Maßnahmen zur Vermeidung von Störlichtbögen
Störlichtbögen in elektrischen Anlagen sind eine ernst zu nehmende Gefahr. Sicherheitsfachkräfte können sich beim Störlichtbogenschutz am TOP-Prinzip orientieren und konkrete Maßnahmen zur Vermeidung von Störlichtbögen definieren. Um Menschen und Anlagen besser schützen zu können, begleitet Dehn als Spezialist für elektrische Arbeitssicherheit auf dem Weg zu einem ganzheitlichen Störlichtbogenschutzkonzept. GIT SICHERHEIT im Interview mit Johannes Pirkl, verantwortlich für die Gefährdungsbeurteilung von elektrischen Anlagen bei Dehn.
„Eine Gasentladung zwischen zwei Elektroden!“ Das ist die Definition für einen Lichtbogen. Findet dieser Lichtbogen im Umfeld von hohen Energien statt, entsteht ein enorm heißes Plasma mit extrem starker Leuchtkraft, durch das kontinuierlich Strom fließt. Beim Lichtbogen entsteht zudem eine massive Druckwelle, die einen lauten Knall zur Folge hat. Entsprechend gefährlich ist ihr unerwünschtes Auftreten in elektrischen Anlagen. In diesem Zusammenhang spricht man dann von einem Störlichtbogen. Neben den großen Schäden, die solche Störlichtbögen in den betroffenen Anlagen selbst anrichten können, bedeuten Sie auch eine direkte Gefahr für Leib und Leben all jener Menschen, die in solchen Umgebungen ihrer Arbeit nachgehen. Um Menschen und Anlagen besser schützen zu können, begleitet Sie Dehn als Spezialist für elektrische Arbeitssicherheit auf dem Weg zu Ihrem ganzheitlichen Störlichtbogenschutzkonzept. GIT SICHERHEIT hat Johannes Pirkl, verantwortlich für die Gefährdungsbeurteilung von elektrischen Anlagen bei Dehn SE, zum Interview gebeten.
GIT SICHERHEIT: Herr Pirkl, wie kann es überhaupt zur Bildung eines Störlichtbogens z. B. in einer Schaltanlage kommen? Und was können die Folgen sein?
Johannes Pirkl: Unfälle sind vor allem auf menschliches Versagen zurückzuführen, wenn Mitarbeiter z. B. an Schaltanlagen arbeiten, die noch unter Spannung stehen. Vor allem in der Niederspannung wird die Gefahr meist unterschätzt. Wenn hier während der Arbeit z. B. ein unisoliertes Werkzeug fallengelassen wird oder leitfähige Reste von Kabeln oder andere metallische Teile in die Schaltanlage geraten, kann es zu einem Kurzschluss mit anschließendem Lichtbogen kommen.
Personen, die sich in unmittelbarer Nähe zu dieser Gefahrenstelle befinden, können bei Auftreten eines Störlichtbogens stark gefährdet sein. Ein Störlichtbogen verhält sich ähnlich wie eine Explosion. Die Auswirkungen führen zu Verbrennungen, Verblitzen der Augen oder zu einem Knalltrauma und können zu irreversiblen Schäden bis hin zum Tod führen.
In welchen Anwendungsbereichen muss der Schutz vor Störlichtbögen berücksichtigt werden und welche Anforderungen gibt es?
Johannes Pirkl: Die deutsche Unfallversicherung hat eine DGUV Information (DGUV-I 203-077) herausgegeben. Diese beschreibt die thermische Gefährdung durch Störlichtbögen und unterstützt bei der Auswahl von Schutzkleidung gegen Störlichtbögen (PSAgS). Es ist wichtig, vor Auswahl der PSAgS die Gefahr bei Arbeiten an elektrischen Arbeiten zu bewerten. Deshalb muss grundsätzlich bei allen Arbeiten vorab eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden. Jede für den Arbeitsschutz in Unternehmen verantwortliche Fachkraft kennt den im deutschen Grundgesetz oder auch dem Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebenen Schutz des Menschen. Passiert etwas, haftet man, wenn im Vorfeld nicht adäquate Schutzmaßnahmen definiert wurden.
In welcher Reihenfolge sollten Schutzmaßnahmen erfolgen – Stichwort TOP-Prinzip?
Johannes Pirkl: Das TOP-Prinzip wird in den allgemeinen Grundsätzen § 4 des Arbeitsschutzgesetzes beschrieben. Wenn es um den Schutz von Menschen geht, muss der Unternehmer immer bei allen Arbeiten an elektrischen Anlagen, die möglichen Gefahren für den Einzelnen bewerten und geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen. Gefahren gänzlich zu vermeiden hat dabei immer höchste Priorität. Wenn das nicht möglich ist, muss eine technische Schutzmaßnahme umgesetzt werden, um die Gefahr zu reduzieren. Im Anschluss sind organisatorische und zuallerletzt, zur Vermeidung des Restrisikos, persönliche Schutzmaßnahmen zu treffen.
Wie sieht es mit den technischen Schutzmaßnahmen aus und welche Lösungen bietet Dehn dafür konkret?
Johannes Pirkl: Jedes Unternehmen, in dem Strom für die Wertschöpfung, z. B. in der Produktion, im Krankenhaus oder für die Speicherung von Daten eingesetzt wird, hat Schaltanlagen im Einsatz. Für Niederspannung bietet Dehn als technische Schutzmaßnahme das aktive Störlichtbogenschutzsystem Dehnshort. Damit wird zum einen der Mensch und zum anderen die Schaltanlage selbst vor den Auswirkungen des Lichtbogens geschützt. Der Störlichtbogen wird im Moment des Entstehens vom Schutzsystem mittels Sensoren erfasst und in Millisekunden gelöscht.
Noch einmal etwas genauer gefragt: Wie erkennt Dehnshort, dass ein Störlichtbogen entsteht und und wie wird er gelöscht?
Johannes Pirkl: Das Erkennen zu erklären ist recht einfach – beim Löschen wird es schwieriger.
Ein Störlichtbogen strahlt ein sehr helles Licht aus, das das Störlichtbogenschutzsystem Dehnshort mit speziellen Lichtsensoren erfasst. Zusätzlich zum Licht überwacht es auch den Strom. Werden beide Informationen (Strom und Licht) gleichzeitig erfasst, reagiert das System in Millisekunden auf den Lichtbogen.
Beim Löschen wird nicht mit einem Löschmittel wie einem Feuerlöscher gearbeitet. Zum Löschen wird ein spezielles Schaltgerät eingesetzt, dass einen Kurzschluss dort erzeugt, wo der Störlichtbogen brennt. Das System überführt dieses gefährliche – fast unkontrollierbare Ereignis „Lichtbogen“ in einen kontrollierbaren Kurzschluss. Der Lichtbogen wird innerhalb von 2-4 Millisekunden gelöscht.
Sie bieten auch Schulungsmaßnahmen an, was genau wird vermittelt?
Johannes Pirkl: Es ist wichtig, auch die Elektrofachkräfte immer wieder für die Gefahren zu sensibilisieren, die bei Stromunfällen entstehen: der Körperdurchströmung oder Störlichtbögen. Die Statistiken der BG ETEM zeigen jedes Jahr, dass viele Unfälle oft erfahrenen Fachkräften passieren.
Die wichtigsten Maßnahmen, die an Schaltanlagen umgesetzt werden müssen, ist die Umsetzung der fünf Sicherheitsregeln der Elektrotechnik. Diese fünf Regeln sind das Basiswissen einer jeden elektrisch ausgebildeten Fachkraft. In Schulungen, die als organisatorische Schutzmaßnahmen bezeichnet werden können, wird nicht nur der Ablauf der Sicherheitsregeln, sondern auch die Nutzung und regelmäßige Überprüfung der Schutz- und Hilfsmittel thematisiert.
Eine weitere organisatorisch Maßnahme ist die Darstellung der Ergebnisse einer Störlichtbogen-Gefährdungsbeurteilung direkt an der Anlage. Die Gefahr ist elektrischen Anlagen nicht immer von außen anzusehen. Die Dienstleistung Dehnarx bietet neben der Berechnung der Störlichtbogenenergien, auch die Bereitstellung von Anlagen-Kennzeichnungen an. Diese Aufkleber zeigen der Elektrofachkraft einfach und übersichtlich die Gefährdung der jeweiligen Anlage auf, sowie die notwendigen Schutzmaßnahmen, die umgesetzt werden müssen.
Die persönlichen Schutzmaßnahmen gegen Störlichtbögen (PSAgS) sind der letzte Schritt. Worauf kommt es bei PSAgS besonders an und was ist bei deren Auswahl zu beachten?
Johannes Pirkl: Es sollte immer die richtige PSAgS hinsichtlich der Schutzfunktionen und der Schutzklasse am jeweiligen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Hier unterstützt die Informationsschrift DGUV-I 203-077. Das Dokument beschreibt den Ablauf einer Gefährdungsbeurteilung in fünf Phasen hinsichtlich der thermischen Auswirkungen eines Störlichtbogens. Mit Hilfe der DGUV-I 203-077 werden die Energiewerte ermittelt, um die passende Schutzklasse der PSAgS auswählen zu können. Mit der verantwortlichen Elektrofachkraft sollte geklärt werden, wie aktuell die Gefährdungsbeurteilung ist und ob hier Handlungsbedarf besteht. Eine erste Checkliste hilft dabei.
Heutzutage haben Unternehmen bei der Auswahl von Schutzkleidung nicht nur die Schutzfunktion einer PSA im Blick, sondern auch die optische Wirkung. Das moderne und sportliche Design einer Schutzkleidung erhöht den Tragekomfort, und verbessert die Akzeptanz der Mitarbeiter, die persönliche Schutzausrüstung zu tragen.
Was bietet Dehn seinen Kunden, wenn es konkret um die Ausstattung mit PSAgS geht?
Johannes Pirkl: „Dehn bietet ein PSAgS-Portfolio mit verschiedenen Schutzklassen an. Dabei wird besonders auch auf den Komfort der Schutzkleidung geachtet. Leichtes Material und anatomischer Schnitt sind essenziell. Neben den Standardgrößen gibt es Lang- und Kurzgrößen und eine Frauenkollektion. Um für jeden Mitarbeiter die passende Größe zu finden, kann unsere PSAgS unverbindlich getestet werden.
Ebenso steht die Individualisierung der Kleidung, beispielsweise die Auswahl nach Firmenfarben und -logo, immer mehr im Fokus von Unternehmen – Stichwort: Corporate Identity. Diesen Anforderungen versuchen wir mit unserer neuen störlichtbogengeprüften Schutzkleidung Dehncare ArcFit gerecht zu werden. Deshalb kann man den Schutzanzug ganz nach seinen Vorstellungen konfigurieren.
Dehn auf der A+A 2023: Halle 14, Stand C46
Weitere Informationen, Checklisten und Broschüren finden Sie hier.
Business Partner
Dehn SEHans-Dehn-Str. 1
92318 Neumarkt
Deutschland
Meist gelesen
Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group
CSO Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.
Wie Unternehmen und Polizei zusammenarbeiten
GIT SICHERHEIT im Interview mit Julia Vincke, Leiterin Unternehmenssicherheit BASF, und Bettina Rommelfanger, Polizeivollzugsbeamtin am Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW).
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
Phoenix: der erste Barfuß-Sicherheitsschuh auf dem Markt
Baak bringt mit "Phoenix" nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit den ersten Barfuß-Sicherheitsschuh auf den Markt.
Kommunale Sicherheit: Gespräch mit der Düsseldorfer Ordnungsdezernentin Britta Zur
Öffentliche Sicherheit der Stadt Düsseldorf im Zusammenspiel von Ordnungsamt und Polizei: Ordnungsdezernentin Britta Zur im Interview über die Kriminalitätsentwicklung, Gefahrenabwehr und Fußball-EM 2024.