Alles zur EU-Maschinenverordnung 2027
Die Maschinenverordnung, die seit Juli 2023 und nach einer Übergangsfrist ab Januar 2027 in der EU ausschließlich gilt, vereinheitlicht die Anforderungen an die Maschinensicherheit, bringt sie auf den aktuellen Stand der Technik und erweitert den Kreis der beteiligten Wirtschaftsakteure. Tüv Süd fasst die wesentlichen Punkte zusammen.
Ein zentraler Punkt ist das Thema Digitalisierung mit seinen neuen Herausforderungen, ein weiterer die Definition einer wesentlichen Änderung und die damit verbundene Risikobewertung.
Um die Maschinenverordnung richtig und vollständig umzusetzen, sind Kenntnisse in verschiedenen Bereichen nötig. Dazu gehören die Risikobeurteilung, die Betriebsanleitung und die vollständige technische Dokumentation sowie die für die CE-Kennzeichnung erforderliche Konformitätsbewertung und -erklärung. In manchen Fällen ist es nötig, für die Konformitätsbewertung eine benannte Stelle hinzuzuziehen. Die Maschinenverordnung ist Teil des New Legislative Framework (NLF), das seit 2010 innerhalb der EU Standards vereinheitlicht. Es dient dazu, die Märkte mit klaren Vorgaben für Prüforganisationen und Regeln für die Konformitätsbewertung zu überwachen. Diese Zuordnung sowie die Rechtsform der Verordnung verleihen dem Thema Maschinensicherheit in der EU eine größere Bedeutung.
Nicht mehr zeitgemäß: Bisher Thema Digitalisierung ohne Berücksichtigung
In der bisherigen Maschinenrichtlinie war der gesamte Themenbereich der Digitalisierung noch nicht berücksichtigt; ein wesentlicher Grund dafür, dass die Maschinenrichtlinie als nicht mehr zeitgemäß und überarbeitungsbedürftig angesehen werden musste. Die Maschinenverordnung lässt erstmals zu, in besonderen Fällen Dokumente wie Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen online zur Verfügung zu stellen. Dafür sind klare Angaben nötig, wie lange die Dokumente verfügbar sind (mindestens zehn Jahre oder die erwartete Lebensdauer der Maschine) und dass der Zugang zu digitalen Ablageorten sicher gewährleistet ist. Hersteller müssen diesen Zugang direkt am Produkt bereitstellen – z. B. über Links oder QR-Codes.
Das Kapitel Digitalisierung in der Maschinenverordnung geht allerdings weit über das Bereitstellen von Dokumenten hinaus. Einbezogen sind auch die besonderen Risiken, die sich aus dem Einsatz Künstlicher Intelligenz bei Sicherheitsfunktionen ergeben können. Lernende und zunehmend autonom agierende Maschinen oder Roboter, die mit Menschen interagieren – sogenannte Cobots – erfordern eine Risikobewertung, die sich flexibel erweitern lässt. Arbeits- und Gesundheitsschutz spielen in diesen Mensch-Maschine-Interaktionen eine entscheidende Rolle. Vernetzte Maschinen sind besonders gefährdet gegenüber Cyber-Angriffen. Hier sind die Hersteller in der Pflicht, die Maschinen mit Schutzmaßnahmen gegen Hacker auszustatten. Höhere Anforderungen gelten jetzt auch für die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Steuerungen.
Hochrisikomaschinen und „wesentliche Veränderungen“
Risiken zu bewerten, ist ein wesentlicher Bestandteil der Maschinensicherheit. Was genau als Risiko oder sogar als Hochrisiko eingestuft werden muss, kann sich im Laufe der Zeit allerdings ändern. Die Maschinenverordnung berücksichtigt diesen Aspekt und legt eine offene, erweiterbare Definition von Hochrisikomaschinen zugrunde. Das ist für bestimmte Branchen sehr relevant. Anhang I der Maschinenverordnung legt fest, welche Maschinen für ihre Konformitätsbewertung eine benannte Stelle benötigen. Autonome und selbstlernende Maschinen gehören aufgrund ihres besonderen Risikos dazu.
Neu ist auch, dass der Begriff der „wesentlichen Änderung“ klar definiert wurde. Nach einer wesentlichen Änderung ist eine Maschine wie eine Neumaschine zu betrachten und bedarf einer neuen Konformitätsbewertung samt Risikobeurteilung. Das galt schon unter der Maschinenrichtlinie, aber die EU-weit einheitliche Definition einer wesentlichen Änderung, die eine Maschine als neu gelten lässt, schafft jetzt Klarheit für alle Beteiligten. Als wesentliche Änderung gelten alle Modifikationen, die die Sicherheit der Maschine beeinträchtigen oder das Risiko derart erhöhen, dass neue Schutzeinrichtungen nötig werden oder die Stabilität der Maschine mit zusätzlichen Maßnahmen garantiert werden muss.
Einzelprodukte und Kleinserien sind besonders herausfordernd, wenn es darum geht, allgemeine Standards zu erfüllen. Die Maschinenverordnung berücksichtigt dies und schafft die Möglichkeit, Einzelprüfungen mit einem eigenen Modul durchzuführen.
Klar benannte Wirtschaftsakteure und ihre Pflichten
Neben Herstellern und Betreibern sind in der Maschinenverordnung auch Händler beziehungsweise Inverkehrbringer als Wirtschaftsakteure ausdrücklich neu benannt. Der Begriff des Wirtschaftsakteurs ist schon im NLF enthalten und beschreibt nun in der Maschinenverordnung klar die verschiedenen Rollen und die Gruppen, die sich mit der Maschinensicherheit befassen müssen. Wer eine gebrauchte Maschine weiterverkauft, gilt automatisch als Händler und damit als von der Maschinenverordnung betroffener Akteur.
Die Maschinenverordnung ist in einigen Teilen anders strukturiert als die Maschinenrichtlinie; sie definiert einige Begriffe neu, die technisch und rechtlich angepasst wurden. Deshalb ist es auch für Wirtschaftsakteure, bei denen schon die Maschinenrichtlinie gilt, wichtig, sich sorgfältig mit der neuen Verordnung zu beschäftigen.
Übergangsfristen nicht ausreizen
Mit Inkrafttreten der Maschinenverordnung 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung am 29.06.2023 hat eine Übergangsfrist von 42 Monaten begonnen, bis die neue Verordnung ausschließlich gilt. Anders als die bisherige Richtlinie muss eine EU-Verordnung nicht zusätzlich in nationales Recht überführt werden, sondern gilt unmittelbar. Die Übergangsfrist endet am 20.01.2027; empfohlen wird jedoch, sich bereits frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen. Gerade neu von der Verordnung betroffene Unternehmen und solche, die keine eigenen Fachkräfte für Maschinensicherheit beschäftigen, müssen sich mit dem Thema gründlich auseinandersetzen.
Noch ist nicht abzusehen, ob die Anpassung einzelner Normen eventuell sogar länger dauert als die 42 Monate. Wird die Überprüfung durch eine benannte Stelle erforderlich, ist es ebenfalls ratsam, dies frühzeitig festzustellen und vorzubereiten. Gleiches gilt für Langzeit-Projekte, auf die idealerweise von Beginn an die Maschinenverordnung angewendet werden sollte.
Tüv Süd bereitet alle beteiligten Wirtschaftsakteure mit einem umfangreichen Schulungsangebot auf die jeweils für sie geltenden Aspekte der Maschinenverordnung vor.
Mehr zur neuen Maschinenverordnung finden Sie hier.
Autoren:
Rudolf Bültermann, Experte Maschinensicherheit
Pascal Staub-Lang, Leiter Maschinensicherheit
Benedikt Pulver, Leiter Maschinensicherheit