen zu können, werden aber nicht unzählige Maschinen aufgebaut, sondern es wird vielmehr mit nur einer Maschine produziert. Hierfür werden Maschinen benötigt, die sehr kompakt und platzsparend sind und gleichzeitig schnell und einfach auf neue Formate umgestellt werden können. Die einfache Erweiterung der Maschinen durch standardisierte, vom Maschinenbauer angebotene Optionsmodule sichert die Zukunftssicherheit der Produktionsanlage für neue Verpackungs- und Produktanforderungen beim Endkunden.
Hier bietet B&R dem Maschinenbauer die Möglichkeit, Maschinen inklusive der Sicherheitstechnik durch modulare, sichere Maschinenoptionen einfach und schnell zu gestalten. Mit Powerlink und openSafety müssen die Sicherheitsfunktionen nicht mühsam verdrahtet werden, sondern es werden einfach einzelne Module an den bereits vorhandenen Bus angeschlossen. Die Steuerung erfasst automatisch, welche Module in welcher Reihenfolge an der Maschine angebracht sind. Der Bediener bestätigt nur noch die Übereinstimmung der automatisch gefundenen mit den gewünschten Modulen über den Bildschirm und alles ist fertig installiert - inklusive der Sicherheitstechnik. In Summe dauert das nur wenige Sekunden.
Auch die einfachen Diagnosemöglichkeiten der integrierten Sicherheitstechnik sind ein unschlagbarer Vorteil. Während bei einer herkömmlichen Verdrahtung nur festgestellt wird, dass ein Fehler aufgetreten ist, aber nicht wo, können diese mit Powerlink und openSafety ganz genau lokalisiert und behoben werden. Das spart Zeit und Geld - sowohl bei der Produktion als auch im Betrieb der Maschine.
Meldekontakte, die bei verdrahteten Sicherheitslösungen zur genauen Fehlerlokalisierung oft eingesetzt werden, haben immer den Nachteil, dass sie ungewünschte Rückwirkungen im Sicherheitssystem hervorrufen können und dadurch das Risiko der Maschine unzulässig erhöhen. Die integrierte B&R Smart Safe Reaction Technologie eliminiert durch die transparente Kommunikation zwischen funktionalem und sicherheitsgerichtetem Automatisierungsanteil die Meldekontakte vollständig. Dadurch werden Automatisierungskomponenten und Verdrahtung eingespart und die Sicherheit der Maschine erhöht.
Wie helfen Sie dem Betreiber beim Spagat zwischen Bedienerschutz und Produktivität? Was macht die B&R Sicherheitstechnik für den Maschinenbauer insoweit attraktiv bzw. wie sehen die Lösungen von B&R aus?
Markus Sandhöfner: Allein die Powerlink Kommunikation und das openSafety-Protokoll ermöglichen sicheren, modularen Maschinenbau mit minimalen Entwicklungszeiten. Jede Maschinenoption inklusive Sicherheitstechnik muss nur einmal programmiert und getestet werden. Diese Maschinenoptionen, bestehend aus einmal getesteter Software und Sicherheitsfunktion, sind - ohne das Verdrahtungsschema zu ändern - beliebig kombinierbar. Alle Optionen werden innerhalb eines einzigen Softwareprojekts erstellt und können mit einheitlicher Software kommissioniert werden. Der Maschinenbauer kann damit viel flexibler und schneller auf die Wünsche des Endkunden eingehen.
Welchen Trend sehen Sie für die Zukunft gerade in der Kooperation Mensch/Maschine (Roboter)?
Markus Sandhöfner: Um Menschen vor unvorhergesehenen Bewegungen des Roboters zu schützen, werden Roboter im allgemeinen durch Schutzzäune - ähnlich wie bei Raubtieren - abgeschirmt. Dies behindert oft den Arbeitsablauf, da der Mensch den gesamten Bereich des Schutzzauns während des Betriebs nicht betreten darf. Neue Sicherheitssensoren und sichere Robotertechnologien, wie die sicher beschränkte Geschwindigkeit am Tool Center Point und an den Achsgelenken des Roboters, ermöglichen eine bisher nicht gekannte Kooperation von Mensch und Maschine. Diese ermöglicht es, Seite an Seite mit dem Roboter zu arbeiten. Tritt der Mensch in den Gefährdungsbereich des Roboters ein, erkennt das ein sicherheitsgerichteter Sensor und leitet die sofortige Aktivierung der Sicherheitsfunktionen des Roboters ein. B&R bietet die hierfür auf der Antriebsseite des Roboters nötigen Sicherheitsfunktionen vollintegriert im Projektierungssystem Automation Studio an.
Business Partner
B&R Industrial Automation GmbHB&R Strasse 1
5142 Eggelsberg
Österreich
Meist gelesen
Gesundheit von Pferden mit KI überwachen
Mit einer Kombination von Videotechnologie und KI geht der Hersteller Novostable neue Wege bei der Gesundheitsüberwachung von Pferden.
Coded Processing: Funktionale Sicherheit ohne spezielle Hardware ermöglichen
Im Interview mit GIT SICHERHEIT erläutern Claudio Gregorio (Innotec) und Martin Süßkraut (Silistra Systems) wie die Technologie funktioniert.
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
General Product Safety Regulation (GPSR): Was regelt sie und welche Akteure müssen sich damit befassen?
Neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) ab 13.12.2024: Wichtige Änderungen und Anforderungen für Verbraucherprodukte
Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group
CSO Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.