Pilz startet mit myPnoz Losgröße 1 für Sicherheitsschaltgeräte
Am 14.01.2021 hatte die Pilz GmbH & Co. KG, Experte für die sichere Automatisierung aus dem baden-württembergischen Ostfildern zur Pressekonferenz unter dem Titel „Create your safety: myPnoz – das erste Sicherheitsschaltgerät in Losgröße 1“ geladen.
Losgröße 1, das ist eines der zentralen Elemente, die sich mit dem allgegenwärtigen Schlagwort Industrie 4.0 verbinden: Übersetzt bedeutet es nicht mehr und nicht weniger, als eine Einzelanfertigung zu den gleichen Kosten wie in einer Massenfertigung zu realisieren.
Allein die Ankündigung ließ bereits aufhorchen. Und auch in der virtuellen Pressekonferenz wurden die Erwartungen keineswegs enttäuscht. In Verbindung mit dem neuen Onlinetool „myPnoz Creator“ kann Pilz tatsächlich ein Sicherheitsschaltgerät ab Losgröße 1 anbieten. Grund genug für GIT SICHERHEIT noch einmal bei Harald Wessels, Vice President Product Management, nachzufragen, wie Pilz das genau bewerkstelligt.
Herr Wessels: Mit dem neuen Sicherheitsschaltgerät myPnoz und dem Onlinetool myPnoz Creator ist Ihnen zweifelsohne ein großer Schritt hin zur Realisierung von Industrie 4.0 gelungen. Hand aufs Herz, wie lange haben Sie zur Realisierung dieses Projekts gebraucht und welche besonderen Herausforderungen waren damit verbunden?
Harald Wessels: Das Produkt ist im Grunde eine Weiterentwicklung des Sicherheitsschaltgeräts Pnoz. Die Innovation ergibt sich aus der Art und Weise, wie sich die Module zusammenstellen lassen. Neu ist, dass das Produkt individuell zusammengestellt und dem Kunden in seiner Wunschkonfiguration fertig montiert geliefert wird. Die Herausforderungen lagen daher auch weniger auf Seiten der Geräteentwicklung, hier gab es keinen großen Unterschied zu vorher. Die Einführung des Onlinetools myPnoz Creators bzw. den Prozess von der Bestellung per Internet bis hin zur Montage in der Produktion softwaretechnisch umzusetzen, war die echte Herausforderung. Dafür mussten wir umdenken und vieles völlig anders machen als zuvor. Außerdem musste die Produktion die individuelle Herstellung in Losgröße 1 einführen – also bereits bestehende Module fertigen und zu kundenspezifischen Systemen zusammenfügen.
Das Onlinetool beinhaltet ja mehrere Funktionen für den Endkunden: Wie genau sehen diese aus und welche Vorteile bietet der Creator für den Nutzer?
Harald Wessels: Über unser Onlinetool myPnoz Creator „kreieren“ Kunden ihr Sicherheitsschaltgerät myPnoz. Das heißt, durch dieses Tool können Anwender weltweit und erstmals in diesem Bereich ihr Produkt selbst zusammenstellen und erhalten es vormontiert und einbaufertig in Losgröße 1.
Unser Creator stellt die Funktionen Logik-Editor, Hardware-Ansicht mit Editor, Simulation und Dokumentation zur Verfügung. Der Kunde kann aus einer Vielzahl an Möglichkeiten seine Lösung zusammenstellen. Der Clou: Er kann sein maßgeschneidertes Produkt ohne jedwede Software-Kenntnisse für die Programmierung oder Erstellung generieren. Der Anwender wählt seine Sicherheitsfunktionen und die dazu passenden Verknüpfungen. Der Creator wiederum wählt die ideale Hardware. Die Logik der Verknüpfung der Sicherheitsfunktionen ist über die Steckreihenfolge definiert. Auch das übernimmt der Creator: myPnoz verfügt also über eine interne Sicherheitslogik, die sich aus dem Aufbau des Systems ergibt.
Und diese interne Logik funktioniert für den Anwender auf jeden Fall intuitiv, denn der myPnoz Creator unterstützt ihn bei dessen Übersetzung. Das einzige, was Anwender dabei noch beachten müssen, ist, dass am Ende jeder Sicherheitszone wenigstens ein Ausgang platziert werden muss. Den kann der Anwender im Onlinetool einfach hinzufügen. Logikfehler in der Abfolge zeigt es über ein Symbol an. Anwender können im myPnoz Creator auch direkt die erstellte Logik simulieren, um zu verifizieren, ob myPnoz wie gewünscht reagiert. Und bestellen kann man dann auch gleich, alles in einem Tool!
Nun ist ja nicht nur der Creator eine Neuentwicklung, sondern auch das Sicherheitsschaltgerät myPnoz selbst. Was sind die wesentlichen Neuerungen und Verbesserungen aus Sicht des Kunden?
Harald Wessels: Hardwareseitig besteht unser myPnoz aus einem Kopfmodul mit ansteckbaren Erweiterungsmodulen, wobei das Kopfmodul die Spannungsversorgung übernimmt und bereits eine übergeordnete Sicherheitsfunktion mitbringt. Auch unsere Erweiterungsmodule sind weniger traditionell als innovativ: Insgesamt bieten wir zwölf Erweiterungsmodule an: je vier Eingangsmodule mit zwei sicheren Eingangsfunktionen pro Eingangsmodul, vier Ausgangsmodule und vier Ein- und Ausgangsmodule. Die Ausgangsmodule sind mit Relais- oder Halbleiterausgängen und optional zeitverzögert erhältlich, ganz, wie der Anwender sie benötigt. Der gesamte Aufbau ermöglicht kundenspezifische Anwendungen. Stichwort: Individualisierung.
Gibt es im Prozess von der Herstellung bis zur Auslieferung noch Punkte, an denen ein Mensch aktiv eingreifen muss oder sind alle Stufen vollautomatisiert?
Harald Wessels: Wenn die gewählten logischen Verknüpfungen valide sind, berechnet der myPnoz Creator automatisch, welche Module notwendig sind und in welcher Reihenfolge diese gesteckt werden müssen. Zusätzlich erhält der Anwender neben der Dokumentation auch einen Verdrahtungsplan und kann quasi per Knopfdruck sein myPnoz in der gewünschten Konfiguration bestellen. Geliefert wird myPnoz dann vorkonfiguriert und einbaufertig. Nur verdrahten und, dank der ebenfalls enthaltenen Safety Matrix, ganz einfach und schnell in Betrieb nehmen, heißt das für den Anwender. Durch den auf dem Gerät aufgedruckten Typenschlüssel kann myPnoz bei Bedarf in genau dieser Konfiguration jederzeit wieder bestellt werden. Der Komfort für den Kunden macht dann auch den Unterschied: Sollten sich während der Maschinenentwicklung oder über den Maschinen-Lebenszyklus die Anforderungen an die Sicherheit der Applikation ändern, kann der Kunde dies ebenfalls flexibel anpassen.
Die Realisierung der Losgröße 1 ist in vielerlei Hinsicht sicherlich auch mit einem zusätzlichen logistischen Aufwand verbunden. Wie gestaltet sich dieser?
Harald Wessels: myPnoz ist eine unternehmensübergreifende Leistung der Pilz Gruppe und umfasst nahezu alle Bereiche bei Pilz: Sowohl die IT- und OT(Organisational Technology)-Umgebung sind hier eng miteinander verzahnt, um vom individuell erzeugten Funktionsumfang durch den Kunden bis hin zum Versand und zur Rechnungsstellung die dazu notwendigen Prozesse zu managen. Zudem wurde weltweit ein dezentralisierter Prozess in der Pilz Gruppe etabliert: Unsere Tochtergesellschaften sind an den Pilz Produktionsverbund und unser IT-Netzwerk angebunden. Dadurch sind sie selbst in der Lage, die individuellen myPnoz Systeme nach Erhalt der Bestellung und auf Basis der Kundenspezifikationen vor Ort in der von Pilz gewohnten Qualität zusammenzustellen. Im Vorfeld haben wir bereits flächendeckend unsere Experten geschult, damit wir denselben Standard weltweit sicherstellen können für eine bestmögliche Betreuung vor Ort.
Für welche Industrieanwendungen eignet sich myPnoz im Besonderen?
Harald Wessels: Wir haben ganz allgemein die Automatisierung im Maschinen- und Anlagenbau im Fokus, wobei das Sicherheitsschaltgerät in vielfältigen Branchen einsetzbar ist. Wie zum Beispiel in der Verpackungsindustrie oder der Holzbearbeitung. Wer Sicherheitsapplikationen im einfachen bis mittleren Komplexitätsbereich umsetzen möchte, der profitiert insbesondere vom my-Pnoz. Genauso auch, wenn zwei bis 16 sichere Sicherheitsfunktionen abgedeckt und auf den Einsatz von Engineering-Software verzichtet werden soll.
Plant Pilz auch für weitere Produkte die Entwicklung eines entsprechenden Creators?
Harald Wessels: myPnoz hat als neues Produkt einen komplett neuen Prozess ‚kreiert‘. Und wir haben interdisziplinär komplett neue Möglichkeiten geschaffen, die künftig Grundlage für weitere solche Produktfamilien bei Pilz sein können: Neue Konfigurations- und Bestellprozesse, die kundenindividualisierte Produkte ermöglichen und damit verbunden auch eine komplett neue IT-Infrastruktur bis hin zu den sich daraus ergebenden Möglichkeiten in der Produktion.
Business Partner
Pilz GmbH & Co. KGFelix-Wankel Str. 2
73760 Ostfildern
Deutschland
Meist gelesen
Kommunale Sicherheit: Gespräch mit der Düsseldorfer Ordnungsdezernentin Britta Zur
Öffentliche Sicherheit der Stadt Düsseldorf im Zusammenspiel von Ordnungsamt und Polizei: Ordnungsdezernentin Britta Zur im Interview über die Kriminalitätsentwicklung, Gefahrenabwehr und Fußball-EM 2024.
Vieles ist noch ungeklärt: Justizvollzug als Bestandteil der kritischen Infrastruktur
Ein Beitrag von Wilfried Joswig, Geschäftsführer beim Verband für Sicherheitstechnik VfS.
General Product Safety Regulation (GPSR): Was regelt sie und welche Akteure müssen sich damit befassen?
Neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) ab 13.12.2024: Wichtige Änderungen und Anforderungen für Verbraucherprodukte
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
Gesundheit von Pferden mit KI überwachen
Mit einer Kombination von Videotechnologie und KI geht der Hersteller Novostable neue Wege bei der Gesundheitsüberwachung von Pferden.