vfdb - Richtiges Verhalten im Brandfall: Zehn Fragen an den Experten

Deutschland gilt als vorbildlich, wenn es um Brandschutz geht. Kaum ein anderes Land hat so viele Feuerwehrleute pro Einwohner.

Deutschland gilt als vorbildlich, wenn es um Brandschutz geht. Kaum ein anderes Land hat so viele Feuerwehrleute pro Einwohner. Aber wie steht es um die Brandschutzaufklärung der Bevölkerung? Dazu befragten wir Frieder Kircher. Er ist Leitender Branddirektor i. R. der Berliner Feuerwehr sowie Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) und der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb).

GIT SICHERHEIT: Herr Kircher, geben Sie uns zum Einstieg einmal einen Überblick, wie Brandschutzerziehung und -aufklärung in Deutschland geregelt sind?

Frieder Kircher: Die Verantwortung für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung ist in fast allen Feuerwehrgesetzen der Bundesrepublik als Zuständigkeit der Kommunen geregelt. Nur in Berlin und Bayern gibt es keine derartige Zuständigkeit. Durchgeführt wird die Brandschutzerziehung in den meisten Fällen von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Freiwilligen Feuerwehr. Die Landesfeuerwehrwehrverbände und die Landesfeuerwehrschulen bieten für die Brandschutzerzieher Seminare und Schulungen an. Der gemeinsame Ausschuss für Brandschutzerziehung und Brandschutzaufklärung von DFV und vfdb bietet als Fachgremium Arbeitshilfen und bemüht sich um die Koordinierung und Erfahrungsaustausch.

Sind solche Vorschriften wirklich notwendig? Wie sind Ihre Erfahrungen aus Ihrer langjährigen Arbeit?

Frieder Kircher: Die Kenntnis über das richtige Verhalten im Brandfall ist leider nicht so weit verbreitet, wie wir uns das als Fachleute gerne wünschen würden. Jeder glaubt zwar, zu wissen, was er im Brandfall machen soll, wenn man aber detailliert nachfragt, kommen oft erhebliche Lücken zum Vorschein.

Mit anderen Worten: Es gibt Informationsbedarf auf breiter Ebene. Aber wie kann sichergestellt werden, dass diejenigen, die schon Kindern richtiges Verhalten vermitteln sollen, genügend vorbereitet sind und auch einheitliche Regeln vermitteln?

Frieder Kircher: Wir haben für diesen Fall als bundesweit tätiges Gremium eine neue Strategie zur Brandschutzaufklärung entwickelt. Ein Kernpunkt davon ist die Fachempfehlung zum Verhalten im Brandfall, die insbesondere natürlich für die Menschen, die in der Brandschutzerziehung und -aufklärung tätig sind, ein wichtiger Leitfaden ist, aber auch von jedem anderen selbst gelesen werden kann.

Lassen sich denn überhaupt feste Regeln formulieren? Immerhin ist ja jeder Brand anders.

Frieder Kircher: Das ist richtig, und bisher ist eines wenig beachtet worden: Es ist ein Unterschied, ob ein Brandfall in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus auftritt oder im Obergeschoss eines Einfamilienhauses. Für diese unterschiedlichen Fälle haben wir abgeänderte Verhaltensregeln entworfen, die auf die jeweiligen Verhältnisse angepasst sind.

Welche sind die Kernpunkte der Empfehlung?

Frieder Kircher: Einer der wichtigsten Punkte der Fachempfehlung ist der Ratschlag: Schließ‘ die Tür. Wenn ein Brand ausbricht, breitet sich insbesondere Rauch sehr schnell auf alle Räume aus. Durch das Schließen der Tür, möglichst natürlich mit einem freien Weg zur Fluchttür, kann die weitere Rauchausbreitung erst einmal bis zum Abschluss der Flucht verzögert werden.

Was wird bei Ausbruch eines Feuers im privaten Bereich am häufigsten falsch gemacht?

Frieder Kircher: Das größte Übel ist, dass sich die Menschen keine Gedanken darüber gemacht haben, was sie im Brandfall tun, wo ihr nächster Fluchtweg ist und was sie unbedingt beachten müssen. Dann reagieren sie oft falsch, laufen zum Fenster und schreien um Hilfe und hinter ihnen breitet sich das Feuer weiter aus. Dann bleibt oft nur noch der Sprung aus dem Fenster, der leider in vielen Fällen tödlich endet.

Können Sie dafür ein Beispiel aus dem Einsatzgeschehen geben?

Frieder Kircher: Es gibt zahlreiche Beispiele aus dem Einsatzalltag der Feuerwehren. Mir ist eines aus meiner Berufstätigkeit bekannt. Eine Frau bemerkt einen Brand in ihrer Einzimmerwohnung im vierten Obergeschoss. Sie erinnert sich an die Bilder aus den Kinderbüchern, wo die Menschen am Fenster stehen und laut um Hilfe rufen und dann der Feuerwehrmann mit der Leiter zu Rettung kommt – das funktioniert leider nicht in einem Altbau auf dem Hinterhof – da reichen die Leitern nicht. Sie hätte schnellstens versuchen müssen, die Wohnung zu verlassen. In dem Fall konnte sie nur springen. Die Feuerwehr kam gerade an, als das Feuer schon ihre Kleidung entzündete.

Wie geht es weiter – was erhoffen Sie von dem Papier?

Frieder Kircher: Wir sehen einen langfristigen Prozess, um die Informationen über die vielen Aktiven in der Brandschutzerziehung unter die Menschen zu bringen. Dazu gibt es auch Informationsseiten wie z. B. www.rauchmelder-lebensretter.de/120sek, wo wir den Inhalt auch schon grafisch aufbereitet haben. Darüber hinaus werden wir immer wieder Aktionen starten, um bei Tagen der offenen Tür der Feuerwehren, aber auch mit Verantwortungsträgern wie z. B. Wohnungsbaugesellschaften oder Immobilienverwaltungen eine Sensibilität für dieses Thema zu schaffen.

Gibt es schon Beispiele, wie so etwas umgesetzt wird?

Frieder Kircher: Ein schönes Beispiel haben wir von der ersten Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Marzahn, die unsere Fachempfehlung in eine ansprechende Broschüre umgesetzt hat, die an alle Mieter verteilt wird.

Mit der Fachempfehlung allein ist es sicher nicht getan. Es gibt noch verschiedene Projekte und Kampagnen, um das Brandschutz-Bewusstsein in der Bevölkerung zu stärken. Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Aktionen?

Frieder Kircher: Die Aktion „Rauchmelder retten Leben“ auf der Website www.rauchmelder-lebensretter.de ist für uns und die Verbreitung von Rauchmeldern sehr wichtig. Auch Aktionen wie z. B. von Paulinchen e.V. auf der Website www.paulinchen.de helfen, für das Thema „Verhalten im Brandfall“ mehr Verständnis zu finden.

Brand in der eigenen Wohnung im Mehrfamilienhaus

Kurzempfehlung für das gebäudeorientierte brandschutzgerechte Verhalten

Die Fachempfehlung von DFV und vfdb unterscheidet insgesamt vier Fälle: Brand in einem Mehrfamilienhaus in der eigenen Wohnung und in der Nachbarwohnung, Brand im Einfamilienhaus und Brand oder verqualmtes Treppenhaus im Mehrfamilienhaus.

  • Ruhe bewahren!
  • Besteht die Möglichkeit, mit einfachen Mitteln das Feuer zu löschen? (Deckel auf den brennenden Topf, Anwendung eines vorhandenen Kleinlöschgerätes, Gefäß mit Wasser usw.?)
  • Kann die Tür zum brennenden Raum geschlossen werden?
  • Sind noch weitere Personen in der Wohnung? Wenn ja, wissen diese Personen von dem Brand und sind sie in der Lage, die Wohnung selbständig zu verlassen?
  • Ist der Fluchtweg zum Wohnungsausgang frei?
  • Liegen Mobiltelefon und Wohnungsschlüssel griffbereit?
  • Kann ich / können wir die Wohnung über die Eingangstür verlassen? Welche anderen Fluchtwege stehen zur Verfügung?
  • Habe ich beim Verlassen der Wohnung die Tür zum Treppenhaus zugezogen?
  • Habe ich aus einem sicheren Bereich die Feuerwehr über die Telefonnummer 112 alarmiert?
  • Habe ich die Nachbarn gewarnt?
  • Ist vor dem Gebäude ausreichend Platz für die Feuerwehr oder kann ich Anwohner bitten, ihre Autos wegzufahren? Kann ich der Feuerwehr wichtige Informationen geben, zum Beispiel ob und wo noch Personen im Gebäude sind?

Fachempfehlung von DFV und vfdb zum Verhalten im Brandfall https://bit.ly/39ZAFSm

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