Sicherheit von Justizvollzugsanstalten und Forensiken
Werden JVAen oder Forensiken saniert, gehören dazu insbesondere der Ausbau und die Aktualisierung von Sicherheitssystemen – von Video bis Zutritts- und Berechtigungssystem, Schließanlage bis Fenster sowie Detektionssysteme gegen unbemannte Kleinfluggeräte. Dies dient den Insassen genauso wie den Mitarbeitern. Bei der Sanierung dürfe dabei kein Geld für Fehlplanungen oder nicht beachtete Gutachten verschwendet werden, sagt Prof. Dr. Gause, Geschäftsführer des VfS Verband für Sicherheitstechnik im Gespräch mit GIT SICHERHEIT.
GIT SICHERHEIT: Herr Prof. Gause, wir sprechen heute über das große Thema Sicherheit speziell in Justizvollzugsanstalten. Wie schätzen Sie die Lage ein? Es gibt ja teilweise einen starken Sanierungsbedarf?
Clemens Gause: Einige deutsche Justizvollzugsanstalten müssen in der Tat saniert werden. Viele Einrichtungen sind veraltet und entsprechen nicht mehr den heutigen Standards in Bezug auf Sicherheit, Hygiene und Infrastruktur. Die Sanierung ist notwendig, um die Haftbedingungen zu verbessern und den Insassen eine angemessene Unterbringung zu bieten. Dazu gehört beispielsweise die Renovierung von Haft- und Gemeinschaftsräumen, die Modernisierung von Sanitäranlagen, die Verbesserung der Belüftungssysteme, die Erneuerung der elektrischen und sanitären Installationen sowie, mit höchster Priorität, der Aufenthaltsräume von Angestellten und Beamten.
Insbesondere sicherheitsrelevante Aspekte gehören ja dazu...?
Clemens Gause: Auch die Sicherheitstechnik muss regelmäßig geprüft und gegebenenfalls ausgetauscht werden – etwa Videosensorenssysteme, Gefahrenmeldeanlagen, Zutritts- und Berechtigungssysteme, Schließanlagen, Tore, Fenster und Scheiben, Türen, Detektionssysteme gegen unbemannte Kleinfluggeräte und vieles mehr. Nicht zu vergessen ist die ganzheitliche Betrachtung eines sicheren Zufahrtsschutzkonzeptes. Die Sanierungen von Justizvollzugsanstalten sind eine Herausforderung, da sie sowohl finanzielle als auch organisatorische Ressourcen erfordern. Es darf vor allem kein Geld durch Fehlplanungen oder nicht beachtete Gutachten verschwendet werden. Die Bundesländer haben erkannt, dass Investitionen in den Justizvollzug notwendig sind, um menschenwürdige Haftbedingungen zu gewährleisten, die Resozialisierung der Gefangenen zu fördern und die Sicherheit aller Angestellten und Beamten sicherzustellen. Um die Sanierungen von Einrichtungen voranzutreiben, wurden Programme, wie zum Beispiel das Justizvollzugsmodernisierungsprogramm in Nordrhein-Westfalen ins Leben gerufen.
Teils führt dieser Sanierungsbedarf ja zu Überbelegungen von JVAen?
Clemens Gause: Ganz grundsätzlich sind die Zeiten von übervollen Justizvollzugsanstalten vorbei. Die Belegungszahlen gehen seit Jahren kontinuierlich zurück, variieren aber je nach Bundesland und Einrichtung. In Deutschland lag, stand Juni 2022, die Belegungsquote in den Justizvollzugsanstalten insgesamt bei 78,1 Prozent. Im offenen Vollzug waren rund 61,6 Prozent der Plätze belegt, im geschlossenen Vollzug lag die Belegungsquote bei 80,8 Prozent. Die Belegungsquoten bei den Frauen waren etwas niedriger als bei den Männern. Die 172 Justizvollzugsanstalten in den Bundesländern verfügten im Juni 2022 über eine Belegungsfähigkeit von 72.416 Plätzen. Im Juni 2022 lag die Höchstbelegung bei 58.114 Personen – das betrifft alle Vollzugsarten einschließlich Sicherungsverwahrung und Untersuchungshaft.
Allerdings stieg die Anzahl der Straftaten seit der Beendigung der Pandemie wieder. Damit es nicht erneut, wie in der Vergangenheit, zu Engpässen kommt und Belegungszahlen von 120 % erreicht werden, müssen genügend Kapazitäten zur Verfügung stehen, um alle Gefangenen angemessen unterbringen zu können. Es darf nicht mehr vorkommen, dass Gefängnisse ihre eigentliche Auslastungsgrenze von 90 % überschreiten. Eine Überbelegung hat negative Auswirkungen auf den Justizvollzug. Es führt zu einer Verschlechterung der Arbeits- sowie Haftbedingungen. Zudem erschwert die hohe Anzahl von Insassen die individuelle Betreuung und Resozialisierung.
Wird hier genug getan seitens der Politik?
Clemens Gause: Die Politik ist sich inzwischen dieser Problematik bewusst und handelt teilweise. Zum Beispiel hat die nordrhein-westfälische Landesregierung vor einigen Jahren das Justizvollzugsmodernisierungsprogramm ins Leben gerufen. Dies hat das Ziel, die Haftanstalten zu modernisieren, die Sicherheit zu erhöhen und die Resozialisierung der Gefangenen zu fördern. Dazu gehören der Bau neuer Justizvollzugsanstalten und damit die Schaffung von zusätzlichen Haftplätzen, sowie alternativen Strafmaßnahmen in Form von elektronischer Überwachung oder gemeinnütziger Arbeit. Im Rahmen des Modernisierungsprogramms werden finanzielle Mittel bereitgestellt, um nicht nur neue Anstalten zu bauen. Auch bestehende Justizvollzugsanstalten werden saniert oder erweitert. Dabei sollen sowohl infrastrukturelle als auch personelle Verbesserungen vorgenommen werden. Dazu gehören beispielsweise der Ausbau von Werkstätten und Bildungseinrichtungen, die Schaffung von Rückfallpräventionsprogrammen, sowie die Stärkung des therapeutischen Angebots. Der Planungs- und Modernisierungsprozess nimmt allerdings viel Zeit in Anspruch, zudem ist die Umsetzung Ländersache, weshalb es zu regionalen Unterschieden kommen wird.
Wie sieht es bei forensischen Kliniken bzw. Abteilungen aus...?
Clemens Gause: Beim Maßregelvollzug ordnet das Gericht die Unterbringung in eine forensische Klinik an. Es werden Straftäter, die als nicht schuldfähig oder eingeschränkt schuldfähig gelten, aufgrund ihrer psychischen Erkrankung (§ 63 StGB) oder Suchterkrankung (§ 64 StGB) untergebracht. Um die Gefahr weiterer Straftaten zu verringern, ist das Ziel des Maßregelvollzugs, den Täter zu behandeln und zu resozialisieren. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB erfolgt auf unbestimmte Zeit. Eine Entlassung erfolgt nur bei einer günstigen Prognose für den Patienten. Die Anzahl der Unterbringungen in eine forensische Klinik sind über viele Jahre hinweg massiv angestiegen. Leider gibt es seit Jahren keine bundeseinheitliche Statistik zu den Unterbringungszahlen mehr. Teils wird davon ausgegangen, dass es 2020 für rund 13.000 Patienten nur rund 11.000 Planbetten gab. Zwischen 2002 und 2020 hat sich die Zahl mehr als verdoppelt. Auch konnte eine deutliche Zunahme der jährlichen Verurteilungen zu einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verzeichnet werden. Die Mehrzahl der Bundesländer ist mit ihren Maßregeleinrichtungen durch diese Entwicklung unter Druck geraten, was eine massive Überbelegung zu Folge hat.
Des Weiteren mussten immer wieder Entlassungen aus der sogenannten Organisationshaft durchgeführt werden. Der Grund dafür war, dass es den Vollstreckungsbehörden nicht möglich war, einen Therapieplatz zur Verfügung zu stellen. Die Arbeit der Mitarbeiter in den Kliniken wird durch die Überbelegung erheblich erschwert, es fehlt an Betten und Personal. Bei den Patienten führt die Überbelegung zu mehr Konflikten und Übergriffen.
Aufgrund des föderalen Systems variiert der Zustand der forensischen Kliniken in Deutschland stark. Es gibt sowohl gut ausgestattete und modernisierte Kliniken als auch solche, die mit infrastrukturellen oder personellen Herausforderungen zu kämpfen haben. In den letzten Jahren hat es jedoch eine verstärkte Aufmerksamkeit für den Maßregelvollzug gegeben, was wiederum zu einer Verbesserung der Bedingungen geführt hat. Es wurden teilweise komplett neue forensische Kliniken gebaut, teils modernisiert und auf einen angemessenen Stand der Sicherheitstechnik gebracht. Zudem wird versucht, das Personal aufzustocken, um eine bessere Betreuung und Behandlung der Patienten sicherzustellen. Es geht hier nicht nur um die Patienten, sondern auch um die Sicherheit der Angestellten und Beamten. Zurzeit kommt es vermehrt zu Engpässen und weiteren Herausforderungen. Die Unterbringung von Straftätern mit psychischen Erkrankungen oder Suchterkrankungen erfordert hoch spezialisierte Einrichtungen und geschultes Personal. Leider besteht, wie in vielen anderen Bereichen auch, ein Fachkräftemangel und Nachwuchsprobleme. Viele Altgediente mit ihrem großen Erfahrungsschatz gehen – kaum bis gar kein neues Personal kommt nach.
Wie weit lassen sich wilhelminische Architekturen, aber auch spätere Bauten überhaupt auf den heutigen Stand bringen?
Clemens Gause: Grundsätzlich ist es möglich, Justizvollzugsanstalten, die vor langer Zeit errichtet worden sind, auf den heutigen Stand zu bringen. Beispiele dafür sind die Justizvollzugsanstalten Bremen und Bützow in Mecklenburg-Vorpommern. Die historistische JVA Bremen wurde 1871 gebaut und 1874 bezogen. Seit 1993 steht sie unter Denkmalschutz.
In den Jahren 2013 bis 2016 wurde zum Beispiel ein altes Hafthaus mit einem Kostenaufwand von 5,9 Mio. EUR saniert. Als signifikante Sanierungsmaßnahmen sind unter anderem Vergrößerungen der Hafträume sowie deren Erweiterung um ein räumlich getrenntes WC zu nennen. Dabei wurde ein vorhandener Haftraum jeweils zur Hälfte einem angrenzenden Haftraum zugeordnet und mit Handwaschbecken und WC ausgestattet.
Dabei handelte es sich um eine Kernsanierung einschließlich der Abtrennung neuer Stationen, die Vergrößerung der Hafträume, der Herstellung des baulichen Brandschutzes sowie der gesamten technischen Gebäudeausrüstung. Ein weiterer Schwerpunkt war die Sanierung der Bausubstanz von Dach, Decken, Treppenanlagen und der Giebelfenster an der West- und Ostfassade.
Ein ähnliches Beispiel bietet die aus noch früherer Zeit stammenden JVA Bützow. Sie wurde 1839 in Betrieb genommen und steht ebenfalls teilweise unter Denkmalschutz. In den vielen Jahrzehnten ihres Bestehens wurde sie immer wieder erweitert, alte Gebäude wurden abgerissen und es entstanden nach 2000 zwei neue moderne Hafthäuser. In den vergangenen zehn Jahren wurde mit der Sanierung alter Hafthäuser begonnen. Die Sanierung ist ähnlich wie bei der JVA Bremen verlaufen, allerdings mit der Besonderheit, dass in die Nasszellen auch Duschen eingebaut worden sind und die Inhaftierten die Möglichkeit erhalten haben, aus dem Haftraum zu telefonieren. Die Sanierungen der Anstalten sind sehr aufwendige Projekte – vor allem die Abstimmungen mit dem Denkmalschutz sind sehr zeitintensiv.
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