Next Level Gefahrstofflagerung – ein Interview mit Udo Roth, Project Manager Digital Solutions bei Denios
Das Schlagwort „Digitalisierung“ macht auch vor dem Thema Gefahrstofflagerung nicht halt. Insbesondere in Form des sogenannten „Condition Monitorings“ eröffnen sich zahlreiche Anwendungsfelder mit gewichtigen Vorteilen für die Anwender und Anwenderinnen.
Mit der digitalen Zustandsüberwachung Denios connect hat der Gefahrstofflagerungs-Spezialist Denios im vergangenen Jahr eine eigene cloudbasierte Web-Applikation auf den Markt gebracht. Doch wie genau sieht diese Lösung aus und welche Vorteile bietet sie dem Endkunden oder der Endkundin? Udo Roth, Project Manager Digital Solutions bei Denios, stellt sich diesen und noch weiteren Fragen der Redaktion der GIT SICHERHEIT.
GIT SICHERHEIT: Herr Roth, mit Denios connect hat die Denios SE im vergangenen Jahr einen weitreichenden Schritt hinsichtlich der Digitalisierung in der Gefahrstofflagerung vollzogen. Vielleicht können sie unseren Leserinnen und Lesern zunächst kurz erläutern, welche grundsätzliche Idee sich hinter dem Schlagwort „Condition Monitoring“ in der Gefahrstofflagerung verbirgt?
Udo Roth: Die Denios SE stellt seit über 35 Jahren zertifizierte Produkte für den betrieblichen Umwelt- und Arbeitsschutz her. Eines der Kernprodukte sind technische Raumsysteme zur Lagerung von Gefahrstoffen, von denen es eine große Produkt- und Ausstattungsvielfalt gibt, so dass ein Großteil der in der Praxis auftretenden Anwendungsfälle abgedeckt wird. Alle Gefahrstofflager, egal ob begehbare, nicht begehbare oder kompakte Ausführungen, verfügen über eine Auffangwanne und bieten je nach Ausführung einen allseitigen Brandschutz mit bis zu 120 Minuten Feuerwiderstand. Weiterhin verfügen die Raumsysteme über Belüftungs- und Klimatechnik sowie Sensoren, die eine konditionierte Lagerung der Gefahrstoffe, einen sicheren Betrieb sowie deren Überwachung ermöglichen.
Mit Denios connect haben Betreiber eines solchen Gefahrstofflagers nun alle wichtigen Messgrößen für das Condition Monitoring im Blick. Das Condition Monitoring liefert Informationen über den Betriebs- und Sicherheitsstatus im Gefahrstofflager. Sollten Abweichungen vom sicheren Betriebszustand entstehen, so werden diese nicht nur optisch und akustisch am Gefahrstofflager angezeigt, sondern ebenso in Echtzeit an die Web-Anwendung Denios connect übertragen. Detailinformationen werden in der Datenbank gespeichert, Alarme und Warnungen hingegen per E-Mail oder SMS sofort weitergeleitet, so dass der Anwender jederzeit und überall aktuelle Daten und Informationen bekommt, die seine Entscheidungen und Handlungen unterstützen.
Bei der Entwicklung einer solchen digitalen Lösung gab es sicherlich einige Herausforderungen. Welche waren das und auf welcher technischen Basis baut Denios connect auf?
Udo Roth: Eine Herausforderung besteht darin, diejenigen Funktionen und Features des Condition Monitorings zu identifizieren, die die Betreiber tatsächlich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Aus dieser Festlegung lassen sich dann die Datenquellen und die Parameter ableiten, die nun in den Gefahrstofflagern erfasst und an das Condition Monitoring in der Cloud übertragen werden müssen – in einer definierten Qualität, Aufbereitung, Zuverlässigkeit und Häufigkeit. Für die Alarmierung und das Notfallmanagement sind kurze prägnante Informationen erforderlich, wohingegen man sich in der nachgelagerten Analyse die Daten im Detail ansehen möchte.
Eine weitere technische Herausforderung besteht darin, den Einsatz in Ex-Schutzzonen zu ermöglichen, weil im Gefahrstofflager die Ex-Zone 1 auftreten kann. Dafür müssen jeweils geeignete Sensoren gefunden werden.
Die Anbindung des SpillGuard connect und des Raumsystems an Denios connect mittels Mobilfunk ermöglicht eine von Firmennetzwerken unabhängige Datenübertragung. LTE NarrowBand-IoT oder LTE-M sind sichere und geeignete Mobilfunktechnologien für die Vernetzung von Sensoren und Anlagen. Diese weltweiten Frequenzen basieren auf LTE und nutzen die zugehörigen Sicherheitsmechanismen nach 3GPP. Da die Technologie speziell auf kleinere Datenmengen und hohe Gebäudedurchdringung ausgerichtet ist, bietet sie eine besonders kosteneffiziente und zuverlässige Kommunikation.
Welche weiteren Sensoren und Produkte werden in Zukunft für die Einbindung in Denios connect nutzbar sein?
Udo Roth: Konkret können wir uns vorstellen, dass in Zukunft Li-Ionen Lager- und Ladeschränke mit ihren spezifischen Funktionen und Alarm-Konzepten integriert werden. Denkbar ist auch die Integration von Wärmekammern mit denen Gefahrstoffe vor einer Weiterverarbeitung auf eine definierte Temperatur erhitzt werden können. Für manchen Kunden könnten Feuchtesensoren oder die Überwachung der Füllstände in Gefahrstoffgebinden für den Betrieb eines Gefahrstofflagers bzw. einer Wärmekammer relevant sein.
Welche konkreten Vorteile bietet Ihre digitale Lösung dem Anwender bzw. der Anwenderin?
Udo Roth: Das Condition Monitoring unterstützt den Betreiber effektiv bei der Erfüllung seiner Betreiberpflichten für die gesetzeskonforme Gefahrstofflagerung und bietet eine Vielzahl von Vorteilen:
- Es erfolgt eine 24/7 Überwachung relevanter Parameter für alle Gefahrstofflager eines Kunden rund um die Uhr und auch zwischen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfintervallen.
- Der Versand der Benachrichtigungen in Echtzeit per E-Mail und/oder SMS ermöglicht frühzeitige Reaktionen bei Störungen oder Alarmen, wodurch Schadensereignisse vermieden oder eine Schadensausbreitung eingedämmt werden kann. Gefährdungen von Mitarbeitern, der Umwelt oder von Produktionsanlagen können somit vermieden bzw. eingedämmt werden.
- Der Ausfall des Gefahrstofflagers und Produktionsunterbrechungen lassen sich vermeiden, wenn Risiken frühzeitig erkannt und Störungen behoben werden.
- Alarme und Warnungen können konfiguriert an unterschiedliche Personen im Unternehmen versandt und um kurze Handlungsanweisungen für ein gezieltes Notfallmanagement ergänzt werden.
- Temperaturverläufe können im zeitlichen Verlauf grafisch analysiert und über die Statushistorie Reports nach verschiedenen Filterkriterien im PDF-Format exportiert werden.
- Eine Erinnerung an den nächsten jährlichen Wartungstermin stellt sicher, dass Wartungstermine rechtzeitig organisiert und nicht vergessen werden.
Wie genau erfolgt die Implementierung von Denios connect beim Endkunden bzw. der Endkundin und bietet Denios entsprechende Service-Leistungen an?
Udo Roth: Wenn sich ein Kunde dafür entschieden hat, den SpillGuard connect für die Überwachung der Auffangwannen einzusetzen, oder Raumsysteme zu vernetzen, wird durch Denios zunächst ein Kundenkonto in Denios connect angelegt, das vom Endkunden nach Authentifizierung aktiviert wird. Im Falle des SpillGuard connect ist man dann schon fast am Ziel. Nach Empfang des Gerätes muss das für den Kunden vorgemerkte Gerät durch diesen nur noch aktiviert und eingeschaltet werden. Bei den Gefahrstofflagern ist es auch sehr einfach: Denios erledigt bereits im Vorfeld die Konfiguration und Registrierung des Raumsystems und stellt in einem Funktionstest sicher, dass Daten aus dem Gefahrstofflager übermittelt werden. Sobald dann das Gefahrstofflager beim Kunden an den Strom angeschlossen wird, beginnt die regelmäßige Datenübertragung.
Sowohl SpillGuard connect als auch vernetzte Raumsysteme werden dem gleichen Kundenkonto in Denios connect zugeordnet. Der Kunden-Administrator muss bei Inbetriebnahme nur noch die E-Mail-Adressen und Mobiltelefonnummern über die intuitive Benutzeroberfläche hinterlegen, an die Alarme verschickt werden sollen. Der Anwender kann durch zusätzliche Eingaben von Standortdaten, gelagerten Medien oder einer eigenen Bezeichnung die überwachten Anlagen individualisieren.
Bietet Denios connect eigentlich auch Hilfe bei der verpflichtenden, aber zugleich zeitaufwendigen sowie komplexen Dokumentation im Rahmen der Lagerung von Gefahrstoffen?
Udo Roth: Ja, alle Alarme und Störungen werden mit in einer Statushistorie gespeichert. Jedes Ereignis wird zudem mit dem Alarmtyp, einer Start- und Endzeit dem betroffenen Gefahrstofflager zugeordnet und chronologisch zugeordnert. Einmal abgespeicherte Ereignisse lassen sich nicht löschen.
Aus dieser tabellarischen Statushistorie kann nach technischen und zeitlichen Kriterien gefiltert ein PDF-Report aus Denios connect exportiert werden. Der PDF-Report oder die Statushistorie in der Anwendung können dazu verwendet werden, Auditoren gegenüber zu dokumentieren, ob und welche Störungen in einem bestimmten Zeitraum aufgetreten sind und wie lange es jeweils gedauert hat, bis die Ursache für einen Alarm oder eine Störung behoben wurde und das Gefahrstofflager wieder einen sicheren Betriebszustand erreichte.
Zum Abschluss vielleicht noch ein weiterer Blick in die Glaskugel: Wohin geht die Reise für Denios in den nächsten Jahren?
Udo Roth: Die Weiterentwicklung von Denios connect kann in verschiedene Richtungen gehen und es gibt viele Ideen dazu. Eine wichtige Prämisse bei der Weiterentwicklung ist jedoch, dass nur solche Funktionen und Entwicklungen vorangebracht werden sollen, die im Dialog mit Kunden gezeigt haben, dass damit ein konkretes Kundenproblem adressiert oder eine weitere Erleichterung und effizientere Erfüllung der Betreiberpflichten erzielt wird. Hierbei versucht Denios Kunden bei vor Ort Terminen, in Seminaren, oder bei der Entwicklung von Prototypen einzubinden.
Digitale Services ermöglichen der Denios SE eine Transformation vom Anbieter von Produkten hin zum Anbieter von Produkt-Service-Systemen. Dafür werden neue Geschäftsmodelle eingeführt und mittelfristig unser Dienstleistungsangebot zur „Safety Management as a Service“-Lösung ausgebaut.
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