BDSW: Private Sicherheitsdienstleister
30 JAHRE GIT SICHERHEIT FEATURE - In der inzwischen 115-jährigen Geschichte der privaten Sicherheitsunternehmen in Deutschland gibt es neben den Kriegsjahren drei bemerkenswerte Umbrüche.
Der Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) ab den 60er Jahren erforderte eine Neuausrichtung des Personen- und Werkschutzes. Der Werkschutz, bis dahin ein Auffangbecken für gesundheitlich beeinträchtigte ehemalige Arbeiter in der Produktion wurde sukzessive auf immer professioneller werdende private Sicherheitsdienste übertragen.
◾◾◾ Qualifikation
Die Herausforderungen der damaligen Zeit veränderten auch die Anforderungen an die Qualifikation der Beschäftigten. Ergebnis war die Einführung der damaligen „IHK geprüften Werkschutzfachkraft“ aus der später die „geprüfte Schutz- und Sicherheitskraft“ wurde. Die Olympischen Spiele 1972 in München verursachten einen weiteren Nachfrageschub für die private Sicherheit. Der Fall der Mauer und die deutsche Einheit stellten die private Sicherheit auf eine völlig neue Grundlage. Die Nachfrage nach privater Sicherheit stieg erneut stark an. Diese brachte aber auch neue Unternehmen auf den Markt, die vor allem das schnelle Geld im Blick hatten. Die Qualität der Dienstleistungen litt darunter. Deshalb war es nicht ganz überraschend, dass die Branche selbst gewaltige Schritte zur Verbesserung der Qualifikation unternahm.
Begünstigt wurde dieser Qualitätsschub auch dadurch, dass viele Mitarbeitenden aus den früheren staatlichen Organen in die private Sicherheit wechselten. Einen betriebseigenen Werkschutz, wie im Westen durchaus noch üblich, gab es in der früheren DDR nicht. Diese Aufgaben wurden zu fast hundert Prozent fremdvergeben. Die Qualität der dort eingesetzten Beschäftigten war überdurchschnittlich hoch. Kurz nach der Wende gab es dann jedoch eine heftige Diskussion in den deutschen Medien. Schlagzeilen, wie „Sicherheit nur für Reiche“, „bewaffnete Privatarmee“ oder auch „der Nachtwächter“ führten dazu, dass der Verband das Thema Qualifikation in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte. Die Einführung der beiden Ausbildungsberufe und auch mehrerer Studiengänge unter anderem an Polizeihochschulen sind die Spitze der Qualifikation. Hinzu kam die Änderung der gewerberechtlichen Zugangsregelung.
Ein weiterer Höhepunkt der letzten 30 Jahre war auch die Fußballweltmeisterschaft im Jahr 2006 in Deutschland. Ohne den Einsatz von Tausenden von privaten Ordnungs- und Sicherheitskräften hätte diese Veranstaltung nicht durchgeführt werden können.
Flüchtlingskrise
Die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 führte zu einem Umsatzzuwachs von 40 % in nur zwei Jahren – eine völlig ungesunde Entwicklung. Diese starke Nachfrage nach Sicherheitsdienstleistungen in den Flüchtlingsunterkünften führte ebenfalls zu zahlreichen Neugründungen von Unternehmen und dem Einsatz von völlig überfordertem Personal. Missstände konnten nicht ausbleiben. Der Staat reagierte mit weiteren Regulierungen, Verschärfung des Gewerbezugangs und der Einführung eines Bewacherregisters.
Corona
Die jüngste große Herausforderung schließlich stellte sich im Frühjahr 2020 – mit der Bewältigung der weltweiten Coronapandemie. Im Bereich der Luftsicherheit oder beim Schutz von Veranstaltungen brachen ganze Marktsegmente weg. Es kamen neue Aufgaben hinzu, die vorher völlig undenkbar waren. Zugangskontrollen in Supermärkten, Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie in Krankenhäusern. Mit dem Öffnen von über 400 Impfzentren kam auch der Schutz dieser Einrichtungen mit vielfältigen Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben dazu. Vorübergehend waren bis zu 15.000 Beschäftigte privater Sicherheitsdienste in diesem Marktsegment tätig.
Zukunft
In den vergangenen 30 Jahren gab es mehrfache Regulierungsfortschritte – jedoch stets nur im Gewerberecht. Der große Wurf indes steht noch aus – in der nächsten Legislaturperiode erwarten wir die Einführung eines Sicherheitsdienstleistungsgesetzes. Die erwarteten, daraus resultierenden Veränderungen, insbesondere bezüglich der Anforderungen an die Beschäftigten, werden nochmals große Anstrengungen der Branche mit sich bringen müssen. In den kommenden 30 Jahren wird es dann vor allem darauf ankommen, die Integration von Mensch und Sicherheitstechnik, noch stärker als bisher, voranzubringen. Die Technik wird immer leistungsfähiger und kostengünstiger. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird es immer schwieriger, geeignetes und zuverlässiges Personal zu gewinnen. Deshalb müssen wir zwangsläufig noch stärker als bisher auf personaleinsparende Sicherheitstechniken setzen.
Ungeachtet der zu erwartenden technischen Entwicklungen und der damit verbundenen neuen Anforderungen an die Beschäftigten und ihre Einsatzmöglichkeiten, wird es in unserer Branche auch in den nächsten 30 Jahren immer noch Tätigkeiten für Menschen geben, die kein Abitur, geschweige denn ein Hochschulstudium, absolviert haben. Dies wird in der derzeitigen Diskussion über die Digitalisierung leider häufig viel zu wenig berücksichtigt. Wir bieten, wie die Zeitarbeit oder die Gebäudereinigung, auch diesen Menschen eine berufliche Perspektive. Tätigkeiten, mit denen sie ihren Lebensunterhalt verdienen und einen Lebensinhalt finden können. Für unsere Unternehmen bedeutet dies, eben diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die entsprechende Wertschätzung entgegenzubringen, um sie für die Tätigkeiten unserer Branche zu begeistern und sie langfristig an Bord zu behalten.
Die private Sicherheit ist bereits zu einem wichtigen Pfeiler der Inneren Sicherheit in Deutschland geworden und ihre Bedeutung wird aufgrund der insgesamt anstehenden Herausforderungen auf dem Gebiet der Sicherheit noch weiter kräftig ansteigen. Der Staat ist immer weniger in der Lage, alle an ihn gestellten Erwartungen in ausreichendem Maß zu erfüllen. Eine neue Arbeits- bzw. Aufgabenteilung ist notwendig – Police Private Partnership-Lösungen werden dringender denn je. Mit der Gestaltung der entsprechenden Rahmenbedingungen wird die Anerkennung der privaten Sicherheitsdienste noch weiter zunehmen. Wir sind auf dem richtigen Weg.
Business Partner
BDSW Bundesverband der Sicherheitswirtschaft e.V.Am Weidenring 56
61352 Bad Homburg
Deutschland
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